"Corporate Social Responsibility" (CSR) ist längst Standard in den Unternehmen. In diesen tobt gerade ein Streit darüber, ob es sich um eine Aufgabe des HR-Bereichs, von Sustainability beziehungsweise des Arbeitsschutzes oder gar der Kommunikation oder PR handelt. Zum Teil wird sogar darum gerungen, wer das Thema letztlich besetzen darf. Selten genug, werden sonst Themen doch eigentlich verdrängt und abgegeben. Betrachtet man die Öffentlichkeitsarbeit der Unternehmen, ist man versucht zu denken, beim Thema CSR gewinne gerade die PR die Oberhand.
Heute: Gerangel darum, wer CSR für sich in Anspruch nehmen darf
Das Gerangel um CSR ist aber nicht verwunderlich, denn schließlich handelt es sich um etwas Positives. "Mein Unternehmen ist ein "good corporate citizen", geht gut mit seinen Mitarbeitern um, tut etwas für die Gemeinschaft" – das sagt jeder gern. Aber da ist auch schon der Haken. Denn fast jeder der Beteiligten versteht etwas anderes darunter: Die Öffentlichkeitsarbeiter beschränken sich gerne mal auf das philantropische Element ("tue Dritten Gutes und rede darüber"), HR sieht sehr stark Employer Branding als gewichtigen Hintergrund ("stärke die Attraktivität sowohl der Arbeitgebermarke als auch die des Arbeitgebers selbst"), wieder andere Unternehmensgruppen stellen ihre Lebensberechtigung dar – Arbeitssicherheit, Umweltschutz, Integrität et cetera, Das alles ist wichtig und richtig. Und erst zusammen mit dem Unternehmenszweck selbst ergibt das alles einen Sinn – sonst bleibt alles philantropisch, gönnerhaft.
Und die Europäische Richtlinie greift nun – richtigerweise – weit: Sie versteht unter CSR die Verantwortung der Unternehmen für ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft. Dazu gehört das alles: Antikorruption, soziales Engagement, interne Dimension (Mitarbeiter) und externe Dimension (Gesellschaft im weiteren Sinne) und vieles mehr. Die unterschiedlichen Gruppen müssen sich also zusammenfinden. Und das gilt umso mehr, als die EU, und in der Folge der deutsche Gesetzgeber, nun auch CSR "endlich" amerikanisiert: mit einer Berichtspflicht.
Gestern: EU-Richtlinie mit neuen Berichtspflichten
Bereits 2014 hat das Europäische Parlament und die EU-Mitgliedstaaten eine neue Richtlinie zur Erweiterung der Berichterstattung von großen kapitalmarktorientierten Unternehmen und Konzernen verabschiedet. Ziel der Richtlinie ist es insbesondere, die Transparenz über ökologische und soziale Aspekte von Unternehmen in der EU zu erhöhen. Gerade Unternehmen, die am Kapitalmarkt aktiv sind, sollen künftig stärker über nichtfinanzielle Aspekte berichten, die unmittelbare und wesentliche Auswirkungen auf die Wirtschaft- und Finanzlage des Unternehmens haben.
Dabei geht es um Information zu Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelangen sowie die Achtung der Menschenrechte und die Bekämpfung von Korruption und Bestechung. Die Richtlinie ist bis zum 6. Dezember 2016 in nationales Recht umzusetzen. Am 21. September hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf vorgelegt.
Morgen: Wen trifft die Bürde der Zuständigkeit für CSR
Die Richtlinie beendet jedenfalls eines: das interne Gerangel um die Zuständigkeit. Denn erstens gibt es normierte Berichtspflichten und die wären – zweitens – nichts wert ohne Pönalisierungsandrohung. Etwas falsch machen (und dafür bestraft werden) will aber freilich keiner.
Künftig sollen die Unternehmen (noch) transparenter werden. "Ziel der Richtlinie ist es insbesondere, die Transparenz über ökologische und soziale Aspekte von Unternehmen in der EU zu erhöhen", so der Gesetzgeber. Spannend sind die avisierten Themen, zu denen berichtet werden soll: Menschenrechte, Korruptionsbekämpfung, Umweltbelange, Arbeitnehmerbelange, Sozialbelange. Das ist sehr, sehr amerikanisch: alles muss berichtet werden. Das kann man nun aus zwei Blickwinkeln sehen: Berichte machen eine Transparenz und damit einen Markt erst möglich. Das ist die amerikanische Sicht. Oder: Die freie Marktwirtschaft hat mündige Bürger, die selbst wissen, ob sie lieber in ein berichtendes oder in ein nicht berichtendes Unternehmen investieren, Produkte dort kaufen et cetera. Das ist – sorry, war – die europäische Sicht.
Berichtspflichten: "Transparenz" ersetzt Freiheit und Mündigkeit
Denn einst langsam und leise sind die Berichtspflichten nach Europa und Deutschland geschwappt. Bleiben wir beim Arbeitsrecht: Keinesfalls schon immer musste ein Arbeitgeber auf einer Betriebsversammlung einen Personal- und Sozialbericht abgeben (§ 43 Abs. 2 BetrVG), auch über den Stand der Gleichstellung und die Integration ausländischer Beschäftigter musste er nicht schon immer berichten und erst recht nicht über den Umweltschutz. Und schauen wir in die Zukunft: Auch das Lohngleichheitsgesetz wird einen jährlichen Bericht über den (vermeintlichen) "Gender Pay Gap" verlangen und zudem Maßnahmen, die Unternehmen ergreifen, um gegen Ungleichheiten vorzugehen.
Nicht, dass ich mich missverständlich ausdrücke: Es gibt keinerlei Grund für ungleiche Behandlungen bei gleichen Voraussetzungen. Es gibt keinerlei Rechtfertigung für Diskriminierung von Ausländern, für Umweltverschmutzung, für Korruption. Aber was erwartet der Gesetzgeber eigentlich? Dass der nicht Gesetzestreue, dass der Unanständige sich selbst bezichtigt? Oder doch nur Schönfärberei? Bösartig wäre zu sagen, dass das Phänomen der Selbstkritik philosophisch vor allem dem Marxismus-Leninismus, später auch dem Maoismus (zum Beispiel im 27. Kapitel der Worte des Vorsitzenden) entlehnt ist.
Also: gut versteckt im neuen § 289c HGB werden die Berichtspflichten stehen.
CSR-Berichte: Und wie kommt man raus?
Wir werden uns, freilich, daran gewöhnen: Eintönige Berichte darüber, wie toll die Unternehmen sind. Haben Sie schon mal den Bericht eines amerikanischen Unternehmens zu Diversity gelesen? Nicht spannend, und vor allem beliebig austauschbar. Sicher wird es schnell findige Softwarehersteller geben, die nach dem Anklicken einzelner Check-Boxen im Programm wie aus Zauberhand einen "maßgeschneiderten" Bericht entstehen lassen – mit Modulen, Textbausteinen, also einen "CSR-Berichte-Generator".
Abstrus wird es, wenn man bedenkt, dass nachteilige Angaben nicht zu berichten sind – wenn nach "vernünftiger kaufmännischer Beurteilung die Angaben geeignet sind, der Gesellschaft Nachteil zuzufügen". Es entspringt dem gutem alten europäischen (Rechts-)Verständnis, sich nicht selbst bezichtigen zu müssen. Wenigstens das hat Eingang gefunden.
Gesetz zur CSR-Richtlinie: die Bürokratie-Auswirkungen
Die Auswirkungen des Gesetzes sind riesig. Der Gesetzgeber selbst gibt den Aufwand zur Erfüllung der "Pflicht zur nichtfinanziellen Erklärung im Lagebericht einer Kapitalgesellschaft" mit 324 Stunden an (in Konzernen soll er sogar das Doppelte betragen). Das sind bei einer 35-Stunden-Woche (mit anteiligem Urlaub) zehn Wochen Mann- (oder Frau-)Tage. Schade, bei immer mehr Arbeitsverdichtung könnte man diese Personalressourcen sinnhafter einsetzen – etwa für Sozialdienste, psychische Unterstützungsleistungen, Kinderbetreuung. Aber, dann entfällt halt das. Oder glaubt der Gesetzgeber wirklich, dass die Unternehmen hier zusätzliche Personalressourcen schaffen?
Der Gesetzgeber kann sich freuen: Schuld ist nicht er, sondern die EU-Richtlinie 2013/34/EU i.d.F. 2014/95/EU. Deshalb auch kein "one in, one out", also kein Abbau von Bürokratie in dem Maße, in dem durch neue Vorschriften zusätzliche Belastungen entstehen. Schade. Denn der Gesetzgeber „muss“ sich bei der Umsetzung einer EU-Richtlinie zwar nicht an "one in, one out" halten. Aber können, ja können täte er schon!
Alexander R. Zumkeller, Präsident des
Bundesverbands der Arbeitsrechtler in Unternehmen (BvAU), blickt in seiner Kolumne aus der Unternehmenspraxis auf arbeitsrechtliche Themen und Trends.