Interview mit dem neuen DGFP-Geschäftsführer Ralf Steuer

Ralf Steuer, vorher HR-Manager der Lufthansa, hat zum 1. März 2021 die Geschäftsführung der Deutschen Gesellschaft für Personalführung übernommen. Personalmagazin-Herausgeber Reiner Straub sprach mit ihm über seine Wechselmotivation, sein HR-Verständnis und seine Ziele.

Haufe Online Redaktion: Herr Steuer, was hat Sie gereizt, die Geschäftsführung bei der Deutschen Gesellschaft für Personalführung (DGFP) zu übernehmen? 

Ralf Steuer: Als ich gefragt wurde, ob ich mir die Aufgabe bei der DGFP vorstellen kann, dachte ich: Das ist eine großartige Opportunität. HR hat durch die Pandemie an Gewicht gewonnen und die DGFP ist die Organisation, die HR-Themen branchenübergreifend voranbringt. Hierbei spielen vor allem Austausch und Netzwerken eine sehr große Rolle. Netzwerkarbeit war ein prägender Teil meiner HR-Arbeit in den letzten zwei Jahrzehnten in einer Airline mit mehr als 500 Beteiligungsgesellschaften und einer über viele Jahre gelebten dezentralen Fokussierung. Zudem fand ich es sehr spannend, nach meiner langjährigen Tätigkeit im Großkonzern jetzt in eine kleine Organisation zu wechseln, die auch noch maßgeblichen Einfluss auf das branchenübergreifende Personalwesen hat.

Tätigkeiten des DGFP-Geschäftsführers Ralf Steuer bei der Lufthansa

Haufe Online Redaktion: Sie haben 25 Jahre bei der Lufthansa gearbeitet. Was waren – neben Netzwerkarbeit – ihre prägenden Erfahrungen? 

Steuer: Ich habe dort operative Rollen als Personalleiter wahrgenommen und habe als Verantwortlicher für personalpolitische Grundsatzfragen, der Migration, Standardisierung und Digitalisierung von HR-Prozessen in globalen Service Centern sowie der weltweiten Implementierung des HR-Rollenmodells, das HR-Management maßgeblich mitgestaltet. Eine der spannendsten Aufgaben war das Thema HR bei Merger and Acquisitions. Wir haben 2004 beispielsweise die Einheit "Lufthansa Gebäudemanagement" mit über zweitausend Beschäftigten an Hochtief verkauft und erstmals mit allen Sozialpartnern Vereinbarungen zum Umgang mit den Beschäftigten getroffen. 

Später haben wir Airlines wie die Condor veräußert oder die Swiss erworben, die eigenständig bleiben und doch integriert werden sollte. "Integrierte Eigenständigkeit" war die personalpolitische Formel. Konzepte für sämtliche Formen des personalpolitischen Umgangs bei Veräußerung und Zukauf von Gesellschaften zu entwickeln und umzusetzen, war eine besondere Aufgabenstellung in meiner HR-Verantwortung. Dazu gehörte auch der Aufbau von globalen Shared Service Centern, in denen wir HR-Prozesse standardisiert, digitalisiert und die Lufthansa Group davon überzeugt haben, dass, entgegen der langjährig gelebten dezentralen Fokussierung, transaktionale Prozesse in zentral gesteuerte Service Center migriert werden.

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Haufe Online Redaktion: Wie würden Sie sich als Manager beschreiben? Sind sie eher der dialogorientierte Vermittler oder der taffe Ansager? 

Steuer: (lacht) Ganz offen, ich bin authentisch und mache aus meinem Herzen keine Mördergrube. Wenn ich von etwas überzeugt bin, versuche ich das durchzusetzen oder auch dagegen zu halten, möglichst mit Argumenten, weniger mit Ansagen. 

Haufe Online Redaktion: Sie kommen aus einem Großkonzern mit Stäben und vielen Spezialisten. Wie wollen sie sich in einer kleinen Organisation wie der DGFP zurechtfinden? 

Steuer: Beim Bewerbungsinterview hat mir der DGFP-Vorstand gesagt: "Herr Steuer, Sie bekommen keinen Fahrer." Das war symbolisch gemeint. Ich weiß, worauf ich mich einlasse. Die Diskussionen der ersten Tage in der Geschäftsstelle waren bereichernd, ich erlebe keinen Kulturschock.

Rotationsprinzip für die DGFP-Geschäftsführung gilt weiterhin

Haufe Online Redaktion: Gilt auch für Sie das Rotationsprinzip? Das ist ja neu für Sie, ist das nicht eine starke Einschränkung der Gestaltungsoptionen?

Steuer: Das Rotationsprinzip für die Geschäftsführung gilt weiterhin. Das war dem DGFP-Vorstand wichtig. Mein Engagement ist befristet bis 2023. Ich kann an das anknüpfen, was Norma Schöwe begonnen hat und zusammen mit dem Leitungsteam weiterentwickeln. Ich kenne das Rotationsprinzip auch von der Lufthansa, nach dem Führungskräfte spätestens alle fünf Jahre wechseln müssen. Ich kann dem Rotationsprinzip grundsätzlich sehr viel abgewinnen. 

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Haufe Online Redaktion: Gibt es ein Ziel, das Sie sich vorgenommen haben? 

Steuer: Das Hauptziel ist das Binden und Gewinnen von Mitgliedern. Alles, was wir tun, sollte darauf ausgerichtet sein. Was sind da die richtigen Themen? Was sind die richtigen Formate? Was sind die Bedürfnisse? Wir müssen nah am Kunden sein, sowohl bei denen, die wir heute bereits zu unseren Mitgliedern zählen dürfen, aber auch bei denen, die noch nicht dabei sind. Wir haben in der Pandemie unsere Netzwerkstreffen und unsere Veranstaltungen ausschließlich virtuell durchgeführt. Mit dem Abklingen der Pandemie wird es unsere Aufgabe sein, daraus hybride Formate zu entwickeln. Das virtuelle bleibt, das Bedürfnis nach persönlichem Austausch wird aber wiederkommen. 

Haufe Online Redaktion: Die letzten fünf Jahre hatte die DGFP sehr stark mit wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen. Es gab zweimal eine Standortverlagerung, der Personalabbau war massiv. Ist die Restrukturierungsphase vorbei? 

Steuer: Eindeutig ja. Wir haben jetzt eine tragfähige Struktur, mit der wir agieren können. Wir brauchen jetzt Kontinuität und das macht die die DGFP zu einem attraktiven Arbeitgeber. Wir wollen die Besten in ihren jeweiligen Rollen an Bord. Das ist mir ein Herzensanliegen.

Schwerpunkt auf der Netzwerkarbeit

Haufe Online Redaktion: Haben Sie einen politischen Anspruch für die DGFP oder spielt das keine Rolle mehr? 

Steuer: Bei der Lufthansa haben wir regelmäßig Referentenentwürfe von Gesetzesinitiativen, die wir von der BDA oder dem BDI bekommen haben, auf ihre Praxistauglichkeit geprüft. Die Bewertung oder Kommentierung von Gesetzesinitiativen sehe ich aber nicht als Hauptaufgabe der DGFP. Wir sind ein Netzwerk, das in erster Linie den Austausch zwischen den Mitgliedern organisiert. Dazu gehört auch der Austausch mit der Politik, etwa im Rahmen unserer Hauptstadtdialoge. Wir bauen Plattformen für den Austausch, von der Politik in die Unternehmen und umgekehrt. Das wollen wir fortsetzen. 

Wir wollen in der DGFP ein Forum zum Austausch sein und Impulse setzen. HR-Professionals sollen von Erfahrung und Kompetenz profitieren."


Haufe Online Redaktion: Hat die DGFP einen Gestaltungsanspruch? Wollen Sie definieren was gute Personalarbeit auszeichnet?

Steuer: Wir wollen ein Forum zum Austausch sein und Impulse setzen. HR-Professionals sollen von Erfahrung und Kompetenz profitieren. Dazu zählen Praktiken, Lösungen, Konzepte, neue Wege und Erprobtes. Ergänzend kommt Empirisches hinzu, indem wir beispielsweise zusammen mit Partnern Studien durchführen. All das ist der DGFP in den letzten Jahren sehr gut gelungen und das wollen wir fortführen. 

DGFP und BPM haben eine Reihe von Themenschnittstellen

Haufe Online Redaktion: Früher war die DGFP alleiniger Vertreter der Personalfunktion, wie sehen sie das Verhältnis zum Bundesverband der Personalmanager (BPM)? 

Steuer: Wir sind zwar seit der Gründung des BPM nicht mehr alleiniger Vertreter der Personalfunktion in Deutschland. Allerdings hat die DGFP über die Firmenmitgliedschaften und den damit etwa 40.000 organisierten HR-Fachleuten eine besondere Verantwortung. Die DGFP und der BPM haben eine Reihe von Themenschnittstellen, bei denen eine Kooperation sinnvoll wäre. Davon unberührt war und ist die Entscheidung, sich vom eigenen Seminargeschäft zu trennen und die Fokussierung auf die vier Säulen Plattform für den Austausch, Events, Wissen und Services zu legen. Das waren aus meiner Sicht richtige Weichenstellungen für die DGFP.  

Sicher ist, dass Diversity-Kriterien stärker bei Auswahlprozessen berücksichtigt werden müssen. Eine Frauenquote allein wird es nicht regeln, aber sie kann ein Signal sein."


Haufe Online Redaktion: Ich möchte Sie am Ende des Gesprächs bitten, mit einem oder zwei Sätzen zu aktuellen Diskussionen Stellung zu nehmen. Ist die Frauenquote ein gutes Instrument für das Personalmanagement?

Steuer: Ob eine gesetzliche Quotenregelung die Zahl der Frauen in den Vorständen zum Beispiel fördert oder nicht, darüber lässt sich streiten. Sicher ist, dass Diversity-Kriterien stärker bei Auswahlprozessen berücksichtigt werden müssen. Eine Quote allein wird es nicht regeln, aber sie kann ein Signal sein. 

New Work bleibt ein wichtiges Thema – auch nach der Pandemie

Haufe Online Redaktion: Wir haben einen Hype um New Work. Bringt New Work das Personalmanagement weiter? 

Steuer: Das ist ein wichtiges Thema, vor allem während aber auch nach der Pandemie. Wir müssen uns mitbestimmungsrechtlich mit dem Thema befassen, auch wenn der Hype vorüber geht. 

Bei der Bewältigung der Pandemiefolgen in den Unternehmen spielt die Sozialpartnerschaft eine zentrale Rolle."


Haufe Online Redaktion: Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften verlieren Mitglieder. Hat die Sozialpartnerschaft Zukunft? 

Steuer: Bei der Bewältigung der Pandemiefolgen in den Unternehmen spielt sie eine zentrale Rolle, etwa bei der Einführung und Gestaltung von Kurzarbeit oder der Anwendung von tariflichen Krisenklauseln. Auch für noch zunehmend aufkommende Transformationsthemen wird eine funktionierende Sozialpartnerschaft auf Betriebs- und Tarifebene wichtig bleiben.

Digitalisierung als zentrales Zukunftsthema für HR

Haufe Online Redaktion: Bei der Digitalisierung hängt HR vielfach hinterher. Ist die Digitalisierung eines der zentralen Zukunftsthemen für HR? 

Steuer: Auf jeden Fall. Die Digitalisierung wird uns in den nächsten Jahren stark beschäftigen. Für HR als fachlicher Begleiter in den Fachbereichen und in den HR-Bereichen selbst. Allerdings müssen wir bei aller Euphorie die neuen technologischen Möglichkeiten im HR-Bereich genau abwägen und hinschauen, wo es Sinn macht zu investieren und wo nicht.

Haufe Online Redaktion: HR ist durch das Krisenmanagement zu einem Schlüsselspieler der Unternehmensführung geworden. Was muss HR tun, um diese gute Positionierung in den nächsten Jahren behaupten zu können? 

Steuer: Auf die richtigen Themen setzen, Themen vorantreiben, Ergebnisse liefern und performant arbeiten. 


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Schlagworte zum Thema:  Personalie, HR Manager