Fachkräftemangel durch Managementfehler

Der Fachkräftemangel ist häufig hausgemacht – das zeigt der neue DGB-Index gute Arbeit. Danach sind die Arbeitsbedingungen in einigen Branchen so unattraktiv, dass qualifiziertes Personal die Arbeitszeit verkürzt oder den Beruf vollständig aufgibt. 

Nicht alleine der demografische Wandel oder mangelnde Qualifizierung sind Gründe für die Fachkräftelücke in Deutschland. Wie der DGB-Index Gute Arbeit, eine repräsentative Befragung des Deutschen Gewerkschaftsbunds, zeigt, schrecken auch die schlechten Arbeitsbedingungen in vielen Berufen geeignete Bewerbende ab oder sorgen für hohe Fluktuation, eine Verkürzung der Arbeitszeit des qualifizierten Personals oder auch für eine vollständige Berufsaufgabe.

Dabei, so die Ergebnisse der Umfrage, bei der knapp 7000 Arbeitnehmende in Deutschland zu verschiedenen Aspekten ihrer Arbeitssituation befragt wurden, entwickeln sich insbesondere in den sogenannten Engpassberufen, in denen besonders häufig von Personalmangel berichtet wird, die Arbeitsbedingungen immer schlechter, will der Arbeitsdruck bei den verbleibenden Mitarbeitenden entsprechend steigt.

Schlechte Personalplanung und Kostensenkungsstrategien  

Insbesondere Lehrkräfte, Pflegekräfte, Fahrzeugführer und -führerinnen und Erziehende arbeiten laut DGB-Index mehrheitlich unter solchen Mangelbedingungen. Personalmangel, so die Studienautoren, trete jedoch nicht nur in Engpassberufen auf, sondern – in etwas geringerem Umfang – auch in anderen Berufen wie im Bereich der Unternehmensorganisation, in kaufmännischen Berufen oder in Büro- und Sekretariatstätigkeiten. In diesen Berufsgruppen, in denen es keine generellen Schwierigkeiten gäbe,  offene Stellen zu besetzen, identifiziert die Studie als Ursachen des Personalmangels eine schlechte Personalplanung oder Unternehmensstrategien, die die Verknappung von Personal einsetzen, um Kosten zu senken.

Managementfehler bei Personalengpässen  

Fehlendem Personal könnte, so die Studienautoren,  auf betrieblicher Ebene durch eine Reduzierung der zu bewältigenden Arbeitsmenge begegnet werden, um das Risiko einer Überlastung der verbliebenen Beschäftigten zu verringern. Die Antworten der Betroffenen auf die Frage nach den Folgen des Personalmangels für ihre Arbeit weisen jedoch in die entgegengesetzte Richtung: Der Druck auf die verbliebenen Beschäftigten wird erhöht. Drei Viertel (76 Prozent) der Befragten, die über großen Personalmangel in ihrem Arbeitsbereich berichten, geben an, deswegen zusätzliche Aufgaben zu übernehmen. 60 Prozent berichten über erhöhtes Arbeitstempo zum Ausgleich der Folgen des Personalmangels - mit negativen Folgen für die Gesundheit.

Als weitere Konsequenz des Engpasses sinkt der Einfluss der Beschäftigten auf die eigene Arbeitsgestaltung. Jeweils 57 Prozent der Studienteilnehmenden geben an, dass sie aufgrund des Personalmangels Überstunden machen beziehungsweise ihre Arbeitszeiten an die betrieblichen Erfordernisse anpassen müssen. Für 30 Prozent führt der Personalmangel laut der Erhebung dazu, dass sie Aufgaben übernehmen müssen, für die sie nicht qualifiziert sind.

Die fatale Konsequenz ist das In-Gang-Setzen einer ständigen Abwärtsspirale: Wegen der Überlastung verlassen weitere Beschäftigte den Arbeitsbereich, was wiederum zu neuen Belastungssituationen bringt.

Wenn Fachkräftemangel zum Dauerzustand wird

Ein Mangel an Personal im eigenen Arbeitsbereich ist für viele Beschäftigte nicht eine kurzzeitige Ausnahme, sondern ein dauerhafter Zustand. Bei zwei von drei Beschäftigten (64 Prozent), die in (sehr) hohem Maß von Personalmangel betroffen sind, besteht dieser Zustand seit mehr als einem Jahr. Auch bei der Dauer des Personalmangels stehen Engpassberufe an der Spitze. Von den Befragten mit Personalmangel arbeiten in Bauberufen 83 Prozent seit mehr als 18 Monaten unter diesen Bedingungen. In der Krankenpflege sind es 78 Prozent, bei Lehrkräften 71 Prozent und bei Erziehenden 66 Prozent.

Je länger der Personalmangel andauert, desto häufiger wird davon berichtet, dass Kollegen den Arbeitsbereich verlassen. Bei einem Personalmangel von mehr als eineinhalb Jahren hat fast die Hälfte (46 Prozent) der Befragten solche Absetzbewegungen erlebt. Von den Beschäftigten, die in (sehr) hohem Maß von Personalmangel betroffen sind, berichten 72 Prozent, dass aufgrund dieser Situation weitere Kolleginnen und Kollegen den Arbeitsbereich verlassen hätten.

An Unternehmen und Politik richten die Studienautoren des  DGB einen eindeutigen Appell, besonders in Engpassberufen die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Die Gewinnung und die Bindung qualifizierter Arbeitskräfte hänge eng mit der Qualität der Arbeit zusammen. Je schlechter die Arbeitsbedingungen sind, desto schwieriger sei die Stellenbesetzung. "Wer Fachkräftepotenziale erschließen will, muss die Arbeitsbedingungen an die Bedürfnisse der arbeitenden Menschen anpassen", fasst Yasmin Fahimi, Vorsitzende des DGB, die Erkenntnisse aus den Studienergebnissen zusammen.


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