Spartengewerkschaft: Das Tarifeinheitsgesetz ist nun in Kraft

Der Bundespräsident hat das Tarifeinheitsgesetz zu Wochenbeginn unterzeichnet. Nun, am Tag nach der Verkündung im Bundesgesetzblatt, sind die umstrittenen Vorschriften in Kraft getreten. Erste Gewerkschaften haben schon Verfassungsbeschwerde eingereicht - und einstweilige Anordnungen.

Das umstrittene Tarifeinheitsgesetz hat die letzte Hürde genommen und ist in Kraft getreten. Nachdem im Mai bereits der Bundestag zugestimmt, das Gesetz im Juni die Länderkammer passiert und zuletzt Bundespräsident Joachim Gauck das Regelwerk unterzeichnet hatte, sind die Vorschriften nun in Kraft. Damit ist auch klar, dass zumindest in der ersten Gesetzesversion die bis zuletzt noch geforderten Anpassungen nicht integriert sind. So pochte die Union beispielsweise auf eine Ankündigungsfrist für Streiks oder auch einen gesetzlich vorgeschriebenen Schlichtungsversuch, der einem Streik vorausgeht.

Tarifeinheit: Letztes Wort hat Bundesverfassungsgericht

Ob das Gesetz aber auch abseits dieser Forderungen von Dauer ist, bleibt vorerst offen. Denn unmittelbar nach Inkrafttreten des Tarifeinheitsgesetzes haben mehrere kleine Gewerkschaften Verfassungsbeschwerde eingereicht. Die Ärztegewerkschaft Marburger Bund und die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit sehen das Streikrecht eingeschränkt und wollen das Gesetz mit dem Gang nach Karlsruhe kippen, wie die Organisationen mitteilten.

Der Marburger Bund begründet seine Verfassungsbeschwerde damit, dass das Tarifeinheitsgesetz im Kern einen Verstoß gegen die Koalitionsfreiheit aus Artikel 9 Absatz 3 Grundgesetz darstelle. "Das Tarifeinheitsgesetz richtet sich faktisch gegen eine berufsspezifische gewerkschaftliche Interessenvertretung, wie sie der Marburger Bund verkörpert", sagte der Vorsitzende Rudolf Henke.

Einstweilige Anordnung beim BVerfG eingereicht

"Wir haben die vorbereitete Verfassungsbeschwerde - einschließlich Antrag auf eine einstweilige Anordnung - mit Inkrafttreten der Gesetzes, eingereicht", erklärte der Präsident der Pilotenvereinigung, Ilja Schulz. Auch der Marburger Bund stellte zugleich den Antrag, die Anwendung des Gesetzes bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde einstweilen auszusetzen. Vertreten wird die Pilotengewerkschaft vor Gericht durch den früheren Bundesinnenminister Gerhart Baum, der Marburger Bund durch den Göttinger Rechtsprofessor Frank Schorkopf.

Bereits vor mehreren Monaten hatte die Ärztegewerkschaft Kritik an den Vorschriften geäußert und immer wieder eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ins Spiel gebracht. Das Bundesarbeitsgericht hatte eine frühere Regelung zur Tarifeinheit im Juni 2010 gekippt. Mit dem Gesetz kehrt Deutschland nun zum Prinzip "ein Betrieb - ein Tarifvertrag" zurück.

Neue Tarifeinheit: Mehrheits- statt Spezialitätsprinzip

Allerdings basierte die Rechtsprechung des BAG auf dem Spezialitätsprinzip. Bei mehreren Tarifverträgen innerhalb eines Betriebs hatte also grundsätzlich der sachnähere den sachfremderen Tarifvertrag verdrängt. Dem Tarifeinheitsgesetz liegt nun jedoch das Mehrheitsprinzip zugrunde, um die Macht der Spartengewerkschaften einzudämmen. "Es setzt sich also der Tarifvertrag der Gewerkschaft durch, die im jeweiligen Betrieb über die meisten Mitglieder verfügt", erklärte Professor Martin Henssler von der Universität zu Köln bereits im Interview.

Weil in größerem Ausmaß die Lokführergewerkschaft GDL betroffen sein dürfte, hatten Kritiker auch von einer "Lex GDL" gesprochen. Der jüngste, nach monatelangen Streiks und einer Schlichtung zustande gekommene Abschluss von GDL und Bahn wird aber durch das Gesetz nicht mehr berührt werden. Die Vertragspartner wollten das Gesetz nicht zur Anwendung bringen. Die Bundestarifkommission der GDL hat den Tarifvertrag zudem bereits angenommen. Die Neuregelungen des Gesetzes greifen nicht für bereits gültige Tarifverträge.

Neben Marburger Bund und Cockpit haben im Vorfeld noch weitere Gewerkschaften angekündigt, eine Verfassungsbeschwerde beim BVerfG einzureichen. So hielt auch auch der Beamtenbund DBB das Gesetz für verfassungswidrig. Ebenso plante der Deutsche Journalisten-Verband (DJV), das Bundesverfassungsgericht anzurufen.

dpa

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