Interview mit Thomas Resch zur New-Work-Fachgruppe beim BPM

Fokus auf Employer Branding, Effizienzsteigerung und Homeoffice – ist New Work eigentlich noch zu retten? "Ja", meint Thomas Resch, Agile Coach und "HRevoluzzer" bei der Metafinanz. Auf seine Initiative hin hat der Bundesverband der Personalmanager kürzlich eine New-Work-Fachgruppe gegründet, die er nun leitet.

Haufe Online Redaktion: Das Thema New Work ist durch die Pandemie zwar im Mainstream angekommen, hat aber stark an Vielfalt und Substanz verloren, wie etwa das New-Work-Barometer 2021 zeigt. Warum gründet der Bundesverband der Personalmanager (BPM) in dieser Ausgangslage eine Fachgruppe für New Work?

Thomas Resch: Gerade jetzt – zwischen Pandemie und Post-Pandemie – ist ein guter Zeitpunkt hierfür. Unternehmen müssen sich damit beschäftigen, wie sie sich neu aufstellen. Wenn alte Führungsinstrumente nicht mehr greifen und sich eine kritische Masse an Mitarbeitenden an eine neue Flexibilität gewöhnt hat, wird es schwer, das Rad komplett zurückzudrehen. Diese Verunsicherung, was nun richtig ist, birgt Chancen für New Work.

Wie der Wandel hin zu mehr New Work gelingen kann

Haufe Online Redaktion: Von dem humanistischen Ideal Frithjof Bergmanns, dass Beschäftigte durch neue Arbeit herausfinden sollen, was sie "wirklich, wirklich wollen", ist in der Praxis oft nicht viel übrig, außer die Arbeitszeit- und Arbeitsortsouveränität. Ist New Work überhaupt noch zu retten – und wenn ja, wie?

Resch: Ja, sowohl mit einem optimistischen Ansatz der ersten Schritte als auch Mut zum radikalen Wandel. Eine Regelung fürs Homeoffice reicht sicherlich nicht. Aber wenn es gelingt, Menschen Wege für New Work aufzuzeigen, kann aus kleinen Korrekturen ein tiefgreifender Wandel entstehen. Ich persönlich bin ein Fan der mutigen Schritte. Ich möchte am liebsten eine Revolution starten. Bei der Metafinanz haben wir die klassische Aufbauorganisation zerstört. Wir arbeiten in kleinen Teams von fünf bis zwölf Personen, die selbst für ihre Arbeitsweise, ihre Führung und ihren Gewinn oder Verlust verantwortlich sind. Eine solche Umstellung passt nicht für jedes Unternehmen. Aber das zeigt, dass bei allen Veränderungsschmerzen und Hindernissen auch ein radikaler Wandel funktioniert.

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Haufe Online Redaktion: Steht die neue New-Work-Gruppe beim BPM also für Idealismus oder für Pragmatismus?

Resch: Wenn wir ständig nur schönen Ideen nachhängen, die in der Praxis unmöglich sind, wäre das kontraproduktiv. Wegweiser sind wichtig – wenn man jedoch nur diese betrachtet, kommt man keinen Schritt weiter. Auf dem Weg zum Gipfel muss ich wissen, wo der Trampelpfad langgeht und wo es ein Seil zum Festhalten gibt. Auf das Abenteuer durch die Wildnis lässt sich wohl kaum ein Unternehmen ein – das ist realitätsfern. Mit der neuen Fachgruppe möchten wir Tourguide sein, die Vor- und Nachteile von bestimmten Pfaden aufzeigen und Tipps für die Aussichtspunkte und Orte für Austausch und Seilschaften geben. Mit der Angst vor dem Ungewissen und der Veränderung umgehen lernen – dazu möchten wir ermutigen.

Fachgruppe setzt auf Inspiration, Vernetzung und Professionalisierung

Haufe Online Redaktion: Wie soll das konkret aussehen?

Resch: Inspiration, Netzwerkbildung und Professionalisierung – die drei Dinge haben wir uns vorgenommen. Also zum einen werden wir zeigen, was in Sachen New Work alles möglich ist, zunächst in Online-Workshops. Dabei legen wir viel Wert auf Vernetzung. Denn wir brauchen für New Work Netzwerke und keine Einzelkämpfer. Mit der Zeit wird eine Professionalisierung entstehen – dass also die Personalerinnen und Personaler wissen, was sie tun und nicht blind irgendwelchen Trends folgen.

Der Compliance zum Trotz geht vieles, was HR bisher nicht für möglich hält, eben doch."


Haufe Online Redaktion: Oft hört man als Kommentar zu New-Work-Ideen von Unternehmen Sätze wie "das geht bei uns nicht" oder "das ist rechtlich nicht möglich". Was sagen Sie dazu?

Resch: Aus Überzeugung weiß ich: Heute schon tut sich so viel. Und es ist noch viel mehr drin. HR agiert im Spannungsfeld zwischen Compliance und neuer Führung. Und aus dem Grund birgt es auch das größte Potenzial. Mit Mitarbeiterentwicklung, Organisationsgestaltung oder Vergütung hat HR wichtige Veränderungshebel in der Hand. Der Compliance zum Trotz geht vieles, was HR bisher nicht für möglich hält, eben doch. Und wenn nicht, dann ist das ein Punkt, um politisch zu werden. Mit einem Verband im Rücken kann man auch mal Bundestagsmitglieder einladen und Veränderung über diese Schiene vorantreiben.

Entstehung der New-Work-Fachgruppe beim BPM und Ausblick

Haufe Online Redaktion: Sie sind schon sehr lange Mitglied im BPM. Wurden Sie gebeten, eine New-Work-Fachgruppe zu gründen oder war das Ihre Idee?

Resch: Bislang haben viele Fachgruppen und Business-Partner-Gruppen New Work so nebenbei gemacht. Dennoch sind wir ganz oft bei New-Work-Themen gelandet. Mein Impuls war dann, dass man das ganzheitlich betrachten und die Aspekte bündeln müsste. Das Präsidium und unsere Präsidentin Inga Dransfeld-Haase haben die Idee sofort sehr unterstützt.

Mein Ziel ist nicht die Fachgruppe, sondern die Profession als Ganzes voranzubringen."


Haufe Online Redaktion: Der BPM ist zwar ein relativ junger Verband, hat aber durchaus seine "Fürstentümer". Wittern andere Fachgruppen da nicht Konkurrenz?

Resch: Ich habe noch keine Fürsten getroffen (lacht). Nein, wir werden keine Konkurrenz sein, sondern Bereicherung. Ich bin ja Netzwerker: Wenn ich ein Thema auf die Agenda setzen will, dann binde ich die betroffenen Fachgruppen ein. Und ich bekomme Einladungen von anderen Gruppen. So schaffen wir ein ganzheitliches Verständnis. Mein Ziel ist nicht die Fachgruppe, sondern die Profession als Ganzes voranzubringen.

Haufe Online Redaktion: Wie "new-workig" ist also der BPM?

Resch: Ein Verband besteht immer aus Personen. Wir haben die ganze Vielfalt an Personalinnen und Personalern im Verband – zum Glück! Denn nur so können wir die Gesamtheit von HR widerspiegeln. Natürlich sind da nicht alle New-Work-Vorreiter. Aber ich war überrascht, wie leichtgängig und wie schnell wir die Gruppe gründen konnten. Das war eine Hands-on-Mentalität, die eine gute Basis für New Work ist.

Haufe Online Redaktion: Communitys leben davon, dass sich unterschiedliche Menschen einbringen. Wie macht man ein Netzwerk zum echten Netzwerk?

Resch: Wer ein Netzwerk aufbaut, muss zunächst die gemeinsame Energie erkunden. Es muss für alle Teilnehmenden Mehrwert stiften. Wir sind bewusst in der Phase, auszuloten, welchen Purpose wir uns geben – durch Austausch, Impulse und Weiterbildung. Wenn die Pandemie-Situation es zulässt, werden wir im nächsten Schritt durch Deutschland touren und an verschiedenen Standorten lebendige Zellen starten.

Resch teilt sich die Führungsarbeit mit Sabrina Dick und Dr. Bernd Blessin

Haufe Online Redaktion: Wie schaffen Sie es zeitlich, sich neben dem Job bei der Metafinanz und der Familie so stark im BPM zu engagieren?

Resch: Es ist ohne Frage ein zeitlicher Aufwand. Mir hilft eine starke Priorisierung und Fokussierung. Zum anderen arbeite ich stets in Teams. So teile ich mir die Führung der Fachgruppe mit Sabrina Dick von der SAP und Dr. Bernd Blessin von der VPV Lebensversicherungs-AG. Wir werden am Anfang anschieben müssen. Zugleich möchten wir motivieren, nicht nur Teilnehmende, sondern auch Teilgebende zu werden. Dadurch ist es mir sogar möglich, den Montag ganz meinem Nachwuchs in der Familie zu widmen und die berufliche Entwicklung meiner Frau zu unterstützen.

Haufe Online Redaktion: Was wäre, wenn die Fachgruppe in den nächsten zwei Jahren nicht angenommen wird?

Resch: Zu New Work gehört schnelles Lernen. Und sich kritisch mit Schattenseiten von Ansätzen zu beschäftigen. Es gibt keine Erfolgsgarantie. Damit meine ich nicht, dass es um Scheitern oder Fehlerkultur geht, wie es so oft heißt. Denn das suggeriert die Erwartungshaltung, dass alles nach Plan laufen muss und wenn nicht, ist man total überrascht. Wenn die Fachgruppe nicht funktioniert, dann sind wir nicht gescheitert, sondern dann haben wir halt gelernt, dass das Thema gerade nicht relevant ist oder falsch angegangen wurde. Danach sieht es derzeit jedoch nicht aus. Die Resonanz ist riesig.


Zum Interviewpartner:

Thomas Resch ist als Agile Coach, Trainer sowie Organisationsentwickler für die Metafinanz (Allianz Gruppe) tätig. Er leitet beim BPM die New-Work-Fachgruppe, die er selbst initiiert hat.


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