Während die Menschen tagein, tagaus im Homeoffice sitzen, mehrere Testkits ausprobieren, sich zahlreichen neuen Kochrezepten widmen, sich mittlerweile sogar zum gemeinsamen Kochen bei MS Teams verabreden, kommen die Corona-Paragraphen ganz groß raus. Sie werden ständig ins Rampenlicht gerückt und stehen dort völlig unbeholfen und ratlos herum. Keiner hat für sie Verständnis, sie werden hin und her geschubst. Auch untereinander gibt es keine Solidarität - von einer Lobby ganz zu schweigen.
Sozialgesetzbuch und Infektionsschutzgesetz im Clinch
Stellen Sie sich vor, erst kürzlich wurde der § 106 SGB III mit einer Aufgabe vertraut, die ihm gänzlich fremd ist: Er kennt sich hervorragend aus mit Begriffen wie Netto-Sollentgelt oder Netto-Istentgelt, in der KUG-Tabelle von der Agentur für Arbeit tanzt er leichtfüßig runter und wieder rauf bis gekappt wird, kennt sämtliche Regelungen der §§ 95 ff SGB III in und auswendig, befolgt diese, respektiert – nein, verehrt - diese und jetzt, von einem Tag auf den anderen, ohne Ankündigung, ohne, dass er hierzu befragt wurde, soll er für zwei seltsame, noch dazu infektiöse Paragraphen ebenfalls zuständig sein. Und dabei zählt er zu keiner Risikogruppe und soll folglich – so will es Frau Merkel – erst ab Juni geimpft werden können. Muss er sich das gefallen lassen?
§ 106 SGB III kann diese §§ 56 Abs. 1 und 1a IfSG (um die geht es) nicht leiden und seine Freunde, die Paragraphen 95 ff SGB III, oder sein bester Freund, der Paragraph 342 SGB III, mögen die neuen auch nicht. Im Gegenteil, sie drohen ihm: "Wir sind deine Freunde und nur um uns musst du dich kümmern. Wir möchten nicht, dass du dein Wissen mit diesen Paragraphen teilst." Schnell eilt der § 45 SGB V zu Hilfe, streichelt dem § 106 SGB III sanft über die Schulter und sagt mit piepsiger Stimme: "Du, 106, ich weiß was: Du musst dich gar nicht mit 56 zusammentun, ich bin ja da und ich bin gerade erst (wieder) befördert worden. Also mach dir keine Sorgen."
Das Entgeltfortzahlungsgesetz als allmächtige Instanz
"Oh Mann", antwortet der § 106 SGB III genervt dem § 45 SGB V. "Du verstehst ja wieder nix. Du hilfst mir ja nicht immer und beim § 56 Abs. 1 IfSG bist du gar nicht zuständig. Geh wieder zu deinen Kindern und lass mich in Frieden." Alleine sitzt er nun da und guckt betrübt in die Luft, als von Weitem eine Stimme zu hören ist, die sich immer deutlicher auf ihn zubewegt. "Wo ist der Nettoparagraph?" hört er eine tiefe Stimme seinen Freund, den § 342 SGB III fragen. Ein wenig ängstlich antwortet der § 342 SGB III der tiefen Stimme: "Der sitzt da hinten. Wer sind Sie und was wollen Sie von ihm?". Ein knappes "Das geht dich nichts an" ist die Antwort. Da wird es dem § 106 SGB III ganz anders, er erkennt die Stimme nicht, weiß nicht, wer das ist, hört aber die Schritte immer näherkommen. Und plötzlich steht ganz groß der bekannte, allgegenwärtige § 4 EFZG vor ihm und sagt mit grollender Stimme: "Ab heute arbeitest du für mich. Ich dulde keine Unpünktlichkeit und keine Unregelmäßigkeiten!". Der § 106 SGB III stottert: "Ja, aber ... Ich habe doch im Augenblick mit den §§ 95 SGB III so viel zu tun und keiner hilft mir. Jetzt soll ich auch noch für …". Donnernd fällt ihm der § 4 EFZG ins Wort: "Ich dulde keine Widerrede. Morgen, am 31. März, um 6 Uhr geht es los!". "Guuut", antwortet der § 106 SGB III mit zitternder Stimme.
Und als der § 106 SGB III langsam und mit gesenktem Kopf nach Hause geht, da hört er, wie die super wichtige Gruppe der Paragraphen 3 Nr. 2a, 25, 28 und 28a EStG grölend umherzieht und ihr typisches Liedchen schmettert: "Wer uns nicht kennt und Fehler macht, dem geht es an den Kragen. Denn einzig der § 41 EStG hat die Macht und den muss man dann halt fragen."
Also ziehen wir uns lautlos zurück, lassen die Paragraphen weiter streiten und freuen uns auf unsere Kollegen bei MS Teams. Wir tauschen Kochrezepte aus und diskutieren über das beste Corona-Testkit. In jedem Fall aber hören wir uns zu, sind respektvoll und höflich zueinander - auch wenn das Murmeltier bald wieder in seinen Winterschlaf gehen wird.
Christiane Droste-Klempp arbeitet im eigenen Unternehmen als Trainerin, Beraterin und Projektleiterin für sämtliche Themen des Lohnsteuer- und Sozialversicherungsrechts und berät seit vielen Jahren Unternehmen bei der Auswahl und Umsetzung strategischer Personalmodelle.