Rund um die Urlaubszeit, wieder ein(mal) ein Urlaubsthema: Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am 20. März (Az. 9 AZR 486/17) eine vermutlich folgenschwere Entscheidung getroffen. Folgenschwer jedenfalls, wenn der Gesetzgeber nicht hurtig reagiert.
Der BAG-Fall: Alter Urlaub aus der Vollzeit
Der Leitsatz mag zunächst harmlos erscheinen: „Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union darf die Verringerung des Beschäftigungsumfangs nicht dazu führen, dass der von einem Arbeitnehmer vor der Verringerung erworbene und nach der Verringerung angetretene Jahresurlaub mit einem reduzierten Urlaubsentgelt vergütet wird.“ Was aber steckt dahinter?
Es leuchtet ein, dass im konkreten Fall so zu entscheiden war, wie es das BAG tat. Es war also eine durchaus richtige Entscheidung und es folgt keineswegs eine Richterschelte. Im Fall hatte eine in Teilzeit beschäftigte Mitarbeiterin Urlaub genommen, der noch aus „Altjahren“ stammte, und zwar als sie noch in Vollzeit arbeitete. Der Arbeitgeber berechnete das Urlaubsentgelt nach der (neuen) Teilzeit – und scheiterte damit beim BAG.
Vollzeiturlaub bei Teilzeitarbeit
Um es einfach zu halten: Ein Beschäftigter in der Fünf-Tage-Woche und mit einem täglichen Entgelt von 200 Euro erhält selbstverständlich – wenn er den „Alturlaub“ nimmt, und zwar nach einer Arbeitszeitreduzierung auf 50 Prozent und auch wieder auf fünf Tage verteilt – keine Entgeltfortzahlung in Höhe von 100 Euro je Urlaubstag, sondern für diese Tage 200 Euro. Schließlich hat er den Urlaub in Vollzeit „erdient“.
Man tut also gut daran, hier von doppelter Gleichwertigkeit zu sprechen – sowohl in der Länge als auch in der Vergütung darf der die Arbeitszeit verringernde Beschäftigte nicht schlechter, aber auch nicht bessergestellt werden. Je nach Teilzeitmodell wird dies hinreichend komplex: zum Beispiel von Vollzeit fünf Tage auf 50 Prozent Teilzeit, davon zwei Tage voll und ein Tag halb…
Teilzeitbeschäftigte: Verbot der Diskriminierung
Um zu diesem Ergebnis zu gelangen, muss man nicht einmal § 4 Abs. 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) bemühen. Danach darf ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer ohne sachlichen Grund wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer. Aber das wäre auch nicht neu. Das BAG jedenfalls hatte im entschiedenen Fall die tarifvertraglichen Regelungen, die einem Arbeitnehmer während des Urlaubs einen Anspruch auf die Weiterzahlung des Ist-Entgelts einräumen, wegen der mittelbaren Benachteiligung von Teilzeitkräften für nichtig erklärt. Zumindest gilt das laut BAG, soweit das Urlaubsentgelt eines Arbeitnehmers – der nach der Verringerung seiner wöchentlichen Regelarbeitszeit seinen Urlaub antritt – auch in jenen Fällen nach dem Entgeltausfallprinzip bemessen wird, in denen der Urlaub aus der Zeit vor der Arbeitszeitreduzierung stammt.
Nun ja: Von dieser tarifvertraglichen Regelung weicht die gesetzliche in § 11 Bundesurlaubsgesetz (BurlG) nicht so wirklich ab. Wenn also die tarifvertragliche Regelung nichtig ist, kann sich jeder selbst überlegen, was das für die gesetzliche Regelung heißt…
Brisante Kombination aus Teilzeit und Urlaubsrecht
Auch nicht neu – aber das macht die Sache brisant: Das deutsche Urlaubsrecht sieht vor, dass der volle Urlaub nach der „Wartezeit“, also nach sechsmonatigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses, erworben wird (§ 4 BUrlG). Und hernach immer in voller Höhe am 1. Januar eines Jahres. Nur in Sonderfällen – wenn die Wartezeit noch nicht erfüllt ist oder bei einem Ausscheiden im ersten Kalenderhalbjahr – erfolgt eine ratierliche Berechnung, § 5 BUrlG.
Wieso das brisant ist? Die Kombination der oben genannten Punkte macht alles erst richtig rund. Lassen wir unseren Beschäftigten beispielsweise ab 2. Januar in Teilzeit gehen mit – sagen wir – einem Tag Arbeit je Woche, jeweils montags. Mit Ablauf des 1. Januars – da noch in Vollzeit – hat er bereits 30 Urlaubstage erworben. Das heißt, wenn er gleich 30 Tage Urlaub nimmt müsste er erst ab Mitte des Jahres arbeiten. Bis dahin bekommt er – richtig: seine Feiertagsentgeltfortzahlung für den 1. Januar und im Übrigen Urlaubsentgelt. Und zwar für jeden Tag in diesem Zeitraum wie Vollzeit. Obwohl er doch Teilzeit arbeitet. Wir wollen an dieser Stelle nicht vertiefen, wie sich dies verhält, wenn er noch Alturlaub hat (zum Beispiel aus Zeiten vor Elternzeiten).
Aktuell: Brückenteilzeit bringt neue Brisanz – und den Gesetzgeber ins Spiel
Und warum wird das Thema gerade heute brisant? Brückenteilzeit. Auch hier mag der geneigte Leser erwidern wollen, dass diese doch mindestens ein Jahr betrage und danach eine Karenzzeit von einem Jahr vor einem neuen Antrag liegt. Ja, das ist richtig. Aber dem Gesetzgeber hat es gefallen, die Brückenteilzeit nicht auf ein Kalenderjahr zu legen, und auch nicht mit einem Monatsersten anfangen zu lassen. Das oben dargestellte Modell, es gilt also! Jeder, der künftig für ein Jahr Brückenteilzeit macht, sei es ab 2. Januar oder ab 1. Februar, er nimmt für dieses Kalenderjahr seinen vollen Urlaubsentgelt-Anspruch mit.
Nein, ich finde das auch nicht lustig. Es ist dringend geboten, dass der Gesetzgeber reagiert. Der Urlaubsanspruch – das muss gesetzlich geregelt werden und widerspricht auch nicht dem Gleichbehandlungsgebot – entsteht von Dauer und Urlaubsentgelt ratierlich jeden Monat. Und nicht schon am 1. Januar eines Jahres. Aber, dafür müssen § 4 und § 5 BUrlG geändert werden.
Mögliche Lösung bei befristeter Teilzeit: Urlaub vorher abbauen
Was tun wir bis dahin: Urlaub wird vor jedem Arbeitszeitwechsel strikt gewährt. Nicht ganz einfach, vor allem politisch. Aber vermutlich ist alleine das administrativ zu machen und wird von den nicht betroffenen Kollegen als „gerecht“ empfunden.
Nota bene: Im Erfüllungsaufwand, den der Gesetzgeber bei der Brückenteilzeit mit lächerlichen (lächerlich, weil der Gesetzgeber eine Verbescheidung eines Antrags mit sieben Minuten angibt – wieder einmal eine Phantasiezahl, um die Belastung zu schönen) 1,81 Millionen Euro pro Jahr angibt, ist das nicht beinhaltet. Und welche Entlastung nach dem One-in-one-out-Prinzip“ erfolgen soll, lässt der Regierungsentwurf auch offen.
Alexander R. Zumkeller, Präsident des
Bundesverbands der Arbeitsrechtler in Unternehmen (BVAU), blickt in seiner Kolumne aus der Unternehmenspraxis auf arbeitsrechtliche Themen und Trends.