Das sollten Sie im Umgang mit Startups für HR-Tech vermeiden


Kolumne HR Tech: Tipps für den Umgang mit Software-Startups

Unternehmen können von der Zusammenarbeit mit HR-Tech-Startups enorm profitieren. Voraussetzung für eine erfolgreiche Kooperation ist jedoch, dass die Projektverantwortlichen einige Spielregeln einhalten, weiß unser Kolumnist Thomas Otter aus langjähriger Erfahrung.

In den letzten zwei Jahren habe ich viel Zeit damit verbracht, HR-Tech-Startups zu beraten und zu coachen. Es macht viel Spaß und oft lerne ich von ihnen genauso viel wie sie von mir. Ich bringe meine Erfahrung ein - mit der Skalierung von Produkten und wie Unternehmen HR-Technologie einkaufen und nutzen. Ich erlebe, wie frische Köpfe alte und neue Herausforderungen angehen. Für Startups und Scale-ups kann die Zusammenarbeit mit großen Unternehmen herausfordernd sein. Die Ursachen dafür sind vielfältig.

Was im Umgang mit Tech-Startups zu beachten ist

Klar, es gibt Unternehmen, die gut und erfolgreich mit Startups zusammenarbeiten – keine Frage! Doch gibt es auch solche – und leider sind es nicht wenige –, die dies nicht tun. Ich möchte diese Kolumne nutzen, um einige Beispiele dafür zu geben, wie Unternehmen den Erfolg und das Potenzial von Startups im Keim ersticken. Einige dieser Verhaltensweisen sind leicht zu vermeiden, andere erfordern einen guten Blick in den Spiegel.

1. Behandeln Sie Startups nicht wie große Anbieter

Große Anbieter können lange Verkaufszyklen und mehrere Buying Center (Einkaufsgremien) bewältigen. Sie verfügen über erfahrene Account Manager, strukturierte Account-Pläne und haben Scharen von Anwälten, die Verträge prüfen und aushandeln. Der Verhandlungsprozess zwischen Unternehmen und den großen Anbietern ist komplex und die Verkaufszyklen dauern oft ein Dreivierteljahr oder länger. Während ein neunmonatiger Verkaufszyklus sinnvoll sein kann, wenn Sie zehn Millionen Euro pro Jahr ausgeben, ist dieses Maß an Selbstprüfung und Bürokratie einfach verschwenderisch, wenn Sie beispielsweise 150.000 Euro pro Jahr für ein Startup ausgeben. Sparen Sie sich die Verhandlungsspiele für die Lieferanten Ihres Unternehmens.

2. Involvieren Sie den Datenschutzbeauftragten frühzeitig

Letzte Woche habe ich mit einem Startup gesprochen, das seit über neun Monaten mit einem Unternehmen an einem Vertrag über 200.000 Euro pro Jahr gearbeitet hat. In letzter Minute hörte der Datenschutzbeauftragte des Unternehmens von dem Projekt und legte es auf Eis. Da die Lösung personenbezogene Daten verarbeitet, war es richtig, dass er beteiligt wurde. Die Lösung erfüllte zwar die Datenschutzanforderungen, es dauerte jedoch weitere vier Monate, bis das Unternehmen den Vertrag unterzeichnete. Hätte das Unternehmen den Datenschutzbeauftragten früher in den Prozess einbezogen, hätte es keine Verzögerung gegeben. Beziehen Sie die Datenschutzbeauftragten und Betriebsräte frühzeitig in das Projekt ein.

3. Vermeiden Sie lange Pilotphasen oder taktisches Geplänkel

Ein Pilotprojekt kann sowohl dem Startup als auch dem Unternehmen helfen, dauert aber häufig zu lange. Führen Sie das Pilotprojekt fokussiert und zügig durch und treffen Sie anschließend eine Go- oder No-Go-Entscheidung für einen weiteren Rollout. Dazu sollten Sie sich Ihrer Entscheidungskriterien für den Erfolg des Piloten im Klaren sein. Sonst droht eine Hängepartie. Noch schlimmer als eine endlose Pilotphase ist, wenn Unternehmen diese lediglich als Proof-of-Concept durchführen und das Startup somit für ihre Verhandlungen mit großen Anbietern instrumentalisieren. Damit bremsen Sie nicht nur die Gründer und deren Idee aus, Ihr Taktieren wird sich in der Startup-Szene herumsprechen und auf wenig Verständnis stoßen.

4. Verlangen Sie kein maßgeschneidertes Projekt statt eines Produkts

Startups wollen Lösungen entwickeln, die viele Benutzer begeistern, nicht nur Sie. Eine SaaS-Lösung ist kein maßgeschneidertes Beratungsprojekt. Das Startup möchte Ihre geschäftlichen Probleme und Herausforderungen verstehen und dann eine innovative Lösung finden, die Ihnen und anderen hilft. Es sollte nicht dazu gedrängt werden, das zu bauen, was Sie verlangen. Nur weil Sie groß und mächtig sind, heißt das nicht, dass Sie die Roadmap der Gründer umschreiben sollten. Lernen Sie von Anfang an, ein "Nein" des Startups zu akzeptieren.

5. Beharren Sie nicht auf internen Standards

SaaS-Produkte müssen Industriestandards wie ISO27001, SOCII, DPIA oder WCAG erfüllen. Unternehmen können deren Einhaltung also zu Recht einfordern. Sie können jedoch nicht erwarten, dass die Standard-SaaS-Software Ihren eigenen internen IT-Standards entspricht. Und bitten Sie sie nicht, das Produkt in Ihrem Rechenzentrum zu hosten, es sei denn, Sie sind Amazon, Microsoft oder Google. Führen Sie auf jeden Fall einen Pen-Test durch, aber testen Sie erneut, was für das Startup spezifisch ist, und nicht für alle AWS (Amazon Web Services). Von Ihnen zu verlangen, dass sie den Release-Zyklus bestimmen, ist auch nicht klug, da Sie Innovationen nur langsam einführen und die Innovationsfähigkeit des Startups mit einbeziehen werden. Mehrere Codezeilen zu haben, ist mühsam. Cloud/SaaS ist nicht vor Ort verfügbar. Ich rate Startups, sich von Geschäften zu entfernen, die die Produktarchitektur und Innovation gefährden.

6. Verzichten Sie auf Vertragspoker

SaaS-Verträge sollen für alle Kunden gleich sein, insbesondere bei Bedingungen wie Service-Level-Agreements. Machen Sie den Vertrag auf deren Papier, nicht auf Ihrem. Wenn Ihre Anforderungen angemessen sind, sollte das Startup diese Bedingungen in seinen Standardvertrag aufnehmen. Wenn Sie Ihre Produkt-Due-Diligence-Prüfung durchgeführt haben, unterzeichnen Sie einen fairen Mehrjahresvertrag, natürlich mit Kündigungsrechten aus triftigem Grund. Ich bin mir außerdem nicht sicher, warum heute mehr als 30 Tage Zahlungsziel gerechtfertigt sind. Mit Startup Einkaufsspielchen zu spielen und Zahlungen hinauszuschieben, ist kleinlich. Es mag in Ihrer Kreditorenstatistik gut aussehen, Partnerschaften entstehen so nicht.

7. Vermeiden Sie überkomplizierte Integrations-Frameworks

Die meisten modernen SaaS-Startups verfügen über bessere APIs und Integrationsoptionen als die von IT-Abteilungen in Unternehmen. Zwingen Sie den Startups keine antiquierten Integrations-Frameworks auf, insbesondere nicht in der Pilotphase.

8. Verlangen Sie keine Sonderbehandlung für Geschäftsbereiche

Wenn Geschäftsbereiche großer Unternehmen Software einkaufen, bedeutet das für Startups häufig das Schlechteste aus beiden Welten. Einerseits verursachen die Bereiche lange Verkaufszyklen, da sie häufig internen Freigabeprozessen unterliegen, anderseits verlangen sie in der Manier eines Großunternehmens Rabatte und Premium-Services, die der Höhe des eigentlichen Auftrages in keiner Weise entsprechen. Dass dabei ein Rahmenvertrag für das Startup mit dem Gesamtunternehmen herausspringt, der den Aufwand rechtfertigen könnte, ist nicht garantiert.

9. Verzichten Sie auf Geheimhaltungsvereinbarungen im Marketing

Lassen Sie das Startup den Deal bekannt geben, und noch besser, Sie verkünden ihn anschließend auch selbst. Wenn Sie nicht zulassen, dass das Startup das Geschäft erwähnt, beschränken Sie dessen Möglichkeit, mehr Kunden zu gewinnen, was in Ihrem Interesse liegen sollte. Je besser Sie als Referenz werden, desto besser wird Ihr Support und Ihr Einfluss auf die Roadmap werden.

10. Beiratssitze besetzen

Große Unternehmen fordern im Rahmen der Transaktion häufig einen Sitz im Produktbeirat. Die besten Beiräte setzen sich aus Personen zusammen, die ein echtes Interesse am langfristigen Erfolg des Produkts haben. Wenn es in Ihrer Organisation einen Mitarbeiter gibt, der voller innovativer Ideen und Energie ist, ermutigen Sie ihn, sich freiwillig für den Beirat zu melden. Fordern Sie jedoch keine Stimmrechte für die Roadmap, nur weil Sie ein großer Kunde sind.

Wenn Sie diese zehn Stolperfallen vermeiden, steht einer erfolgreichen Zusammarbeit mit einem Startup nichts im Wege - und womöglich werden Sie überrascht sein, wie das gemeinsame Projekt ihre kühnsten Erwartungen übertrifft.


Thomas Otter ist Gründer von Otter Advisory und berät große und kleine Unternehmen, Investoren und HR-Tech-Anbieter. Zuvor leitete er das Produkt-Management bei SAP Success Factors und war Research Vice President bei Gartner für HR Tech. Das Zusammenspiel von HR und Technologie fasziniert, desillusioniert und inspiriert ihn immer wieder. 


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