Faire Arbeit in der Plattformökonomie
Ob Lieferdienste, Textarbeiten oder Haushaltstätigkeiten: Im Zuge der Digitalisierung sind immer mehr neue Geschäftsmodelle entstanden, die über Plattformen Dienstleistungen vermitteln. Die Corona-Krise beschleunigt diese Plattformökonomie noch. Die einzelnen Plattformen und vermittelten Tätigkeiten unterscheiden sich stark.
Das Arbeitsfeld ist jedoch insgesamt geprägt von einem Machtungleichgewicht zwischen Plattformen und den Plattformtätigen, auch Crowdworker genannt. Diese werden in der Regel als Solo-Selbstständige tätig. Um hier für faire Arbeitsbedingungen und eine bessere soziale Sicherung zu sorgen, hat Bundesarbeitsminister Hubertus Heil am 27. November 2020 ein Eckpunkte-Papier vorgelegt.
Eckpunkte zu fairer Arbeit in der Plattformökonomie
Das Eckpunkte-Papier sieht konkrete Maßnahmen vor, um Plattformen stärker in die Verantwortung zu nehmen und die Rechte von Plattformtätigen zu stärken. Dabei unterscheidet das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) zwischen Arbeitsplattformen, die aktiv Einfluss auf die Vertragsgestaltung und -durchführung nehmen und reinen Vermittlungsplattformen und Betreibern von Online-Marktplätzen, die keinen solchen Einfluss nehmen.
Im Fokus des BMAS sind die Arbeitsplattformen. Betreiber von Online-Marktplätzen und Vermittlungsplattformen sollen hingegen nur von Melde- und Statistikregelungen erfasst werden.
Soziale Absicherung für solo-selbstständige Plattformtätige
Solo-selbstständige Plattformtätige sollen in die gesetzliche Rentenversicherung einbezogen werden. Dazu sollen Arbeitsplattformen an der Alterssicherung finanziell beteiligt werden. Das BMAS will zudem prüfen, ob die Absicherung in der Unfallversicherung verbessert werden kann. In Bereichen, in denen die Berufsgenossenschaften eine Pflichtversicherung per Satzung vorsehen, könnte eine Ausfallhaftung für Plattformbetreiber geregelt werden.
Arbeitnehmerstatus: Beweiserleichterung für Plattformtätige
Das BMAS will es Plattformtätigen erleichtern, ihre Rechte vor Gericht geltend zu machen. Hierzu will es eine Beweisverlagerung bei Prozessen zur Klärung des Arbeitnehmerstatus zugunsten des Beschäftigten einführen. Wenn der Plattformtätige Indizien für das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses mit dem Plattformbetreiber vorlegt, soll der Betreiber der Plattform beweisen müssen, dass kein Arbeitsverhältnis vorliegt.
Kollektivrechtliche Organisation für Plattformtätige
Das BMAS will für solo-selbstständige Plattformtätige die Möglichkeit eröffnen, sich zu organisieren und gemeinsam grundlegende Bedingungen ihrer Tätigkeit mit den Plattformen auszuhandeln.
Faire Tätigkeitsbedingungen: Mindestkündigungsfristen, Arbeitsschutz und mehr
Das BMAS will zudem bestimmte Vertragspraktiken von Plattformen unterbinden, indem zum Beispiel verbindliche Mindestkündigungsfristen in Abhängigkeit von der Dauer der Tätigkeit auf der Plattform festgeschrieben werden. Auch die entsprechende Anwendung weiterer arbeitsrechtlicher Schutzregelungen für solo-selbstständige Plattformtätige wird angedacht. Dies betrifft etwa Regelungen zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, zum Mutterschutz und zum Urlaub. Für besonders gefahrgeneigte Tätigkeiten in der Plattformökonomie prüft das BMAS zudem die Einbeziehung der Plattformtätigen in den gesetzlichen Arbeitsschutz.
Rechtliche Kontrolle von Vertragsbedingungen
Da die Vertragsbedingungen in der Praxis regelmäßig von den Plattformbetreibern einseitig vorgegeben werden, will sich das BMAS gemeinsam mit dem für das AGB-Recht zuständigen Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) dafür einsetzen, dass Allgemeine Geschäftsbedingungen, die einseitig zulasten der Plattformtätigen gehen, einfacher und unkomplizierter gerichtlich überprüft werden können - beispielsweise, wenn Plattformen Vergütungen grundlos einbehalten oder willkürlich Konten sperren.
Mehr Transparenz über Melde- und Statistikpflichten
Das BMAS will Transparenz- und Meldepflichten für alle Plattformbetreiber etablieren, um die Datenlage zur Plattformökonomie zu verbessern.
Das könnte Sie auch interessieren:
BAG-Urteil: Crowdworker können auch Arbeitnehmer sein
Welche Crowdsourcing-Plattform bietet die fairsten Arbeitsbedingungen?
-
Wann Urlaubsverfall und Urlaubsübertragung möglich sind
8.7224
-
Entgeltfortzahlung: Wenn unterschiedliche Krankheiten aufeinander folgen
8.579
-
Zusatzurlaub bei Schwerbehinderung von Arbeitnehmenden
6.979
-
Wann müssen Arbeitgeber eine Abfindung zahlen?
6.3762
-
Zulässige Differenzierung bei Inflationsausgleichsprämie
5.408
-
Urlaubsanspruch richtig berechnen
4.253
-
Wie Arbeitgeber in der Probezeit kündigen können
4.216
-
Nebenjob: Was arbeitsrechtlich erlaubt ist
3.661
-
Arbeitszeitkonto: Diese rechtlichen Vorgaben gelten für Arbeitgeber
3.311
-
Wann Arbeitnehmende einen Anspruch auf Teilzeit haben
3.2291
-
"Ethik kann helfen, die Arbeitskultur in Unternehmen zu stärken"
20.12.2024
-
Betriebsrat wegen Drogenkonsums gekündigt
19.12.2024
-
Gibt es ein Recht auf Nichterreichbarkeit im Urlaub?
18.12.20244
-
Die wichtigsten BAG-Urteile des Jahres 2024
17.12.2024
-
Unwirksame Versetzung aus dem Homeoffice
16.12.2024
-
Überstundenregelung diskriminiert Teilzeitbeschäftigte
12.12.2024
-
Keine Inflationsausgleichsprämie für Langzeiterkrankte
11.12.2024
-
Mindestlohn für Azubis erhöht sich 2025
10.12.20247
-
Urlaubsabgeltung bei fortdauernden Beschäftigungsverboten
09.12.2024
-
Beim Ehrenamt sind arbeitsrechtliche Fehleinschätzungen vorprogrammiert
05.12.2024