Klarer Kompass für mehr Diversität fehlt
Gender Diversity zieht immer noch zögerlich in Deutschlands oberste Führungsetagen ein, weil die Entscheider in den Vorständen und Aufsichtsräten trotz Frauenquote das Thema "Inclusion & Diversity" (I&D) eher als Selbstzweck, denn als Notwendigkeit für ihren Unternehmenserfolg sehen. Das zeigen die Studie "Inclusion & Diversity" der Personalberatung Odgers Berndtson sowie die Studie "Understandig the Landscape" von Culture Amp, Anbieter einer Employee-Experience-Plattform.
Inclusion & Diversity: Klare Zielvorgaben fehlen
Beide Studien machen deutlich, dass sich zwar viele Unternehmen zu Diversität, Gleichberechtigung und Inklusion verpflichtet haben, aber nur wenige von ihnen nennenswerte Fortschritte erzielen. Die Befragungsergebnisse belegen eine deutliche Diskrepanz zwischen dem Engagement der Unternehmen und den tatsächlichen Maßnahmen. I&D wird in den wenigsten Unternehmen mit klaren Zielvorgaben belegt. Viele versäumen es, entsprechende Daten zu erheben, um Fortschritt und Wirkung ihrer Maßnahmen zu erheben oder strategisch in Programme zur Verbesserung der Diversität und Inklusion zu investieren. In der Studie von Culture Amp gaben beispielsweise nur 34 Prozent der Befragten an, dass sie über ausreichende Ressourcen verfügen, um I&D-Initiativen zu unterstützen.
Uneinigkeit bei Grundfragen von Inklusion und Diversität
Wie die Studie von Odgers Berndtson zeigt, herrscht selbst in Grundfragen von Inklusion und Diversität Uneinigkeit in Deutschlands Führungsetagen. "Auch wenn das Thema sehr wichtig geworden ist, es werden immer noch zu viele Kandidatinnen und Kandidaten eingestellt, die zwar fachlich für Vorstandspositionen geeignet sind, denen aber häufig das Verständnis für Inklusion und Diversität fehlt", sagt Christiane Pietsch, Partnerin der Personalberatung. Das bestätigen auch Dreiviertel der Studienteilnehmer und -teilnehmerinnen.
Es herrscht in den Vorstandetagen offenbar noch nicht einmal Klarheit darüber, wer überhaupt als divers anzusehen ist, noch, welche Gruppen unterrepräsentiert sind. So sehen nur neun Prozent der Befragten Frauen als eine "Randgruppe". Das mag daran liegen, dass Frauen ihrer Meinung nach im Vergleich zu anderen "Randgruppen" am ehesten über konkrete Maßnahmenpläne für Führungsaufgaben gefördert werden. Die Hälfte der Befragten gab an, dass sie einen Maßnahmenplan im Unternehmen haben, um Frauen in Führungsteams zu rekrutieren. Immerhin noch rund 30 Prozent haben derartige Pläne für Personen unterschiedlicher ethnischer Herkunft. Für LGBTQ+ gibt es nur in rund zwölf Prozent der Unternehmen Förderungsmaßnahmen.
Auslandserfahrung fördern, unbewusste Vorurteile abbauen
Solange in den Führunsetagen nicht klar ist, was Diversity verhindert, fällt es auch schwer, konkrete Maßnahmen zu definieren. Wie komplex die Auswahl der richtigen Fördermaßnahmen ist, zeigt das Beispiel der Förderung von Auslandserfahrung. Zwei Drittel der Vorstandsmitglieder und Geschäftsführer / Geschäftsführerinnen bestätigen zwar, dass Frauen durch einen beruflichen Aufenthalt im Ausland bessere Chancen auf eine Position im Führungsteam haben. Zugleich geben 72 Prozent an, dass sie es für irrelevant halten, geeigneten Frauen bevorzugt eine Expatriat-Stelle anzubieten.
"Im Sinne der Gleichberechtigung von Mann und Frau sollten Frauen nicht grundlos bevorzugt werden. Aber mit Blick auf die Familie ist es wünschenswert, dass Frauen, die mit ihrer Familie eine Expatriat-Stelle antreten möchten, hier besonders gefördert werden. Denn sie müssen größeres Engagement beweisen und ihre Expat-Zeit gut organisieren", meint Katja Hartert, Partnerin bei Odgers Berndtson. Dieser Ansicht sind auch 40 Prozent der Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer.
Die Macht der unbewussten Vorurteile ("unconscious bias") ist ein weiterer Aspekt, den die Befragten als Grund gegen mehr Gender Diversity angeben. 70 Prozent bestätigen, dass dies neben mangelnder fachlicher Qualität durchaus ein Kriterium bei der Entscheidung gegen einen Kandidaten oder eine Kandidatin sei. Einige Unternehmen setzen daher auf spezielle Programme zum Abbau von unbewussten Vorurteilen im Recruiting-Prozess.
Chief Diversity Officer gewinnt an Bedeutung
In der Studie von Odgers Berndtson wurde auch die Rolle eines möglichen Chief Diversity Officers (CDO) abgefragt. Dabei wird deutlich, dass zwar die Aufgaben eines CDO immer mehr an Bedeutung gewinnen. Dass es dafür aber in der Organisationsmatrix einer konkreten Position des CDO bedarf, wird mehrheitlich abgelehnt. Nur 30 Prozent der Führungskräfte sind der Meinung, dass alle Organisationen mit mehr als 500 Mitarbeitenden die Position eines CDOs haben sollten. Zwei Drittel sind gleichwohl dafür, dass CDO-Aufgaben über Vorstandspositionen, mehrheitlich über einen HR-Chef oder den Chief Procurement Officer (CPO), abgedeckt werden sollen.
Zu ähnlichen Ergebnissen kommt auch die Culture-Amp-Studie: Zunehmend mehr Unternehmen investieren demnach in spezielle I&D-Funktionen. Dabei bauen 40 Prozent der Unternehmen Know-how auf, das für erfolgreiche I&D-Programme erforderlich ist. Acht von zehn engagierten I&D-Spezialisten wurden erst in den letzten 18 Monaten eingestellt – ein Zeichen dafür, dass die meisten Unternehmen noch am Anfang ihres Veränderungsprozesses stehen.
Inclusion & Diversity: Klarer Kompass fehlt
"Solange in den Führungsebenen keine Einigkeit darüber herrscht, welche Herausforderungen angegangen werden müssen, damit mehr Vielfalt in die Führung gelangt, werden auch keine konkreten Maßnahmen getroffen werden. Unsere Studie hat deutlich gezeigt, dass den Unternehmen in Deutschland ein klarer Kompass fehlt", fasst Veronika Ulbort, Partnerin von Odgers Berndtson, zusammen.
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