Was Unternehmertum in der Krise bedeutet

Ist die Kurzarbeit ein nachhaltiger Rettungsanker oder haben sich die Arbeitgeber allmählich an die "Droge" Kurzarbeit gewöhnt? Dieser Frage geht Christiane Droste-Klempp dieses Mal in Ihrer Kolumne nach.

Seit vielen Monaten ist es kein Geheimnis mehr: Deutschland fällt als Wirtschaftsstandort immer weiter zurück. Zunehmend, so liest man, machen Investoren einen großen Bogen um Deutschland. Gründe sind Bürokratie, hohe Energiekosten und mangelhafte Digitalisierung. So sagte kürzlich auch der KPMG-Bereichsvorstand Andreas Glunz: "Wir haben zu lange von der Substanz gelebt und wichtige Reformen vernachlässigt."

Zugleich ist China zu einer unverzichtbaren Wirtschaftsmacht aufgestiegen und hat einen zunehmenden Einfluss auf internationale Lieferketten sowie internationale Beteiligungen. Kurzum, wir sind teuer – andere schaffen es billiger.

Kurzarbeit als Instrument gegen den Abschwung

Am vergangenen Samstag habe ich mit einer sehr guten Freundin das Champions League Finale angesehen und plötzlich sagte sie zu mir: "Übrigens, ich bin zum ersten Mal in meinem gesamten Arbeitsleben (sie ist 52 Jahre alt) in Kurzarbeit – als Controllerin?! Und ganz ehrlich, ich weiß überhaupt nicht, wann ich meine gesamte Arbeit machen soll – ich habe mehr denn je zu tun!"

Hm, dachte ich, ist es nicht eigentlich so, dass die Kurzarbeit "kurzfristig angeschlagenen" Unternehmen ermöglichen soll, die Arbeitszeit der Mitarbeitenden zu reduzieren und staatliche Unterstützung zu erhalten, um die Gehälter der Arbeitnehmer teilweise auszugleichen? Damit werden Massenentlassungen verhindert und wertvolles Know-how bleibt im Unternehmen.

Wird der Zweck von Kurzarbeit verfehlt?

Jeder von uns hat die Bedeutung der Kurzarbeit während der Covid-19-Pandemie besonders deutlich kennengelernt, denn viele Branchen, von der Automobilindustrie über den Einzelhandel bis hin zum Gastgewerbe, waren gezwungen, ihre Tätigkeiten drastisch einzuschränken oder ganz einzustellen. Zweifelsfrei war die Kurzarbeit in dieser Zeit ein wahrhaft brillantes Instrument, um die wirtschaftlichen Auswirkungen abzufedern. Millionen von Arbeitsplätzen konnten so gesichert und der Weg für eine schnellere Erholung nach der Krise geebnet werden.

Aber handelt es sich aktuell tatsächlich um eine kurzfristige Krise oder stehen wir nicht andersartigen bzw. völlig neuen Herausforderungen gegenüber? Zeigt sich nicht exakt jetzt, was Unternehmertum wirklich bedeutet - was es also bedeutet, zu unternehmen? Sollte nicht jeder sein Unternehmen auf den Prüfstand stellen, um es kritisch, mit den sich – zweifelsfrei rasant - entwickelnden internationalen Veränderung abzugleichen?

Raus aus der Komfortzone und hin zur Selbstkritik

Sich selbst zu hinterfragen - das ist nicht einfach. Im Gegenteil: Es ist wahrscheinlich die größte Herausforderung, der sich deutsche Unternehmen je gegenübergestellt sahen! Es ist auch nicht zu vergleichen mit der Wirtschaftsentwicklung der Nachkriegszeit, die Stimmung im Land und die Situation war eine ganz andere.

Entsprechend groß ist das Verständnis für die Komplexität der Lage. Aber die Untätigkeit und die ungeduldige und kritische Erwartungshaltung von hochdotierten Managern an die Politik, die ist erstaunlich. Beweist Sie doch eines : Das tatsächliche Unternehmertum wurde verlernt.

Zu lange hat man gebadet in der fortwährend sprudelnden Komfortzone, ohne sich um das Morgen zu kümmern, ohne selbst mit Verantwortung gegenüber nachfolgenden Generationen bereit zu sein, Risiken zu wagen, an Kreuzungen anders abzubiegen, sich eigeninitiativ der Nachhaltigkeit zu widmen, sich der Verantwortung als Unternehmer zu stellen, mit der Gefahr, selbst weniger zu verdienen, Verzicht zu üben und mit mitreißender Überzeugungskraft die eigenen Mitarbeiter auf diesem Weg mitzunehmen.

Es scheint, dass die Komfortzone so lange nicht verlassen werden will, bis diese sich komplett aufgelöst hat und bis dahin werden alle möglichen Ausreden, Instrumente – so auch die Kurzarbeit – genutzt, um der Wahrheit nicht ins Auge sehen zu müssen.

Den Herausforderungen mit Mut entgegentreten

Ist es nicht besser, jetzt anzuhalten, genau hinzuschauen und den eigenen klugen Kopf zu nutzen, diese kreativen – ein wenig eingerosteten – mutigen, klugen Denkprozesse anzustoßen und neue Wege einzuschlagen? Und dies am besten in ganz eigener und bewusster Verantwortung, sich selbst, den Mitarbeitenden, den nachfolgenden Generationen, der Erde gegenüber und mit voller Kraft als Unterstützung einer erfolgreichen deutschen Volkswirtschaft.

Hören wir also auf zu jammern, sondern hören auf unsere eigenen Unternehmerstimmen. Statt der Droge Kurzarbeit zu verfallen, gehen wir die Wege, die jetzt für unsere Unternehmen richtig sind.


Christiane Droste-Klempp arbeitet  im eigenen Unternehmen als Trainerin, Beraterin und Projektleiterin für sämtliche Themen des Lohnsteuer- und Sozialversicherungsrechts und berät seit vielen Jahren Unternehmen bei der Auswahl und Umsetzung strategischer Personalmodelle.