"Im Schnitt wechseln IT-Spezialisten alle zwei Jahre den Job."
Haufe Online Redaktion: Kaya Taner, was interessiert Sie am Thema "Recruiting" und wie sind Sie auf die Idee gekommen, Honeypot zu gründen?
Kaya Taner: Als Gründer ist Recruiting eigentlich ein Dauerthema. Bei meiner ersten Firma App-Lift standen wir vor allem nach unserem Series-A-Investment vor der Herausforderung, unser technisches Team zu skalieren. Hier haben wir gemerkt, wie schwierig es ist, gute Leute zu bekommen. Als wir dann ins Gespräch mit Entwicklern kamen, waren wir überrascht, dass die Jobsuche für sie genauso frustrierend ist.
Es ist nämlich so: Sie bekommen massenhaft irrelevante Jobangebote und Mails, aus denen gar nicht so recht hervorgeht, was die Unternehmen eigentlich suchen. So kamen wir auf die Idee zu Honeypot, einer kandidatengetriebenen, transparenten Job-Plattform. Den Kandidaten sollten alle relevanten Infos wie Tech-Stack, Firmeninfos und Gehalt vorab zur Verfügung gestellt werden. Außerdem wollten wir die Entscheidungsmacht in die Hände der Entwickler geben. Heißt: Unternehmen bewerben sich bei Suchenden und die entscheiden, ob sie Interview-Einladungen annehmen oder nicht.
Bewerbung des Unternehmens: Anschreiben individuell formulieren
Haufe Online Redaktion: Im Prinzip haben Sie also die klassische Bewerbungssituation umgedreht. Welche Erwartungen haben IT-Spezialisten an Recruiting- und Bewerbungsverfahren und wie können Recruiter diese erfüllen?
Taner: Wenn Recruiter relevante IT-Fachkräfte anschreiben, sollten sie sich damit beschäftigen, was die Kandidaten gemacht haben und mit welchen Technologien sie arbeiten. Vielleicht gibt es Open-Source-Code-Projekte, die man sich mal grob anschauen kann. Da kann man herausfinden mit welchen Projekten die Entwickler sich beschäftigen und die Ansprache dementsprechend individuell gestalten. Werden solche, auf die Person bezogenen, Dinge von Recruitern aufgegriffen, fühlen sich die Angesprochenen natürlich viel besser. Anders als bei einer Massenmail, die genauso auch an hundert weitere Personen geschickt wurde.
Auch das Timing ist entscheidend. Der Großteil der IT-Fachkräfte hat einen Job und sucht gar nicht nach einer neuen Stelle. Um zu verhindern, dass IT-ler ständig neue und nicht relevante Angebote bekommen, gibt es bei Honeypot die Batch-Lösung: Nach der Anmeldung und Prüfung bei uns ist jeder Entwickler nur drei Wochen für Firmen sichtbar - also in einem Batch, der wöchentlich neue Kandidaten beinhaltet. Danach ist jeder Entwickler nur für Unternehmen sichtbar, wenn er selbst angibt, dass er gerade nach einem Job sucht oder offen ist für neue Angebote. Damit wollen wir vergeudete Mühe auf Seiten der Recruiter vermeiden. Alle IT-ler, die sie auf der Plattform sehen, sind generell gerade auch offen für ein Jobangebot.
Haufe Online Redaktion: Ob offen für einen neuen Job oder nicht: Was sollten Unternehmen speziell IT-Fachkräften bieten, um dann interessant und relevant für sie zu werden?
Taner: Wir haben eine Umfrage unter unseren Mitgliedern gemacht, die zeigt, dass es Entwicklern an erster Stelle um ein gutes Team geht. Danach kommen eine ausgewogene Work-Life-Balance und Entwicklungsmöglichkeiten. Erst an vierter Stelle steht dann ein gutes Gehalt.
Klare Kommunikation in Stellenanzeigen und Bewerbungsgesprächen ist notwendig
Haufe Online Redaktion: Wie können Unternehmen diese Erwartungen der IT-ler in Stellenanzeigen bedienen?
Taner: Es hilft oft schon, eine klare Unternehmensbeschreibung zu formulieren. Also, woran arbeitet die Firma eigentlich? Um welche Rolle geht es in der Stelle genau? Eine klare Beschreibung ist gerade bei IT-Stellen sehr wichtig. Man sollte auch erwähnen, mit welchen Technologien gearbeitet wird. Sind diese Infos drin, kann auf die Aspekte Work-Life-Balance oder beispielsweise Entwicklungs- und Konferenzbudgets verwiesen werden. Solche Dinge sind immer spannend, damit die Leute das Gefühl haben, dass sie in ein gutes Team kommen und sich weiterentwickeln können.
Haufe Online Redaktion: Welche Erwartungen seitens der IT-Fachkräfte bestehen im weiteren Bewerbungsprozess?
Taner: Bei Honeypot fragen wir die Entwickler im Anschluss an das Recruiting, wie sie den Prozess in den einzelnen Firmen wahrgenommen haben. Da wurden drei Punkte deutlich:
- Tranzparenz im Bewerbungsprozess,
- konstantes Feedback und
- Aufmerksamkeit gegenüber den Kandidaten.
Bewerber wollen natürlich wissen, welche Stationen es im Bewerbungsverfahren gibt, wo sie gerade stehen und wie sie sich bisher geschlagen haben. Gibt es Aufgaben während des Bewerbungsprozesses, zum Beispiel Coding-Challenges, ist zeitnahes Feedback besonders wichtig. Als Kandidat fühlt man sich nicht wertgeschätzt, wenn man erst nach vier Wochen von einer Firma Rückmeldung zu einer Code-Aufgabe erhält, an der man drei oder vier Stunden gesessen hat.
Bewerbungsprozess: Wichtig sind Tranzparenz, Feedback und Aufmerksamkeit
Haufe Online Redaktion: Und was verstehen Sie unter Transparenz und Aufmerksamkeit?
Taner: Zur Transparenz gehört auch klar zu sagen, wie der Einstellungsprozess verlaufen wird: aus wie vielen Schritten besteht er und welche sind das. Solche Infos helfen den Kandidaten, sich zu orientieren und sich mental auf das vorzubereiten, was auf sie zukommen wird.
Der letzte Punkt, die Aufmerksamkeit, sollte eigentlich selbstverständlich sein. Es geht darum, einfach "anwesend" zu sein im Interview. Von Bewerbungsgesprächen, bei denen das Gegenüber gerade E-Mails checkt und auf dem Handy herumtippt, während die Bewerber von sich erzählen, haben wir tatsächlich schon gehört. Grundsätzlich sollte man einfach einen gewissen Respekt an den Tag legen und an die Candidate Experience denken. Also überlegen, wie die Erfahrung für die Kandidaten ist – in jedem einzelnen Schritt. Damit, glaube ich, erhält man schon ein gutes Gespür dafür, was man besser machen kann.
Kooperation zwischen bestehenden IT-Fachkräften und HR verbessern
Haufe Online Redaktion: Feedback, Transparenz und Aufmerksamkeit sind für IT-ler also wichtige Faktoren im Bewerbungsprozess. Umgekehrt gefragt: Welche Fehler sollten Recruiter unbedingt vermeiden?
Taner: Großes Augenmerk sollte auf der Geschwindigkeit im Einstellungsprozess liegen. Viele Unternehmen sind schlichtweg zu langsam beim Recruiting. Ein Drittel der Bewerber, die eine Stelle angeboten bekommen, entscheiden sich für ein anderes Unternehmen - und da spielt Geschwindigkeit eine wichtige Rolle. Wenn der Prozess vier Monate dauert, dann ist es in der IT nicht besonders verwunderlich, wenn Entwickler dann bereits vom Markt sind.
Bei IT im Spezifischen würde ich außerdem zu einer guten Kooperation zwischen HR und den technischen Mitarbeitern achten, die bereits im Unternehmen sind. Das ist in der Theorie logisch, wird aber in der Praxis selten gemacht. Die technischen Mitarbeiter sollten in den Prozess mit eingebunden sein. Ein Austausch zwischen den beiden Bereichen führt zu mehr Verständnis füreinander. Daraus ergibt sich auch eine bessere und verständlichere Kommunikation nach außen, wie zum Beispiel Stellenausschreibungen mit genau formulierten Rollen. Und: Entwickler sprechen gerne mit anderen Entwicklern. Was bei uns auf der Plattform sehr gut funktioniert ist zum Beispiel, wenn ein CTO, ein Head of Engineering oder ein technischer Leiter die erste Nachricht an einen Kandidaten selbst schreibt.
Binden von IT-Spezialisten: Entwicklungsmöglichkeit ist ausschlaggebend
Haufe Online Redaktion: Blicken wir über den Bewerbungsprozess hinaus, wenn Unternehmen also bereits IT-Fachkräfte von sich überzeugt haben: Welche Aspekte sind wichtig, um diese auch langfristig im Unternehmen zu halten?
Taner: Damit Leute, die man anwirbt, auch bleiben, muss man halten, was man im Recruiting verspricht. Wenn ein gutes Team zugesagt wird und dann arbeitet das Team nicht gut zusammen, ist das schon nicht so gut. Wenn man aber nach außen trägt, dass man eine gute Work-Life-Balance bietet und es Entwicklungsmöglichkeiten gibt und das wird nicht gelebt, dann wird es schwierig und führt zu Frustration und im schlimmsten Fall zur Kündigung. Das kommt in der Branche häufig vor.
Im Schnitt wechseln IT-ler alle 2,1 Jahre ihren Job. Die Möglichkeit oder eben die Unmöglichkeit, sich selbst zu entwickeln, ist da ein wichtiger Punkt. Man sollte also Chancen zur Weiterentwicklung und zum persönlichen Weiterkommen bieten. Da gibt es neben Entwicklungsbudgets viele Mittel, das innerhalb eines Unternehmens zu ermöglichen. Man sollte Entwickler auch mal neue Technologien ausprobieren lassen mit denen sie arbeiten wollen und Konferenzbesuche und so weiter anbieten.
Haufe Online Redaktion: Welche persönliche Erfahrung haben Sie in Bewerbungsprozessen gemacht?
Taner: Vor meinem Werdegang als Gründer hatte auch ich negative Erfahrungen als Bewerber gemacht – besonders in puncto Geschwindigkeit und Transparenz. Ich hatte beispielsweiser ein Bewerbungsverfahren bei einer Firma, die ich grundsätzlich interessant fand, wusste aber nicht, wo ich im Prozess stehe. Ich wurde immer wieder nochmal eingeladen und es kam dann noch ein Interview. Daraufhin habe ich proaktiv beim potenziellen Arbeitgeber nachgefragt, aber da kam erstmal keine Antwort. Dann habe ich mich für ein anderes Unternehmen entschieden, weil das Ganze einfach zu lange gedauert hat.
Kaya Taner kommt selbst aus der IT-Branche und ist Gründer und Geschäftsführer von Honeypot, einer Jobplattform für IT-Fachkräfte.
Das Interview führte Maxim Nopper-Pflügler von der Haufe Online-Redaktion.
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