Mitwirkung Schwerbehindertenvertretung erst ab Gleichstellung

Ist ein Mensch mit einem Grad der Behinderung von 30 einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt, wenn er dies beantragt hat, der Antrag aber noch nicht genehmigt wurde? Ab wann muss die Schwerbehindertenvertretung hinzugezogen werden? Darüber hat das BAG entschieden.

Die Schwerbehindertenvertretung hat bei der Versetzung von schwerbehinderten Mitarbeitern ein Beteiligungsrecht. Hat ein Arbeitnehmer die Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen beantragt, ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, die Schwerbehindertenvertretung zu unterrichten und anzuhören, solange über den Gleichstellungsantrag nicht entschieden ist. Dies hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden.

Die Arbeitgeberin, ein Jobcenter, beschäftigte eine Arbeitnehmerin, die als behinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 30 anerkannt war. Am 4. Februar 2015 stellte diese einen Antrag auf Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen bei der Bundesagentur für Arbeit und informierte den Leiter des Jobcenters hierüber.

Umsetzung ohne Anhörung der Schwerbehindertenvertretung

Das Jobcenter setzte die Arbeitnehmerin im November 2015 für die Dauer von sechs Monaten in ein anderes Team um, ohne zuvor die Schwerbehindertenvertretung unterrichtet und angehört zu haben. Mit Bescheid vom 21. April 2016 stellte die Bundesagentur für Arbeit die Arbeitnehmerin rückwirkend zum 4. Februar 2015 einem schwerbehinderten Menschen gleich. Die Schwerbehindertenvertretung hat geltend gemacht, das Jobcenter habe sie vorsorglich auch dann zu unterrichten und anzuhören, wenn behinderte Arbeitnehmer, die einen Gleichstellungsantrag gestellt und dies dem Jobcenter mitgeteilt haben, auf einen anderen Arbeitsplatz umgesetzt werden sollen.

Das Arbeitsgericht Berlin hatte dem Antrag in der ersten Instanz stattgegeben, das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hatte den Antrag abgewiesen. Das BAG hat nun die Rechtsbeschwerde der Schwerbehindertenvertretung zurückgewiesen und die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts bestätigt.

Beteiligungspflicht nur nach bereits erfolgter Gleichstellung

Nach § 178 Abs. 2 Satz 1 SGB IX hat der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren, unverzüglich und umfassend zu unterrichten und vor einer Entscheidung anzuhören. Diese Regelung gilt gemäß § 151 Abs. 1 SGB IX für schwerbehinderte und diesen gleichgestellte behinderte Menschen.

Die Beteiligungspflicht bei Umsetzungen besteht demnach nicht, wenn die Umsetzung einen behinderten Arbeitnehmer betrifft, der einen Antrag auf Gleichstellung gestellt hat, über den noch nicht entschieden ist. Die Gleichstellung erfolgt erst durch die konstitutiv wirkende Feststellung der Bundesagentur für Arbeit. Erst ab diesem Zeitpunkt besteht das Beteiligungsrecht der Schwerbehindertenvertretung bei der Umsetzung nach. Zwar wirkt die Gleichstellung nach § 151 Abs. 2 Satz 2 SGB IX auf den Tag der Antragstellung zurück, dies begründet jedoch nicht die Verpflichtung des Arbeitgebers, die Schwerbehindertenvertretung vor der Entscheidung über den Gleichstellungsantrag vorsorglich über eine Umsetzung zu unterrichten und zu dieser anzuhören. Diese Auffassung ist auch mit den Vorgaben des europäischen Rechts sowie der UN-Behindertenrechtskonvention vereinbar.


Hinweis: BAG, Beschluss vom 22.01.2020 - 7 ABR 18/18


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Schlagworte zum Thema:  Schwerbehinderte, BAG-Urteil, Beteiligung