Spartengewerkschaften: Gesetz zur Tarifeinheit vorgestellt

Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles hat Inhalte des Gesetzes zur Tarifeinheit vorgestellt. Ein Anhörungs- und Nachzeichnungsrecht soll die Einschränkungen für Spartengewerkschaften abmildern. Ob wirksam oder nicht, darüber wird endgültig wohl das Bundesverfassungsgericht entscheiden.

"Verfassungsrechtlich ist das alles recht dünnes Eis": Professor Gregor Thüsing machte bereits vor Wochen im Interview mit der Haufe Online-Redaktion klar, wie schwierig es ist, eine gesetzliche Regelung zur Tarifeinheit festzuschreiben. Eine Rückkehr zur Tarifeinheit ginge nur über gesetzliche Regeln zum Arbeitskampf. "Hier liegt die entscheidende Herausforderung gelungener Gesetzgebung", sagte damals der renommierte Arbeitsrechtler, der an der Universität Bonn lehrt.

Ob das BMAS im Gesetzentwurf nun verfassungsrechtlich wirksame Regeln gefunden hat, mag bezweifelt werden. Mehrere Gewerkschaften zeigten sich jedenfalls empört und kündigten Widerstand an. Zumal der ehemalige Verfassungsrichter Udo di Fabio bereits im September in einem Rechtsgutachten – im Auftrag der (Sparten-)Gewerkschaft Marburger Bund erstellt – zu dem Ergebnis kam, dass eine gesetzlich auferlegte Tarifeinheit verfassungswidrig wäre. Die Arbeitgeber dagegen begrüßten den Vorschlag der Arbeitsministerin.

Mehrheitsprinzip bei Tarifkollision

Nach dem Gesetzentwurf sollen mehrere Gewerkschaften in einem Betrieb zur Zusammenarbeit gedrängt werden. Andernfalls gelte nach dem Vorschlag der Tarifvertrag der Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern eines Betriebs. Im Konfliktfall solle – im Zweifel mithilfe eines Notars – festgestellt werden, wer die meisten Mitglieder in einem Betrieb hat. Ohne Einigung müsste ein Richter entscheiden. Gewerkschaften hätten aber Möglichkeiten, eine Eskalation zu vermeiden. Es könnten ergänzende Tarifverträge für einzelne Gruppen gemacht werden. Es könne auch als Tarifgemeinschaft mit dem Arbeitgeber verhandelt werden.  

Im Kern also, das berichtete bereits vorab die FAZ, beabsichtige die geplante Neuregelung einen Konfliktlösungsmechanismus für Fälle einer Tarifkollisionen schaffen. Falls zwischen den konkurrierenden Gewerkschaften keine andere Einigung gelingt, wären "nur die Rechtsnormen des Tarifvertrags derjenigen Gewerkschaft anwendbar, die (...) im Betrieb die meisten Mitglieder hat", zitiert die Zeitung aus dem Gesetzentwurf.

Anhörung und Nachzeichnung als Ausgleich

Das Streikrecht selbst bleibe jedoch unangetastet, versicherte Nahles.  "Es geht nicht darum, mit diesem Gesetz Streiks zu verhindern, sondern darauf hinzuwirken, dass bei Streiks, die sich anbahnen, ein gütlicher Weg eingeschlagen werden kann", sagte die Ministerin. Kollisionen zwischen zwei Gewerkschaften sollten vermieden werden, ebenso wie eine weitere Zersplitterung der Tariflandschaft.

Vorgesehen ist, dass das Bundeskabinett den Gesetzentwurf am 3. Dezember verabschiedet und das Gesetz selbst spätestens im Sommer 2015 in Kraft tritt. Der Vorschlag sieht quasi als Ausgleich für kleinere Gewerkschaften ein Anhörungsrecht vor. Im Vorfeld einer Tarifrunde können sie so dem Arbeitgeber ihre Vorstellungen vorstellen und vortragen. Zudem besteht nachrangig die Möglichkeit der Nachzeichnung, also Inhalte des Tarifvertrags der größeren Gewerkschaft zu übernehmen.

Gesetz hilft nur bei Tarifkollision

Bei der Entscheidung, ob ein Streik rechtmäßig ist, werden Gerichte also künftig einbeziehen, ob "der strittige Tarifvertrag überhaupt angewendet werden könnte", erläuterte Nahles gegenüber der FAZ.  "Die Gerichte werden also auch schauen, ob dieser spezielle Streik vor diesem Hintergrund verhältnismäßig ist."

Die Arbeitsministerin räumte jedoch ein, dass das geplante Gesetz auf Tarifkonflikte wie derzeit bei der Lufthansa voraussichtlich keinen direkten Einfluss haben werde. Schließlich machen sich – im Gegensatz zu GDL und EVG bei der Deutschen Bahn – die Pilotenvereinigung Cockpit und die Gewerkschaft Verdi die jeweiligen Zuständigkeitsbereiche gerade nicht streitig.

Verfassungsbeschwerde bereits in der Schublade?

Widerstand gegen die gesetzliche Regelung ist jedoch bereits vorprogrammiert. Der Beamtenbund (DBB) und die Ärztegewerkschaft Marburger Bund (MB) setzen nun auf das Bundesverfassungsgericht. "Ich gehe davon aus, dass ein Arbeitsgericht beim ersten Konfliktfall das Bundesverfassungsgericht anrufen wird", sagte Klaus Dauderstädt, Vorsitzender von DBB Beamtenbund und Tarifunion, der dpa. Ein MB-Sprecher sagte: "Im Falle einer gesetzlichen Regelung werden wir zum frühestmöglichen Zeitpunkt gegen das Gesetz Verfassungsbeschwerde erheben." Akut bedroht wären die MB-Arzt-Tarifverträge. Nahles hingegen betonte, der Entwurf sei verfassungsgemäß.

Streikrecht faktisch eingeschränkt

Beide Organisationen warfen Nahles vor, eine Begrenzung des Streikrechts zu betreiben und dies verschleiern zu wollen. Dauderstädt sprach von politischer Feigheit, MB-Chef Rudolf Henke meinte, die Beschneidung des Streikrechts werde bewusst geleugnet, um den Rückhalt des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) für das Gesetz nicht zu gefährden.

Dagegen begrüßte Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer die Ankündigungen: "Das Risiko, jederzeit einem Arbeitskampf durch kleine Gewerkschaften ausgesetzt zu sein, würde langfristig die Tarifautonomie gefährden." Auch der Arbeitgeberverband Gesamtmetall sowie Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) begrüßten die Vorlage.

dpa

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