„Tsjakkaa! Du kannst alles erreichen, wenn Du es nur willst.“ Mit diesem kurzen Statement ist der Kern der Erfolgsideologie komplett beschrieben. Die frohe Botschaft besagt, dass der Erfolg eines jeden Menschen allein von der Kraft seines Willens abhängt. Nicht etwa Intelligenz, Bildung, Wissen, Persönlichkeit, soziale Kompetenzen, Beziehungen oder schlicht die Tatsache, dass man zur rechten Zeit am rechten Ort war, erklärt den Erfolg eines Menschen, sondern allein die richtige Motivation.
Geh deinen Weg und glaub an dich!
Wer sich schon einmal gefragt hat, warum Ferdinand Porsche zu den prägenden Persönlichkeiten der Automobilgeschichte gehört, Steve Jobs zu einer Ikone des Computerzeitalters aufsteigen konnte und Angela Merkel heute weltweit zu den einflussreichsten Menschen unserer Zeit zählt, der findet hier die einfältigste aller denkbaren Antworten: Sie haben ganz unbeirrt an sich geglaubt.
Andere Voraussetzungen, gleiches Ergebnis?
So schön der Gedanke auch sein mag, dass jeder von uns alles erreichen kann, so bedarf es doch keiner großen Anstrengung, um diese Sichtweise als Illusion zu entlarven. Wo wäre Ferdinand Porsche wohl gelandet, wenn er einen IQ von 80 Punkten gehabt hätte? Er wäre bereits an den ersten Schritten zur Entwicklung eines neuen Motors gescheitert. Hätte Steve Jobs sein Imperium aufbauen können, wenn er ein schüchterner Philanthrop gewesen wäre? Nein, es hätte nicht einmal zum Filialleiter einer Computerkette gereicht. Und würde irgendjemand von uns Angela Merkel kennen, wenn die Mauer nicht gefallen wäre? Wohl kaum, sie würde heute vielleicht im Kombinat Schwarze Lunge in Bitterfeld ein Kollektiv leiten und ihrem wohlverdienten Ruhestand entgegen sehen.
Ist Motivation ein wesentlicher Erfolgsfaktor?
Doch wir sind nicht nur auf Plausibilitätsbetrachtungen angewiesen. Werfen wir einen Blick auf verschiedene Metastudien, so relativiert sich die Bedeutung der Motivation für den beruflichen Erfolg sehr schnell. Die Bedeutung der Intelligenz liegt im Durchschnitt über verschiedene Berufe hinweg bei etwa 26 Prozent, das Fachwissen bei 23 Prozent und die Motivation bei gerade einmal 6-12 Prozent. Studien, die sich mit Karriereverläufen beschäftigen, heben zudem die Bedeutung von Netzwerken hervor. Karriere macht man unter anderem auch deshalb, weil man die richtigen Leute kennt und protegiert wird. Aber lassen wir uns von Verstand und Forschung den Spaß nicht verderben. Schauen wir lieber einmal, welche geheimen Psychotricks Erfolgsgurus ihren Jüngern mit auf den Weg geben, damit diese alle Motivationsressourcen aktivieren.
Die Psychotricks der Erfolgsgurus
- Sprüche und Geschichten: Für die richtige Grundeinstellung sorgen Sinnsprüche und Geschichten, die den Jüngern den richtigen Weg weisen. Das schönste Beispiel stammt von Oscar Schellbach, dem Gründervater des „Großdeutschen Erfolgsrings“; einer Bewegung, die bereits Anfang des letzten Jahrhunderts tausende von Anhängern fand: „Richtigmachen = Erfolg! Falschmachen = Misserfolg!“ – Wir sollten an dieser Stelle einen Moment innehalten und uns in tiefer Demut vor der Weisheit des großen Meisters verneigen. Aber keine Sorge, das intellektuelle Niveau ist in der Zwischenzeit beträchtlich gestiegen. Heute erzählt man lieber die erbauliche Geschichte von der Maus, die in einen Topf mit flüssiger Sahne fiel und so lange zielsicher strampelte, bis sie die Milch in Sahne umgewandelt hat. Von Mäusen lernen heißt, siegen lernen!
- Auto- und Fremdsuggestion: Die einfachste Übung besteht darin, sich gebetsmühlenartig immer wieder der eigenen Großartigkeit zu vergewissern. Dazu könnte man zum Beispiel hundertmal hintereinander „Ich bin stark!“ oder „Ich bin erfolgreich!“ aufsagen. Wer ein paar Euro übrig hat, kauft sich die CD eines Gurus und lässt den Meister die Arbeit erledigen: „Du bist stark!“, „Du bist erfolgreich!“. Ziel des Ganzen ist es, das eigene Gehirn zu überlisten und auf Erfolg zu programmieren. Wenn unser armes Gehirn immer wieder mit derselben Suggestion gemartert wird, gibt es sich irgendwann vielleicht geschlagen und sorgt auf wundersame Weise dafür, dass wir tatsächlich stark und erfolgreich werden. Allerdings müsste hierzu das Gehirn dümmer sein als sein Träger.
- Ziele setzen: Die Strategie, sich Ziele zu setzen, ist durchaus sinnvoll. In der Forschung erweist sich die Zielsetzung als eine effektive Strategie zur Steigerung der Leistung. Erfolgsgurus wären aber keine Gurus, wenn es ihnen nicht gelänge, selbst eine sinnvolle Strategie ad absurdum zu führen. Ziele sind hilfreich, wenn sie moderat über dem derzeitigen Leistungsniveau liegen und eine erreichbare Herausforderung darstellen. Ziele, die kaum oder gar nicht zu erreichen sind, verfehlen hingegen ihre Wirkung. Dem Guru kann das Ziel natürlich gar nicht abgedreht genug sein.
- Ziele imaginieren: Wer in wenigen Jahren im Vorstand eines DAX-Unternehmens sitzen möchte, der sollte das Ziel nicht nur intellektuell angehen, sondern auch visuell. Nichts leichter als das. Wir suchen im Netz ein Foto vom derzeitigen Vorstand eines Unternehmens, retuschieren eine Person heraus und setzen unser Bild an ihre Stelle. Das neue Foto platzieren wir nun möglichst überall – am Badezimmerspiegel, im Kühlschrank, auf dem Armaturenbrett, im Schlafzimmer an der Decke über dem Bett, auf der Stirn der Kinder und so weiter –, sodass wir das große Ziel den ganzen Tag über immer im Blick haben. Und siehe da, unser armes Gehirn kann jetzt gar nicht mehr anders, als uns geradewegs genau dorthin zu führen. So einfach kann das Leben werden, wenn man ganz doll daran glaubt.
- Erfolgreiche Menschen nachäffen: Hiermit ist nicht etwa gemeint, dass man etwas aus dem Leben erfolgreicher Menschen lernen oder sich deren Wissen aneignen soll. Es geht schlicht um die Körpersprache. Wer sich so bewegt wie ein erfolgreicher Mensch, wird schon bald wie auf geheimnisvolle Weise ebenso erfolgreich sein. Nur Mut, versuchen Sie es fürs Erste einmal mit der Merkel-Raute.
Einfache Strategien für einfache Gemüter
Wer auf den Geschmack gekommen ist, darf sich ruhig ermuntert fühlen, selbst neue Erfolgsstrategien zu erfinden. Warum sollten wir zum Beispiel nicht Schuhe tragen, die eine Nummer zu groß sind, damit wir in herausfordernde Aufgaben hineinwachsen? Keine Sorge, niemand wird Sie jemals nach Belegen für den Nutzen Ihrer Erfolgsstrategien fragen. Die Leute werden Ihnen schon deshalb glauben, weil Ihre Strategien so verführerisch trivial sind.
Prof. Dr. phil. habil. Uwe P. Kanning ist seit 2009 Professor für Wirtschaftspsychologie an der Hochschule Osnabrück. Seine Schwerpunkte in Forschung und Praxis: Personaldiagnostik, Evaluation, Soziale Kompetenzen und Personalentwicklung.