Immer mehr Bewerbungen werden mithilfe von KI erstellt

Aktuell nutzen 19 Prozent der Bewerberinnen und Bewerber künstliche Intelligenz, um ihr Anschreiben zu verfassen. Weitere 42 Prozent haben damit zwar keine praktische Erfahrung, können sich aber die KI-Nutzung vorstellen. Wie häufig KI inzwischen in Bewerbungen vorkommt, ermittelte eine Umfrage im September.

Die Umfrage des Software-Anbieters Softgarden unter 2.674 Bewerberinnen und Bewerbern zeigt auf, wie stark sich künstliche Intelligenz (KI) innerhalb eines halben Jahres im Bewerbungsprozess etabliert hat. Antworteten im Frühjahr 2023 noch 49 Prozent der Bewerbenden, dass sie KI für das Verfassen von Bewerbungen einsetzen oder sich den KI-Einsatz vorstellen könnten, ist der Anteil der (potenziellen) KI-Nutzer und -Nutzerinnen im Herbst auf 61 Prozent gestiegen.

KI in der Bewerbung: deutlich mehr Befürworter als Skeptiker

Im Umkehrschluss heißt das: Nur noch eine Minderheit von 39 Prozent der Stellensuchenden ist dem KI-Gebrauch in der Bewerbung gegenüber abgeneigt. 32 Prozent sagen, sie möchten keine KI benutzen, weil das "Betrug" sei. Sieben Prozent geben an, die Nutzung von ChatGPT und Co. sei ihnen "zu kompliziert". Im Frühjahr sprachen noch 38 Prozent von "Betrug" und 13 Prozent hielten die KI-Nutzung für "zu kompliziert".

Erfahrungen mit KI außerhalb der Bewerbung

Die steigende Nutzung und sinkende Skepsis gegenüber dem Gebrauch von KI für Bewerbungszwecke hat vor allem damit zu tun, dass mehr und mehr Jobsuchende bei anderen Themen Erfahrungen mit künstlicher Intelligenz sammeln – sei es beruflich oder privat. Das trifft aktuell auf 47 Prozent der Bewerberinnen und Bewerber zu.

Die Freitextantworten zeigen, dass ChatGPT bei vielfältigen Aufgaben als hilfreich angesehen wird. Unter anderem werden als Einsatzfelder genannt: "Suche nach bestimmten Fachbüchern", "Informationen in komprimierter Form umwandeln, zum Beispiel Kapitel von Sachbüchern", "alltägliche Fragen und Unterstützung zur Lösungsfindung, Ideensammlung et cetera – so wie ich auch Google einsetze".

Wenig Angst vor künstlicher Intelligenz

Die Angst vor KI ist wesentlich weniger verbreitet, als es die öffentliche Diskussion vermuten lässt. Nur 23 Prozent der Stellensuchenden haben vor dem "fortschreitenden Gebrauch" von künstlicher Intelligenz Angst. Nur 18 Prozent der Befragten fürchten, dass die eigene Berufsqualifikation in fünf Jahren nicht mehr gebraucht wird, weil KI die Aufgaben erledigen kann. Bei Akademikerinnen und Akademikern sind sogar lediglich 14 Prozent dieser Ansicht.

Die Akzeptanz von KI gilt jedoch für eine Mehrheit nur, solange Menschen und menschliche Entscheidungen nicht völlig verdrängt werden. Das zeigt ein Blick auf die Kandidatenauswahl im Bewerbungsprozess: Gibt die KI bei der Bewertung der schriftlichen Bewerbungsunterlagen lediglich eine Empfehlung, liegt die Zustimmung dafür bei 63 Prozent. Entscheidet die KI autonom über die schriftliche Bewerbung, sinkt die Zustimmung auf 25 Prozent.

KI im Bewerbungsprozess: Fünf Empfehlungen

Auf Basis der Studienergebnisse geben die Studienautoren fünf Ratschläge zum Umgang mit künstlicher Intelligenz im Bewerbungsprozess und im HR-Management:

  1. Verzichten Sie auf das Anschreiben
    Da immer mehr Bewerberinnen und Bewerber ChatGPT oder eine andere generative KI nutzen, um das Anschreiben zu erstellen, ist es nicht mehr ratsam, dieses für eine Bewerbung anzufordern. Schon lange sehen Eignungsdiagnostiker das Anschreiben für eine Kandidatenauswahl kritisch. In absehbarer Zeit dürfte es keinerlei Rückschlüsse mehr auf die Motive oder die Persönlichkeit zulassen, sondern eher auf das KI-Know-how von Stellensuchenden.
      
  2. Nutzen Sie KI für das Recruiting – aber gut überlegt
    Die Anwendung von KI für das Recruiting lässt sich nicht mehr aufhalten. Dennoch sollten Arbeitgeber besonnen vorgehen und auch den Datenschutz nicht aus den Augen verlieren. Schon manche gehypte KI-Anwendung in der Personalauswahl hat sich als nicht ausreichend evaluiert entpuppt. Strenge Maßstäbe sind notwendig sowie ein ausreichendes Testverfahren, das auch unbewusste Biaswirkungen miteinbezieht.
      
  3. Behalten Sie Akzeptanzschwellen im Auge
    Stellensuchende finden es o.k., wenn Arbeitgeber beim derzeitigen Stand der KI-Entwicklung künstliche Intelligenz als Entscheidungshilfe verwenden. Aber nur die wenigsten halten es für in Ordnung, wenn KI als autonome Entscheidungsinstanz oder Ersatz für menschliche Interaktion eingesetzt wird.
      
  4. Sorgen Sie für Transparenz
    Zur Akzeptanz von KI-Anwendungen gehört auch, dass die Stellensuchenden angemessen darüber informiert werden, in welcher Form KI im Bewerbungsprozess zum Einsatz kommt. Auch wenn das Risiko besteht, dass ein Teil der Bewerberinnen und Bewerber den Einsatz von KI auf Arbeitgeberseite mit einem eigenen Einsatz von KI in ihrer Bewerbung beantworten wird.
      
  5. Leiten Sie eine KI-Offensive in der Personalentwicklung ein
    Auch außerhalb des Recruitings wird die Arbeitswelt massiv vom Vordringen von KI-Anwendungen berührt. Deshalb ist eine sorgfältige und unternehmensindividuelle Analyse der Potenziale und Risiken vonnöten. Mit Qualifizierungsmaßnahmen kann aus dem "KI-Risiko" ein Mittel gegen den Fachkräftemangel werden.


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