BAG: Sind Crowdworker Arbeitnehmer oder selbstständig?

Zahlreiche Internetplattformen vergeben Kleinstaufträge an sogenannte Crowdworker, die üblicherweise als Solo-Selbstständige tätig werden. In einem ersten Urteil hat das BAG einen Crowdworker als Arbeitnehmer eingestuft, der per App Aufträge zur Warenkontrolle erhielt.

In der Diskussion, wie die ständig wachsende Vergabe von Dienstleistungen über digitale Plattformen rechtlich einzustufen ist, hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) eine wesentliche Entscheidung getroffen. Nach überwiegender Auffassung haben sogenannte Crowdworker, die für eine Internetplattform tätig werden, keinen Arbeitnehmerstatus, sondern werden als Selbstständige tätig. Das BAG stellte in seinem aktuellen Urteil nun fest: Zwischen Internetplattformbetreiber und Crowdworker kann durchaus ein Arbeitsverhältnis zustande kommen.

Maßgeblich sei die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses im Einzelfall. Einen Plattform-Jobber, der regelmäßig für ein Unternehmen Waren checkte, stuften die Arbeitsrichter aufgrund der Umstände als Arbeitnehmer ein. Der Plattformbetreiber habe die Zusammenarbeit so gesteuert, dass der Crowdworker seine Tätigkeit nicht frei gestalten konnte. 

Crowdworker: Als Arbeitnehmer oder Selbstständiger tätig?

In dem konkreten Fall kontrollierte ein Münchener als mobiler Zuarbeiter seit 2017 regelmäßig für ein Unternehmen die Warenpräsentation in Geschäften und Tankstellen. Seine Aufgabe bestand insbesondere darin, Fotos von der Warenpräsentation anzufertigen und Fragen zur Werbung von Produkten zu beantworten. Diese "Mikrojobs" wurden auf der Grundlage einer "Basis-Vereinbarung" und allgemeiner Geschäftsbedingungen (AGB) durch das Unternehmen über eine Online-Plattform angeboten. Die Aufträge musste der Crowdworker nach Übernahme unter bestimmten Vorgaben innerhalb von zwei Stunden bearbeiten.

Plattformbetreiber beendet die Zusammenarbeit mit Crowdworker

In einem Zeitraum von elf Monaten bearbeitete er 2.978 Aufträge für das Unternehmen. Dieses führt die Kontrollen der Warenpräsentation im Einzelhandel oder in Tankstellen für Markenhersteller durch und vergibt als Plattformbetreiber die Aufträge an Crowdworker. 2018 beendete das Unternehmen per E-Mail die Zusammenarbeit. Vor Gericht wehrte sich der Crowdarbeiter gegen "seine Kündigung". Aus seiner Sicht bestand zwischen ihm und dem Plattformbetreiber ein Arbeitsverhältnis. Das Unternehmen vertrat den Standpunkt, dass der Mann als Selbstständiger tätig geworden sei. Im Verlauf des Rechtsstreits kündigte der Plattformbetreiber dem Crowdworker im Juni 2019 vorsorglich.

Vorinstanzen: Crowdworker hat keinen Arbeitnehmerschutz

Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab, da aus ihrer Sicht kein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien vorlag. Aus Sicht des LAG München erfüllte die Basisvereinbarung nicht die Voraussetzungen eines Arbeitsvertrages, weil sie keinerlei Verpflichtung zur Erbringung von Leistungen enthält. Insbesondere habe keine Verpflichtung zur Annahme eines Auftrags bestanden. Auch umgekehrt habe die Vereinbarung den Auftraggeber nicht verpflichtet, Aufträge anzubieten.

BAG: Arbeitsverhältnis zwischen Plattformbetreiber und Crowdworker

Anders als die Vorinstanzen entschied das BAG nun, dass der Crowdworker für den Plattformbetreiber, der ihm die Aufträge vermittelte, weisungsgebundene und fremdbestimmte Arbeit in persönlicher Abhängigkeit erbracht habe. Die Gesamtwürdigung aller Umstände qualifiziere ihn als Arbeitnehmer.

Das Gericht führte in seiner Begründung dazu aus, dass es dabei nur auf die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses ankomme. Der Crowdworker sei im konkreten Fall zwar vertraglich nicht zur Annahme der Aufträge verpflichtet gewesen. Tatsächlich sei die Plattform aber so organisiert, dass über einen Account angemeldete Nutzer durch ein Bewertungssystem veranlasst würden, ständig Kontrolltätigkeiten zu übernehmen, um faktisch einen höheren Stundenlohn zu erzielen.  

Rechtmäßige Kündigung des Crowdworkers

Nach Auffassung des BAG war der Münchener Crowdworker somit, während er seine Aufträge durchführte, als Arbeitnehmer für das Unternehmen tätig. Die im Verlauf des Rechtsstreits erfolgte Kündigung erfolgte jedoch rechtmäßig, sodass im Ergebnis kein Arbeitsverhältnis mehr bestand.

Über die Höhe der vom Crowdworker geltend gemachten Vergütungsansprüche muss nun das LAG München entscheiden. Das BAG verwies in dieser Sache zurück an die Vorinstanz, da der Crowdworker nicht ohne Weiteres die gleiche Vergütung verlangen könne, die er als vermeintlich freier Mitarbeiter als Honorar erhalten habe.

Hinweis: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 1. Dezember 2020, Az: 9 AZR 102/20; Vorinstanz: Landesarbeitsgericht München, Urteil vom 4. Dezember 2019, Az: 8 Sa 146/19


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