Scheinselbstständigkeit: Wie Sie gegen Prüfungsbescheide vorgehen
Dass ein Betriebsprüfer Fehler in der Berechnung von Abzügen für die Berechnung von Abzügen für die gesetzliche Sozialversicherung entdeckt, darauf dürften auch gut geschulte Entgeltabrechner gefasst sein. Unvorbereitet kann es sie jedoch treffen, wenn sie der Betriebsprüfer mit Rechnungen aus der Finanzbuchhaltung konfrontiert und ihnen damit vorwirft, nicht falsch, sondern „gar nicht“ gerechnet zu haben. Mit anderen Worten: Der Prüfer vertritt die Auffassung, ein Vertrag oder mehrere Verträge mit Selbstständigen seien als sozialversicherungsrechtliche Beschäftigungsverhältnisse zu bewerten.
Betriebsprüfungsbescheid: Statusfeststellung und Beitragsnachforderung
In einem solchen Fall läge sogenannte Scheinselbstständigkeit vor. Wenn die Ansicht des Prüfers tatsächlich in einen Betriebsprüfungsbescheid mündet, besteht dieser meist aus zwei Teilen:
- der Feststellung, dass die vom Unternehmen als selbstständige Tätigkeiten angesehenen Vertragsverhältnisse tatsächlich sozialversicherungsrechtliche Beschäftigungsverhältnisse sind und
- der Verpflichtung, für den nachgeprüften Zeitraum Beiträge zur Sozialversicherung nachzuentrichten.
Vorgehen gegen Statusbeurteilung: oft wenig aussichtsreich
Bleibt die Frage: Wie groß sind die Chancen, erfolgreich gegen einen Betriebsprüfungsbescheid vorzugehen? Es wäre fatal, sich alleine darauf zu fokussieren, was gegen den ersten Teil des Bescheids – also gegen die Statusbeurteilung – eingewendet werden kann. Denn häufig werden in diesem Bereich nur geringe Erfolgsaussichten bestehen.
Anders kann die Antwort jedoch mit Blick auf den zweiten Teil des Bescheids ausfallen. Die hier vorgebrachten Einwendungen können auch und gerade dann wirken, wenn der Statusbeurteilung wenig entgegenzusetzen ist.
Einwand des Vertrauensschutzes
Ist über den Status eines Vertragsverhältnisses schon einmal ein Verwaltungsakt ergangen und darin im Sinne einer selbstständigen Tätigkeit entschieden worden, hindert dies den Betriebsprüfer nicht an einer abweichenden Bewertung. Dies gilt dann aber nur für die Zukunft. Einer Aufhebung der früheren Entscheidung, auch für die Vergangenheit, steht im Regelfall die Vertrauensschutzregel des § 45 SGB X entgegen.
Bei der früheren Entscheidung kommt es nicht darauf an, ob diese eine ausdrückliche Statusentscheidung war.
Woraus kann sich Vertrauensschutz ergeben?
Vertrauensschutz kann sich insoweit auch aus früheren Beitragsbescheiden oder sonstigen Verwaltungsakten ergeben. Auch muss nicht die DRV als Prüfbehörde derartige frühere Entscheidungen getroffen haben. Vertrauensschutz kann sich insbesondere auch aus Entscheidungen der Einzugsstellen ergeben. Auch aus einem früheren Prüfungsbescheid kann sich Vertrauensschutz ableiten. Dafür bedarf es des Nachweises, dass sich ein Betriebsprüfer schon einmal mit demselben Vertragsverhältnis beschäftigt hat, ohne dies aber seinerzeit beanstandet zu haben.
Einwand gegen die lange Verjährung
Rückwirkende Beitragsbescheide erstrecken sich im Regelfall nur auf Zeiträume, die innerhalb der sozialrechtlichen Regelverjährung“ von vier Jahren liegen. Soweit nur über Beiträge aus diesem Zeitraum gestritten wird, spielt der Einwand, man habe bei seiner Entscheidung nach „bestem Wissen und Gewissen“ gehandelt keine Rolle. Die Beitragszahlungspflicht ist nämlich insoweit eine „Garantiehaftung“ und nur vom Vorliegen objektiver Tatbestandsvoraussetzungen abhängig.
Prüfungsbescheid: Vorsätzliche Beitragshinterziehung
Allerdings kommt es immer wieder vor, dass Beiträge auch über den Vierjahreszeitraum hinaus erhoben werden. Dies geschieht dann, wenn der Betriebsprüfer Anlass zur Annahme hat, dass Beiträge vorsätzlich hinterzogen worden sind. Ist dies der Fall, so kann auf Beitragsschulden bis zu 30 Jahren zurückgegriffen werden. Streitpunkt in der gerichtlichen Praxis ist häufig die Frage, ob die Schwelle des sogenannten bedingten Vorsatzes, der für den Vorwurf einer vorsätzlichen Beitragshinterziehung genügt, überschritten ist. An dieser Stelle kann dem Vortrag in einem Sozialgerichtsverfahren, unter welchen Bedingungen, von welchen Personen und mit welchem Informationsstand die Einstufung erfolgt ist, im Gegensatz zur Beurteilung beim Vierjahreszeitraum entscheidende Bedeutung zukommen.
Einwand gegen Säumniszuschläge
Nicht nur die Forderung von Beitragsrückständen, auch die Festsetzung von Säumniszuschlägen wird regelmäßig in Betriebsprüfungsbescheiden verfügt. Dabei wird meist lediglich auf § 24 Abs. 1 SGB IV verwiesen. Danach ist „für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von eins vom Hundert des rückständigen, auf 50 Euro nach unten abgerundeten Betrags zu zahlen“. Hierbei sollten Unternehmen
§ 24 Abs. 2 SGB IV bedenken: Säumniszuschläge dürfen nicht gemeinsam mit einer rückwirkenden Beitragserhebung gefordert werden, „soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte.“
Auch hier gilt daher: Der Vortrag in einem Sozialgerichtsverfahren, unter welchen Bedingungen, von welchen Personen und mit welchem Informationsstand eine Falschbeurteilung erfolgt ist, kann zwar den Vorwurf einer Scheinselbstständigkeit und damit die Statusfeststellung nicht beeinflussen. Das subjektive Nichtverschulden kann jedoch dazu führen, dass sich die Beitragsschuld um die – teils erheblichen – Säumniszuschläge mindert.
Hinweis: Der gesamte Artikel ist im Personalmagazin Heft 10/2017 erschienen. Lesen Sie dort mehr zum Thema "Vorgehen gegen Prüfungsbescheide bei Scheinselbstständigkeit", auch hinsichtlich des Vorgehens gegen die Statusfeststellung. Hier können Sie den Artikel in der Personalmagazin-App lesen.
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