Haufe Online-Redaktion: Was ist für eine Arbeitsaufnahme in China vorab erforderlich?
Julia Tänzler-Motzek: Ausländer, die in China arbeiten, benötigen grundsätzlich eine Arbeitserlaubnis und ein entsprechendes Arbeitsvisum. Das Aufenthaltsrecht wurde in China mit dem Exit Entry Law, das zum 2013 in Kraft getreten ist, neu geregelt. Das Gesetz wird durch Durchführungsbestimmungen ergänzt, denen insbesondere die einzelnen Visakategorien zu entnehmen sind. Wer in China arbeiten möchte, benötigt ein sog. Z-Visum.
Haufe Online-Redaktion: Wie sind die Voraussetzungen für die Erteilung? Gibt es unterschiedliche Anforderungen je nach Berufsgruppe?
Tänzler-Motzek: Im Hinblick auf die Voraussetzungen für die Erteilung des Z-Visums bestehen zwei typische Problemfelder. Eines dieser Problemfelder liegt in der Altersgrenze. Diese liegt für Männer bei 60 Jahren und für Frauen bei 55 Jahren. Insbesondere für den Einsatz von Führungskräften oder Beratern erscheint diese Grenze aus westlicher Sicht sehr niedrig. Ein weiteres Problemfeld ergibt sich in der Praxis aus den Anforderungen an die berufliche Eignung. Diese muss mindestens durch ein Bachelor Degree und zusätzlich mindestens zwei Jahre Berufserfahrung nachgewiesen werden.
Haufe Online-Redaktion: Nicht alle Fachleute verfügen über einen akademischen Abschluss. Sind Unternehmen hier also bei der Mitarbeiterentsendung eingeschränkt?
Tänzler-Motzek: Ja, dies ist für deutsche Unternehmen oft schwierig, weil sie gerne Fachleute aus Deutschland einsetzen möchten, die aufgrund sorgfältiger Berufsausbildung, langjähriger Berufserfahrung und gegebenenfalls sogar einer Meisterqualifikation perfekt dafür geeignet sind, bestimmte Produktionsprozesse in chinesischen Betrieben zu überwachen und die chinesischen Kollegen einzuarbeiten. Ohne akademischen Abschluss, ist es jedoch in aller Regel schwierig, ein Z-Visum und eine Arbeitserlaubnis zu erwirken. Für junge Universitätsabsolventen besteht die Schwierigkeit umgekehrt darin, dass sie mindestens zwei Jahre Berufserfahrung nachweisen müssen, die sie nach ihrem Abschluss und auch in dem studierten Berufsfeld gesammelt haben.
Haufe Online-Redaktion: Welche Auswirkungen kann es haben, wenn Unternehmen bei der Entsendung von Mitarbeitern nach China die aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen nicht ausreichend beachten?
Julia Tänzler-Motzek: Das Exit Entry Law definiert erstmals illegale Arbeit. Damit soll eine strengere Kontrolle über Einreise und Beschäftigung von Ausländern erreicht werden. Danach liegt illegale Arbeit immer dann vor, wenn entweder kein Aufenthaltsrecht besteht oder das Visum bzw. der Aufenthaltstitel Arbeitszwecke nicht umfasst. Die drohende Geldbuße ist dabei für den Arbeitgeber im Vergleich zum deutschen Standard mit maximal 10.000 RMB (umgerechnet derzeit knapp 1.400 €) pro Fall verhältnismäßig gering. Problematisch ist jedoch, dass der Arbeitnehmer selbst neben einer Geldstrafe mit einer Freiheitsstrafe von fünf bis 15 Tagen rechnen muss. Außerdem drohen ihm die Ausweisung und ein Wiedereinreiseverbot für bis zu fünf Jahre.
Haufe Online-Redaktion: Wann kann man überhaupt von einer klassischen Entsendung sprechen?
Tänzler-Motzek: Der Begriff der Entsendung wird in den einzelnen Rechtsgebieten unterschiedlich und teilweise sogar widersprüchlich definiert. Eine Entsendung, die den Verbleib im deutschen Sozialversicherungssystem ermöglicht, erfordert neben der zeitlichen Befristung, dass der Einsatz auf Basis des deutschen Arbeitsverhältnisses erfolgt und das Gehalt in Deutschland gezahlt und getragen wird. Der deutsche Arbeitsvertrag bleibt also vollständig aktiv und wird lediglich für die Dauer der Entsendung um eine Entsendevereinbarung ergänzt. Diese Konstellation ist in der Regel gemeint, wenn von einer klassischen Entsendung die Rede ist.
Haufe Online-Redaktion: Wann gilt also chinesisches Arbeitsrecht, bzw. müssen lokale Arbeitsverträge geschlossen werden?
Tänzler-Motzek: In allen Fällen, in denen das Gehalt in Deutschland nicht mehr als Betriebsausgabe des Arbeitgebers anerkannt werden kann, weil der Arbeitnehmer eigentlich im Interesse des ausländischen Unternehmens tätig wird, hilft der deutsche Vertrag nicht mehr bei dem Zweck, den Verbleib in der deutschen Sozialversicherung sicherzustellen. Die arbeitsrechtliche Bindung ist aber unabhängig von den sozialversicherungsrechtlichen Folgen trotzdem möglich. Allerdings sprechen in diesem Fall einige – vor allem steuerliche – Argumente dafür, einen lokalen Arbeitsvertrag abzuschließen, auf dessen Basis das chinesische Unternehmen das Gehalt, das es wirtschaftlich ohnehin trägt, direkt an den Mitarbeiter auszahlen oder sogar auf ein deutsches Konto überweisen kann.
Haufe Online-Redaktion: Wie sieht es aus mit Urlaubsansprüchen, Feiertagen, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall während des Chinaaufenthalts? Wie können mögliche Nachteile ausgeglichen werden?
Tänzler-Motzek: Im Fall der klassischen Entsendung bleibt der deutsche Arbeitsvertrag bestehen. Für die Dauer der Entsendung sind lediglich die in diesem Zeitraum geltenden Besonderheiten zu regeln. Neben dem Arbeitsort und der Tätigkeitsbeschreibung sind dies gegeben falls auch zusätzliche Gehaltsbestandteile und Benefits, die gewährt werden, um Nachteile aus dem Auslandseinsatz auszugleichen. Gibt der Arbeitnehmer seinen Wohnsitz in Deutschland nicht auf, wird häufig ein Zuschuss zu den Wohnkosten in China gewährt. Ein weiterer typischer Benefit ist die Übernahme der Reisekosten für private Aufenthalte in Deutschland. Teilweise werden aufgrund der langen Reisezeit im Zusammenhang mit Heimreisen auch zusätzliche Urlaubstage gewährt. Hinsichtlich der Feiertage ist in Entsendevereinbarungen meist sinnvollerweise geregelt, dass die Feiertage vor Ort gelten sollen. Basiert die Entsendung auf deutschem Recht, gilt automatisch auch das Entgeltfortzahlungsgesetz.
Haufe Online-Redaktion: Wie sieht das bei lokalen Verträgen aus? Was sollte vertraglich festgehalten werden?
Tänzler-Motzek: In lokalen Verträgen ist dies gerade nicht der Fall, sie unterliegen zwingend dem chinesischen Recht. Zwar sieht auch das chinesische Recht eine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall vor. Hinsichtlich der Höhe sollte jedoch genau geprüft werden, was am Arbeitsort lokal bestimmt ist. In aller Regel liegt der gesetzliche Fortzahlungsbetrag weit unter dem, was zur Erhaltung des Lebensstandards erforderlich ist. Besteht keine lokale Regelung, gilt für die Lohnfortzahlung das landesweit festgesetzte Minimum. Dieses besteht in 80 Prozent des lokal festgelegten Mindestlohns. Nachteile aus dem der Höhe nach äußerst niedrigen Lohnfortzahlungsanspruch nach chinesischem Recht können zum Beispiel durch Abschluss entsprechender Versicherungen ausgeglichen werden. Es gibt am Markt Auslandskrankenversicherungen, die auch Lohnfortzahlung und Krankentagegeld mitabdecken. Im Übrigen gilt, dass auch im lokalen Vertrag zugunsten des Arbeitnehmers große Gestaltungsspielräume bestehen. Genau wie bei uns legt das Arbeitsrecht lediglich einen Mindeststandard fest, von dem zugunsten des Arbeitnehmers ohne weiteres abgewichen werden kann. Die angesprochenen Steuervorteile, die Expats in China im Hinblick auf bestimmte Gehaltsbestandteile genießen, bestehen zudem unabhängig von der vertraglichen Konstellation und gelten auch dann, wenn ein lokaler Vertrag geschlossen wird.
Haufe Online-Redaktion: Gibt es in China einen gesetzlichen Mindestlohn, wie hoch ist er?
Tänzler-Motzek: In China gibt es schon seit langem einen gesetzlichen Mindestlohn, der auf lokaler Ebene durch die Arbeits- und die Statistikbehörden gemeinsam festgesetzt wird. Neue Zahlen werden in der Regel einmal im Jahr herausgegeben, meist am 1. April. Der aktuelle Mindestlohn beträgt beispielsweise in Shanghai 2.190 RMB pro Monat, in Peking 1.720 RMB pro Monat und in Taicang 1.820 RMB pro Monat. Umgerechnet bewegt sich der Mindestlohn damit an den genannten Orten zwischen 230 € und knapp 300 € pro Monat. Abseits der Metropolen liegt er jedoch weit darunter.
Julia Tänzler-Motzek ist Rechtsanwältin mit Tätigkeitsbereichen im Arbeits- und Gesellschaftsrecht bei der Kanzlei CMS Hasche Sigle in Köln.
Das Interview führte Meike Jenrich.