Crowdsourcing im Unternehmen
Für Arbeitnehmer spielt Crowdsourcing bislang zwar eine untergeordnete Rolle, in der öffentlichen Wahrnehmung aber taucht das Thema immer wieder auf. Nicht nur, weil von Problemen einzelner Anbieter oder Projekte berichtet wird, sondern auch, weil sich immer mehr Unternehmen für das Thema und die neuen Möglichkeiten interessieren. Aber was versteht man eigentlich unter Crowdsourcing, Gigworking und Microjob? Wann und für welche Aufgaben kann die Crowd sinnvoll als Arbeitskraft eingesetzt werden?
Was ist Crowdsourcing eigentlich genau?
Die Wortschöpfung Crowdsourcing setzt sich zusammen aus Crowd, im Sinne eines Kollektivs von Internetnutzern, und Outsourcing, dem Auslagern von Arbeit und Aufgaben an Dritte. Crowdsourcing bezeichnet somit die Auslagerung von Arbeit, nicht an einen einzelnen Dienstleister, sondern an eine Gemeinschaft oder Web-Community. Mehrere Freiwillige, die in der Regel Nutzer einer bestimmten Plattform sind, erledigen die anfallenden Aufgaben. Der Deutsche Crowdsourcing Verband (DCV) beschreibt dieses Kollektiv als eine heterogene Mitarbeitergruppe, die zeitlich und räumlich unabhängig an einem gemeinsamen Ziel oder Projekt arbeitet. Häufig geschieht diese Mitarbeit bei einzelnen spezifischen Problemen, die für Crowd-Mitglieder indirekte oder direkte Vorteile mit sich bringen.
Zum näheren Verständnis des Phänomens finden sich teils divergierende Versuche, Crowdsourcing genauer zu beschreiben. Crowdsourcing kann somit unterschiedliche Formen annehmen. Fasst man das Verständnis davon weit, können auch unentgeltliche Tätigkeiten als Crowdsourcing bezeichnet werden, beispielsweise wenn Kunden an der Entwicklung eines neuen Produkts oder neuer Features beteiligt werden. Ein äußerst prominentes Beispiel für unentgeltliches Crowdsourcing ist die Web-Enzyklopädie Wikipedia, bei der die meisten Inhalte von freiwilligen Autoren erstellt werden und nur Bestand haben, wenn sie von anderen Nutzern als nützlich und korrekt eingestuft werden.
Crowdworking, Clickworker, Microjobs
Paid Crowdsourcing ist im Unterschied zur unentgeltlichen Beteiligung eine professionalisierte Form des Crowdsourcing, bei der die Beteiligung auf einem (geringen) Entgelt basiert. Die Vermittlung der Arbeitspakete an die Crowd wird dabei meist über darauf spezialisierte Online-Plattformen abgewickelt. Auch wenn sich die Prinzipien der Plattformen ähneln, unterscheiden sich die Geschäftsmodelle dieser Anbieter stark, sie sind häufig auf spezielle Tätigkeiten spezialisiert.
Auch diese vermittelten Tätigkeiten, häufig als Microjob bezeichnet, können sehr unterschiedlich ausfallen. Typischerweise kommen Aufgaben für Crowdsourcing in Frage, die stark standardisiert sind und dennoch nicht automatisiert werden können, beispielsweise wenn größere Datenmengen verarbeitet werden müssen. Das Katalogisieren von Archiven oder Bildern, das Schreiben von Texten und das Verschriftlichen von Sprachaufnahmen kommt dafür ebenso in Frage wie das Programmieren einzelner Softwarebestandteile oder konkrete Design-Aufgaben.
Das Institut für Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg Essen hat im Mai 2019 einen Report zu Crowdsourcing veröffentlicht, in dem grundsätzlich zwei Formen unterschieden werden. Demnach kann von Cloudwork die Rede sein, wenn die vermittelten Tätigkeiten digital und online erledigt werden, wenn es sich dagegen um ortsgebundene Aufgaben handelt, spricht man demnach eher von Gigwork. Für Mitarbeiter und Selbständige existieren analog die Bezeichnungen Clickworker beziehungsweise Gigworker.
Mikro- und Makroaufgaben
Diese standardisierten Arbeitspakete können dabei unterschiedliche Ausmaße annehmen. Die Autoren vom IAQ unterscheiden deshalb auch Mikroaufgaben und Makroaufgaben. Mikroaufgaben sind Aufgaben, die in kleine Arbeitspakete heruntergebrochen werden können, häufig handelt es sich um Routine- oder Untersützungsaufgaben. Als Makroaufgaben bezeichnen die Autoren Aufgaben mit kreativen Anforderungen, die zwar ebenfalls standardisiert, zugleich aber spezialisiert und wissensintensiv sind.
Beispiele für Makroaufgaben könnten folglich sein: Das Gestalten von (einzelnen) Webseiten, das Schreiben vollständiger redaktioneller und suchmaschinenoptimierter Texte oder das Transkribieren von Interviews nach wissenschaftlichen Standards. Als Mikroaufgaben könnten beispielsweise betrachtet werden: Das Verschlagworten von Texten oder Bildern, das Kategorisieren von Archivdaten oder das Testen von Webseiten.
Bedeutung von Crowdsourcing in Deutschland
Dem IAQ-Report zu Folge spielt Crowdworking in Deutschland bislang eine untergeordnete Rolle, gewinnt aber immer mehr an Relevanz. Die tatsächliche Anzahl an Crowdworkern sei schwer abzuschätzen, von einer verhältnismäßig weiten Verbreitung als Nebenverdienst sei aber auszugehen, schreiben die Autoren Thomas Haipeter und Fabian Hoose. Das Interesse seitens Unternehmen, bestimmte Teilbereiche mittels Crowdsourcing auszugliedern nehme zu. Auch der aktuelle Diskurs um Probleme bei Crowdsourcing und -working, beispielsweise durch Konflikte hinsichtlich der Interessensvertretung der Mitarbeiter zeige die zunehmende Relevanz des Themas sowie der Frage nach fairen Arbeitsbedingungen.
Versinnbildlicht werde dies beispielsweise an der öffentlichen Aufmerksamkeit, die die Kampagne „Liefern am Limit“ erzielen konnte, meint Co-Autor Fabian Hoose. Fahrradkuriere, die über ein Cloudsourcing-System für den Essenslieferdienst Deliveroo arbeiteten (teilweise als Teilzeitangestellte, teilweise als Freelancer) hatten die Kampagne im Zuge ihrer Betriebsratsgründung gestartet und sich lokal vernetzt, nachdem der Arbeitgeber die zuvor genutzten digitalen Kommunikationskanäle geschlossen hatte. Auch Gewerkschaften engagieren sich für eine stärkere Interessensvertretung von Crowdworkern. Hoose meint, bei Crowdworking habe man es mit neuen Akteurskonstellationen zu tun: „Die beschriebenen Inititativen können expemplarisch für die Suchprozesse verstanden werden, die derzeit entstehen und bei denen Arbeitgeber, Arbeitnehmer und alte wie neue Interessensvertreter eine gewinnbringende Zusammenarbeit ausloten.“
Crowdsourcing und Crowdworking-Anbieter
Einige Crowdworking-Anbieter reagierten bereits 2015 auf die Kritik um Arbeitsbedingungen: Im Crowdsourcing Code of Conduct verpflichten sich verschiedene Anbieter selbstbestimmt zu fairen Arbeitsbedingungen. Der Crowdsourcing Code of Conduct wurde im Jahr 2017 nochmals überarbeitet. Er enthält zehn Grundsätze, darunter faire und transparente Bezahlung, motivierende und gute Arbeitsbedingungen, klare Zielvorgaben und geregelte Prozesse und vernünftige Zeitplanung. Derzeit bekennen sich neun Plattformen sowie der Deutsche Crowdsourcing-Verband zu den Standards.
Ebenso divers wie die verschiedenen Arbeitspakete und Definitionsversuche ist auch das Spektrum der Plattformen, die Crowdsourcing anbieten. Die Liste zeigt die Plattformen, die den Crowdsourcing Code of Conduct unterstützen und welche beispielhaften Dienstleistungen oder Produkte laut deren jeweiligen Webauftritte angeboten werden.
Software-Test
- Testbirds GmbH bietet Test von Bugs, Performance-Problemen und User Experience.
- Digivante (zuvor Bug Finders Limited) bietet Funktionstests, Sicherheitstests und Test der ortsungebundenen Erreichbarkeit.
Erstellen und Bearbeiten von Daten
- Clickworker GmbH bietet Verschlagwortung, Erstellen von Texten, Umfragen und Recherche.
- Crowd Guru GmbH bietet Kategorisierung, Content-Erstellung und Content-Moderation und ebenfalls Recherche.
Erstellen und Bearbeiten von Texten
- Content-De AG bietet Texterstellung für verschiedene Anwendungsfälle und Übersetzungen.
- Sario Marketing GmbH (Textbroker) bietet Texterstellung in verschiedenen Sprachen und ebenfalls Übersetzungen.
Einzelhandel
- Streetspotr GmbH bietet Testkäufe und Analysen von Warenplatzierungen und Kundenerlebnissen im Einzelhandel.
- Wer denkt was GmbH (Appjobber) bietet ebenfalls Testkäufe und Analysen von Warenplatzierungen und Kundenerlebnissen.
Design
- Jovoto GmbH bietet beispielsweise Ideen- und Konzeptentwicklungen für Produktdesigns.
Wie sich zeigt, sind viele Plattformen auf bestimmte Aufgaben oder Tätigkeitsbereiche spezialisiert: Es gibt Anbieter, die sich auf enge und spezielle Aufgaben fokussieren. Andere Anbieter bieten ein breiteres Portfolio, welches in der Regel dennoch auf bestimmte Bereiche oder Kernkompetenzen fokussiert ist. Je nach Aufgabe unterscheiden sich auch die Geschäftskonzepte und die konkreten Prozesse beim Crowdsourcing.
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