Pauschales Kopftuchverbot an Schulen verfassungswidrig
Ein pauschales Kopftuchverbot für Lehrerinnen an öffentlichen Schulen ist mit deren Glaubens- und Bekenntnisfreiheit nicht vereinbar. Nur wenn von der Bekundung des religiösen Glaubens eine konkrete Gefahr für den Schulfrieden ausgeht, so das Bundesverfassungsgericht im aktuellen Urteil, dürfe ein Verbot ausgesprochen werden.
Baskenmütze und Kopftuch
Eine an einer Gesamtschule angestellte Sozialpädagogin hatte nach der Anordnung, das Kopftuch abzulegen, eine rosafarbene Baskenmütze mit Strickbund anstelle ihres Kopftuchs getragen und erhielt daraufhin eine Abmahnung. Im zweiten Fall ging es um eine als Lehrerin angestellte Muslimin, die nach ihrer Weigerung, das Kopftuch während des Dienstes abzulegen, eine Abmahnung und dann eine Kündigung erhalten hatte. Vor den Arbeitsgerichten blieben die gegen die Abmahnungen und gegen die Kündigung gerichteten Klagen der beiden Frauen erfolglos. Beide erhoben sodann Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassunggericht.
Das Bundesverfassungsgericht stellte zum einen fest, dass eine Wollmütze "aus sich heraus nicht religiös konnotiert" sei und wies die Verfassungsbeschwerde der Sozialpädagogin insoweit zurück.
Bundesverfassungsgericht kippt Regelung im Schulgesetz
Bisher galt, dass ein pauschales Kopftuchverbot möglich ist, wenn es eine gesetzliche Grundlage dafür gibt. Diese Entscheidung hatte das Bundesverfassungsgericht 2003 getroffen. Im Anschluss hatten viele Bundesländer ihre Schulgesetze überarbeitet. Das nordrheinwestfälische Schulgesetz (SchulG NRW) schrieb in § 57 Abs. 4 vor:"Lehrerinnen und Lehrer dürfen in der Schule keine politischen, religiösen, weltanschaulichen oder ähnliche äußere Bekundungen abgeben, die geeignet sind, die Neutralität des Landes gegenüber Schülerinnen und Schülern sowie Eltern oder den politischen, religiösen oder weltanschaulichen Schulfrieden zu gefährden oder zu stören." Mit der nun ergangenen Entscheidung legt das Gericht fest, dass diese Regelung ab sofort verfassungsgemäß anzuwenden ist. Eine abstrakte Gefahr, so wie in der Regelung enthalten, genügt ab sofort nicht mehr, es muss nun "eine hinreichend konkrete Gefahr der Beeinträchtigung des Schulfriedens oder der staatlichen Neutralität" von der religiösen Bekundung, also den Kopftüchern ausgehen.
Des Weiteren galt bisher eine Ausnahme von § 57 Abs. 4 des Schulgesetzes für Darstellungen "christlicher und abendländischer Bildungs- und Kulturwerte oder Traditionen". Diese Regelung wurde vom Bundesverfassungsgericht für komplett verfassungswidrig erklärt. Christliche Bekundungen dürfen danach nicht anders bewertet werden, wie die anderer Religionen.
Die Entscheidung der Verfassungsrichter fiel nicht einstimmig. Zwei Richter legten ein Sondervotum ein.
Störung des (Schul-) Friedens
Folge der Entscheidung ist, dass weiterhin eine Anordnung ergehen kann, das Kopftuch abzunehmen, wenn dadurch eine konkrete Gefahr für den Schulfrieden ausgeht. Kommt es also beispielsweise durch erhebliche Proteste zu Störungen, kann eine entsprechende konkrete Gefahr vorliegen.
Kleiderordnung in der Privatwirtschaft
In der Privatwirtschaft gilt, dass die Religionsfreiheit regelmäßig der Unternehmerfreiheit vorgeht. Nur wenn der Arbeitgeber nachweisen kann, dass es durch das Tragen des Kopftuchs zu betrieblichen Störungen oder zu wirtschaftlichen Einbußen kommt, kann er eine andere Kleiderordnung vorgeben.
Hinweis: Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 27. Januar 2015, 1 BvR 471/10 und 1 BvR 1181/10
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