Die Rolle der bAV in der Benefit-Strategie
In der Wirtschaft läuft es alles andere als rund. Der Kostendruck bleibt unverändert hoch. Betriebliche Anpassungsstrategien stehen auf der Agenda. In diesem Zusammenhang werden in vielen Unternehmen auch deren Benefit-Angebote stark diskutiert. Als Zeichen der Wertschätzung und als Instrument zur Mitarbeitendenbindung stehen solche Angebote nicht zur Disposition, trotzdem müssen Kosten, Aufwand und Wirksamkeit überprüft werden, denn aktuelle Studien legen Defizite offen. Schlägt das am Ende sogar auf die betriebliche Altersversorgung (bAV) durch?
Die betriebliche Altersversorgung als Mitarbeiterbenefit
"Wir sehen nach wie vor eine große Bereitschaft zur Fort- bzw. Einführung einer bAV, solange sich das Risiko des Arbeitgebers im Wesentlichen auf die Übernahme der Beiträge beschränkt", sagt Axel Paul, Partner und Aktuar DAV/IVS, Aon Wealth Solutions Germany. Kosten der Arbeit seien als Gesamtpaket kalkulierbar und solange die Beschäftigten an Bord sind, auch akzeptabel. Aber Paul sieht große Hürden: unkalkulierbare Nachschüsse, nicht gedeckte Zahlungsströme für Inaktive oder Bilanzrisiken. "Sie führen dazu, dass viele Unternehmen versicherte oder wertpapiergebundene Zusagen präferieren", betont der Aktuar. Diesen Trend bestätigt auch eine WTW-Studie aus dem Frühjahr 2023. Auf die Frage, welche Anpassungsoptionen bei der bAV auf den Prüfstand kommen, wurde am meisten die Einführung eines neuen kapitalmarktorientierten Versicherungsproduktes genannt. Halb so viele Nennungen erhielt die Überlegung, die bAV mit einer zusätzlichen arbeitgeberfinanzierten Komponente zu erweitern.
Passend dazu kommt offenbar auch ins Thema Garantien Bewegung: Laut den Studienergebnissen halten zwar knapp 41 Prozent der befragten Unternehmen an einem vollständigen Beitragserhalt fest. Fast 46 Prozent akzeptieren aber bereits ein Garantieniveau zwischen 80 und 100 Prozent. Aussagen von Personalverantwortlichen spiegeln diesen Trend vonseiten der Belegschaften wider. Das jahrelange Niedrigzinsniveau und veränderte Produktwelten hätten dazu geführt, dass inzwischen mehr als jeder vierte Mitarbeitende kapitalmarktnahe Produkte wegen der höheren Renditechancen schätzt.
Benefits-Strategien offenbaren geringe Effektivität
Wie sind die Auswirkungen bei der Gestaltung von betrieblichen Benefits-Strategien? Knapp jedes zweite Unternehmen erwartet, dass die erhöhte Inflation die Budgets wesentlich beeinflussen wird. 42 Prozent rechnen mit entsprechenden Auswirkungen aufgrund der geschwächten Konjunktur, so die Ergebnisse der Benefits-Trends-Studie von WTW vom Sommer dieses Jahres. "In vielen Unternehmen werden Gespräche intensiv mit der Zielvorgabe geführt, dass die Budgets nicht erhöht werden solle", sagt Dr. Johannes Heiniz, Leiter General Consulting bei WTW und weist darauf hin, dass die meisten Unternehmen bereits über einen großen Strauß an Benefits verfügen. Daher gehe es vielmehr darum, dass die Gelder richtig allokiert werden. Laut Studie sind immerhin 58 Prozent der befragten Unternehmen der Meinung, dass ihre aktuelle Benefits-Strategie nur eine geringe Effektivität aufweist.
Um das zu ändern, müssen nach Erfahrungen der WTW-Experten zwei zentrale Fragen beantwortet werden: Sind die Benefits relevant für meine Mitarbeitenden und werden sie von ihnen wahrgenommen? "Die Relevanz scheitert in der Praxis oftmals schon daran, dass mehrere Generationen im Betrieb arbeiten, die unterschiedliche Benefits schätzen", sagt Nicoletta Blaschke, Leiterin Health & Benefits bei WTW und betont: "Deshalb gilt es für Arbeitgeber, hier flexibler zu werden." Das Benefits-Design lasse sich anhand von drei Kategorien strukturieren und bewerten: Erstens gebe es die "Leuchtturm"-Benefits, mit denen das Unternehmen in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden will; zweitens die Kern-Benefits, also jene, die in der Branche gängige Praxis sind, wie beispielsweise die Gruppen-Unfallversicherung, und drittens: Benefits zur eigenen Positionierung. Dabei differenziert Blaschke zwischen jenen, mit denen Mitarbeitende finanzielle Lücken schließen können und solchen, die das Arbeitgeber-Branding stärken sollen.
Klar ist: Nicht die Zahl der Benefits ist entscheidend, sondern wie sie bei den Beschäftigten ankommen und genutzt werden. Wenig verwunderlich, und die Praxisbeispiele (siehe Sonderpublikation "Personalmagazin plus: Betriebliche Altersversorgung", Seite 12 ff.) bestätigen das, schauen Unternehmen bei der Auswahl und Einführung neuer Benefits, was die Mitbewerber gemacht haben. Und sie setzen auf ihre eigenen Erfahrungen bei Einstellungsgesprächen. Heiniz: "Die Mitarbeitenden haben mittlerweile generationenübergreifend eine sehr klare Vorstellung davon, in welchen Bereichen sie unterstützt werden wollen und sagen das auch." "Dank digitaler Vergleichsportale wie Kununu sind die Bewerber viel besser informiert und vorbereitet als noch vor ein paar Jahren", ergänzt Blaschke und fügt hinzu: "Die Interessenten warten längst nicht mehr gespannt darauf, was ihnen der Arbeitgeber anbietet, sondern gehen mit klaren Erwartungen in das Gespräch – und die sind mit der Zeit gewachsen".
Differenzen zwischen Arbeitgeber und Beschäftigten
In der betrieblichen Praxis setzen Arbeitgeber und Arbeitnehmer allerdings häufig verschiedene Schwerpunkte. Während Arbeitgeber die Themen Karriere, Ausbildung und flexible Arbeitszeitregelungen gegenüber ihren Belegschaften überbetonen, bleibt der Informationsbedarf über die Bereiche Altersversorgung und langfristige Finanzen teils unerfüllt. Mehr Unterstützung wünschen sich Beschäftigte auch beim Umgang mit den betrieblichen Benefits. Schon hier kann sich der Einsatz von Mitarbeiter-Portalen als "digitale Brücken" auszahlen, beispielsweise im Hinblick auf die Kommunikation oder Visualisierung und Aktualisierung von Inhalten.
Auch hinsichtlich der Messung und Auswertung bestehender Benefits-Angebote zeigen sich die Vorteile digitaler Lösungen. Idealerweise wird das Portal auch als App-Lösung bereitgestellt. "Denn die Nutzung des Smartphones ist der gemeinsame Nenner zwischen Blue-Collar- und White-Collar-Mitarbeitenden", verweist die Benefits-Kennerin insbesondere auf Industrieunternehmen und Handwerksbetriebe, wo sich der Arbeitsalltag nicht allein vor dem PC-Bildschirm abspielt. "Die ersten Großunternehmen gehen einen Schritt weiter und nutzen ihre Portal-App, um Informationen zielgruppengerecht zu steuern", sagt Heiniz und nennt als Beispiel einen Hinterbliebenenschutz, der nur bei jüngeren Mitarbeitenden eingeblendet wird, weil dort ein viel größerer Absicherungsbedarf besteht als bei älteren Kollegen.
Laut Heiniz werden künftig immer mehr Geldthemen, die im Privatleben eine Rolle spielen, von Arbeitgebern aufgenommen, angefangen bei der Absicherung vielfältiger persönlicher Risiken bis hin zur Hausfinanzierung. "Mitarbeitende erzielen dank der größeren Marktmacht ihres Arbeitgebers bessere Konditionen, während dieser sich durch seine Unterstützung bei den jeweiligen Finanzthemen bei seinen Mitarbeitenden als Partner verankert", betont der Experte. "Die besten Benefits nützen jedoch nichts, wenn sie die Mitarbeitenden nicht erreichen", sagt Kollegin Blaschke und empfiehlt daher: "95 Prozent des Benefits-Budgets sollten direkt in die Leistungen fließen, aber fünf Prozent in die Kommunikation."
bAV und Benefits: Kommunikation ist alles
Frei nach dem Motto: Kommunikation ist alles, aber ohne Kommunikation ist alles nichts. Nur worauf kommt es dabei in Unternehmen besonders an? Ganz wichtig ist nach Einschätzung der beiden Vorsorge-Profis, dass das Management selbst die betreffenden Themen kommuniziert und dies nicht in den Händen des Produktanbieters belässt. Nur dann können die Botschaften glaubhaft bei den Mitarbeitenden ankommen. Zudem müsse regelmäßig, also nicht nur jedes Halbjahr, kommuniziert werden, denn die Inhalte erreichen die Mitarbeitenden in verschiedenen Lebenslagen und stoßen damit auf eine unterschiedliche Relevanz. "Durch eine regelmäßige Kommunikation ist über die Zeit die Trefferquote höher", bringt es die Leiterin Health & Benefits auf den Punkt.
"Digitale Kommunikation bedeutet aber nicht, einfach E-Mails zu versenden", nennt Heiniz ein weit verbreitetes Missverständnis. Auf diesem Weg würden zu viele Informationen verpuffen, weil sie von den adressierten Empfängern nicht gelesen werden. Stattdessen empfiehlt er kurze wiederholte Infos, möglichst visualisiert in Form von Videoclips, beispielsweise im Comic-Format, die Mitarbeitende am besten per App erreichen sollten. Allerdings zeigen die Studienergebnisse, dass das Intranet zwar für Unternehmen die wichtigste Informationsplattform darstellt, es aber im Zusammenhang mit Apps noch große Berührungsängste gibt. Blaschke nennt eine digitale Alternative, die gerade in der Industrie und im Handwerk funktionieren kann, wie ein jüngster Einsatz zeigte: die Verwendung von QR-Codes. Zunächst informierte die Geschäftsleitung die Belegschaft darüber, dass zum Beispiel im Fahrstuhl oder in der Kantine künftig QR-Codes platziert werden. Viele Mitarbeitende scannten dann an diesen Orten die QR-Codes, da sie dort etwas Zeit hatten. Danach konnten sie die Inhalte jederzeit mobil lesen, was sie verstärkt taten.
Opting-Out könnte die Verbreitung der bAV fördern
Kommunikationsmängel sind offenbar auch ein Grund, warum Entgeltumwandlungen den Studienergebnissen zufolge nur unzureichend in den Unternehmen angenommen werden. So wird dieser klassische Weg zur Betriebsrente nur bei knapp jedem vierten Unternehmen von mehr als jedem zweiten Beschäftigten genutzt. Selbst eine Teilnahmequote zwischen zehn und 25 Prozent erreicht nur jeder dritte Betrieb. Lediglich bei größeren Unternehmen mit 1.500 bis 5.000 Mitarbeitenden sei die Akzeptanz spürbar höher.
Gundula Dietrich, Partner und Head of Wealth Solutions Germany bei Aon verweist noch auf die Chemiebranche, wo das Thema Eigenbeteiligung eine große Tradition habe, und die Metall- und Elektrobranche. "Teilnahmequoten hängen maßgeblich von einer bedürfnisorientierten und passgenauen Benefits-Kommunikation ab", betont Dietrich. So würden Pläne, die seitens HR sowie eines etwaigen Betriebsrats aktiv beworben werden, höhere Beteiligungsquoten erzielen, selbst wenn sie vergleichsweise niedrige Arbeitgeberzuschüsse beinhalteten. Gleichwohl bleibt die Höhe des Arbeitgeber-Zuschusses ein "Riesen-Hebel", wie Heiniz betont.
Sehr erfolgversprechend wäre die Einführung eines Opting-Out- oder Stay-in-Modells, betonen die Experten übereinstimmend. "Die Mitarbeitenden finden das größtenteils sehr gut und würden es befürworten, weil es einfacher ist", sagt der Leiter General Consulting. Denn bei diesen Modellen nehmen die Beschäftigten automatisch an der Entgeltumwandlung teil, sofern sie sich nicht aktiv dagegen entscheiden. "Das stärkt das Bewusstsein für das Thema und die Mitarbeitenden setzen sich selbst mehr damit auseinander. Hierdurch werden Teilnahmequoten von teilweise über 90 Prozent erreicht", ergänzt Dietrich.
Entgegengesetzt ist die Sichtweise in der Wirtschaft, wie die Studienergebnisse zeigen: Nur zwölf Prozent der Unternehmen haben ein solches Verfahren eingeführt, während 76 Prozent einer Implementierung skeptisch gegenüberstehen. Heiniz nennt den Grund: Wenn Beschäftigte automatisch an einem Vorsorgesystem teilnehmen, könnte die Informationspflicht des Arbeitgebers höher ausfallen, als wenn der Mitarbeitende selbst aktiv zusagen muss, wenn er teilnehmen will. "Daraus könnten sich Haftungsfragen ergeben", ergänzt er, ist aber zuversichtlich, dass sich der Knoten mit der Zeit lösen könnte, sobald sich Marktstandards entwickeln und damit klar wird, was üblich ist und was nicht. Der Vorteil eines solchen Modells liegt für Heiniz auf der Hand: "Mit Blick auf die Bedarfssituationen bei der Alterssicherung in der Bevölkerung gibt es keinen effizienteren Weg, die Menschen zum Sparen zu bewegen."
Dieser Beitrag ist erschienen in der Sonderpublikation "Personalmagazin plus: Betriebliche Altersversorgung", die Sie hier als PDF herunterladen können.
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