"Kein Platz für Homophobie oder Rassismus"
Haufe Online-Redaktion: Ihre Kanzlei hat Platz acht im Stonewall-Ranking der Top 100 Lesbian Gay Bisexual (LGB)-freundlichen Arbeitgeber belegt. Was unterscheidet Sie von "normalen" Arbeitgebern?
Sascha Kuhn: Eigentlich sind wir so normal wie jedes andere Unternehmen auch. Was uns allerdings abhebt, ist ein diskriminierungsfreies Umfeld, in dem die Vielfalt innerhalb der Belegschaft mit Blick auf die sexuelle Orientierung, die ethnische Abstammung und ähnlichem eine besondere Wertschätzung erfährt. Dazu gehören Mitarbeiternetzwerke und Mentoring-Programme, aber auch unsere "Straight Allies", also heterosexuelle Kollegen, die sich aktiv für ein diskriminierungsfreies Umfeld einsetzen, darunter auch der oberste Repräsentant unserer Kanzlei. Eine solche Kultur können Sie natürlich nicht einfach verordnen; das ist etwas, was sich über viele Jahre entwickelt.
Haufe Online-Redaktion: Üblicherweise ist dem Arbeitgeber die sexuelle Orientierung seiner Mitarbeiter nicht bekannt – warum spielt sie bei Ihnen überhaupt eine Rolle?
Kuhn: Da gibt es durchaus Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern. Aber es kommt auch gar nicht darauf an, ob man auf den Arbeitgeber im formellen Sinn oder die Kollegen abstellt: Vielfach gibt es berufliche Aktivitäten, bei denen die Partner zumindest dazukommen können. Und selbst wenn es das nicht gibt, unterhält man sich doch über das Wochenende oder den Urlaub. Wer sich dabei immer wieder verstellen muss, weil er - berechtigt oder nicht - fürchtet, dass seine sexuelle Orientierung nicht akzeptiert wird, kann nicht sein volles Leistungspotential abrufen. Allein deshalb ist es im Interesse der Arbeitgeber, für ein diskriminierungsfreies Umfeld zu sorgen.
Haufe Online-Redaktion: Wie sieht die Struktur Ihrer Mitarbeiterschaft aus? Bewerben sich nun vorwiegend Lesben, Schwule oder Bisexuelle bei Ihnen?
Kuhn: Nein, da gibt es keine signifikanten Schwerpunkte. Allerdings gehen wir davon aus, dass der Prozentsatz bei uns höher ist als in manch anderen Kanzleien.
Haufe Online-Redaktion: Könnte diese Auszeichnung nicht auch ins Negative wirken und heterosexuelle oder homophobe Bewerber oder auch Mitarbeiter abschrecken?
Kuhn: Theoretisch ja, praktisch nein. Die Auszeichnung als Lesben-, Schwulen- und Bisexuellen-freundlicher Arbeitgeber wird von vielen Heterosexuellen als Indikator für eine gute Arbeitsatmosphäre wahrgenommen. Das konnten wir bereits 2010 feststellen, als wir, damals noch als einzige Kanzlei, auf der ersten speziellen LGBT-Karrieremesse in Deutschland vertreten waren, an der auch viele Heterosexuelle teilgenommen haben. In einem Umfeld wie dem unseren haben Einstellungen wie Homophobie oder aber auch Rassismus im Übrigen keinen Platz.
Haufe Online-Redaktion: Sind Führungsverhalten und HR-Arbeit in Betrieben, in denen mehr bekennende homo- oder bisexuelle Mitarbeiter sind, anders als in Betrieben, in denen das nicht bekannt ist?
Kuhn: Anders höchstens im Sinne von einfacher, weil sich Vorgesetzte und HR-ler nicht mit den Problemen auseinandersetzen müssen, die mit einem nicht diskriminierungsfreien Umfeld einhergehen, wie etwa Performance-Probleme von Mitarbeitern, die Teile ihrer Persönlichkeit verstecken oder gar verleugnen.
Haufe Online-Redaktion: Wie hat sich die Entwicklung zum LGB-freundlichen Arbeitgeber hin vollzogen?
Kuhn: Simmons & Simmons wurde 1896 von zwei jüdischen Brüdern gegründet, nachdem Sie in den etablierten Londoner Kanzleien auf Grund ihrer Religionszugehörigkeit keine Anstellung gefunden hatten. Diskriminierungsfreiheit steckt also gewissermaßen in unserer Unternehmens-DNA. Über die Jahre haben sich dann verschiedene interne Netzwerke wie zum Beispiel religionsbezogene Netzwerke, ein Frauennetzwerk, interkulturelle Gruppen und eben auch ein LGBT-Netzwerk sowie unsere bereits erwähnte "Straight Allies"-Gruppe etabliert. Entscheidend dürfte sein, dass diese Gruppen nicht nur hingenommen wurden sondern aktiv unterstützt werden.
Haufe Online-Redaktion: Was würden Sie einem Personalverantwortlichen raten, gegenüber dem sich ein Mitarbeiter outet? Wie kann er diesen Mitarbeiter in seiner Stellung im Unternehmen unterstützen?
Kuhn: Ob personalverantwortlich oder nicht, in einer solchen Situation sollte man sich ganz unverkrampft verhalten. Allerdings hat der Personalverantwortliche eine Vorbildfunktion, es hängt also viel davon ab, dass er einen unverkrampften Umgang mit der Situation vorlebt. Und sollten Einzelne negativ auf ein Outing reagieren, ist es an ihm, sich damit umgehend aktiv auseinanderzusetzen – nicht nur, um die Interessen des jeweiligen Mitarbeiters zu schützen, sondern auch im Interesse des Unternehmens. Denn mit einer rückwärtsgewandten Personalstrategie bindet heute kein Unternehmen mehr Talente.
Sascha Kuhn ist Partner bei der internationalen Kanzlei Simmons & Simmons in Düsseldorf und bei der Sozietät für den Bereich Recruitment zuständig.
Das Interview führte Katharina Schmitt, Redaktion personalmagazin
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