Wie Startups den HR-Softwaremarkt beleben
Die Neugründungen im HR-Softwaremarkt nehmen rasant zu und Venture Capital fließt vermehrt in diese Richtung. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Der HR-IT-Markt wächst. Die Digitalisierung und der Fachkräftemangel zwingen die Unternehmen zum Handeln und damit zum Investieren. Bei der Mitarbeitergewinnung, -entwicklung und -bindung wird vom Personalbereich exzellente Performance verlangt. Mit bisherigen Workflows und bestehender HR-Software wird das immer schwieriger. Genau dafür haben HR Tech Startups, die im Vergleich zu anderen IT-Gründungen beispielsweise im Bereich Finance noch als „Hidden Champions“ gehandelt werden, innovative Lösungen.
Chancen eröffnen sich für HR Tech Startups in zweierlei Hinsicht. Zum einen entwickelt sich der B2B-Markt für HR-Software weiterhin sehr gut. Zum anderen bieten die großen HR-Core-Hersteller, wie Workday, SAP Successfactors und Oracle, Drittanbietern die Möglichkeit, ihre Lösungen in die Plattformen zu integrieren. Diese Öffnungsstrategie kam nicht ganz freiwillig. Doch der rasche technische Fortschritt und die Anforderungen von New Work ließen ihnen keine andere Wahl. Sie können schlichtweg nicht jede Spezialanforderung selbst entwickeln. Um sich also weiterhin auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren zu können und damit die zentrale HR-Plattform zu bleiben, öffnen sie diese über Schnittstellen für Speziallösungen.
Einer der lukrativsten Bereiche für HR-Software ist nach wie vor das Recruiting, insbesondere Applicant-Tracking-Systeme. Jedes größere Unternehmen ist hier seit langem auf Softwareunterstützung angewiesen, um geeignete Kandidaten zu identifizieren, anzuwerben und an sich zu binden. Das 2017 gegründete und mit dem HR Innovation Award 2019 ausgezeichnete Hamburger Startup Verlingo bietet eine Lösung, die durch den Einsatz von Neuro-Linguistischem Programmieren (NLP), Machine Learning und Künstlicher Intelligenz (KI) Dokumente klassifiziert und deren Inhalt semantisch und optisch analysiert. Dies ermöglicht die Aufbereitung der Bewerbungsunterlagen in einheitlicher Form inklusive Analyse der Arbeitszeugnisse.
Zugang zu einer Milliarde Talenten
Die Macher von Talentwunder sind über die Startphase schon hinaus und bereits gut im Geschäft. Die SaaS-Lösung bietet eine Suchmaschine, die geeignete Kandidaten aus über 70 Netzwerken mit insgesamt mehr als einer Milliarde Profilen darunter LinkedIn, Xing, Behance, Facebook, Meetup, Github und Twitter herausfiltert. Big-Data-Analysen helfen zudem, die Kandidaten nach Wechsel- und Umzugswahrscheinlichkeit zu priorisieren. Ergänzend unterstützt die Software auch die projektbezogene Teamarbeit mit netzwerkübergreifenden Talentpools. Mo-Berries ist mit seinem „SaaS Recruitment Network“ ebenfalls erfolgreich unterwegs. Die Technologie nutzt ein auf KI basierendes Rankingsystem, welches bestehende Standards für Matching-Systeme zukünftig revolutionieren könnte. Alle Partnerunternehmen tragen zu einem gemeinsamen Talentpool bei und erhalten im Gegenzug eine vorgefilterte Auswahl an geeigneten Kandidaten. Das Berliner Machine-Learning Startup Bunch-AI hat einen ähnlich vielversprechenden Algorithmus entwickelt, mit dem sich messen lässt, ob ein Bewerber in ein Team passt. Die Software kann auf Basis psychometrischer Daten Mitarbeiter empfehlen und auch bestehende Teams verbessern. Dabei wird die interne Kommunikation, unter anderem mit dem Messenger Slack, analysiert.
Vertikale Lösungen für besondere Bedürfnisse
Genauso zukunftsweisend sind Speziallösungen für bestimmte Zielgruppen. Talent-IO führt mittels intelligenter Algorithmen Tech-Jobs und entsprechend ausgebildete Kandidaten zusammen. Auch für Nichtakademiker gibt es passende Plattformen. So hat Jobmatchme 2016 damit begonnen LKW-Fahrer und Speditionen anhand einer innovativen Matching-Software zusammen zu bringen und möchte dies auf weitere nichtakademische Berufsgruppen ausdehnen. Spezialisiert auf den Bereich Vetrieb ist Retorio aus München. Seit 2018 bieten sie eine browserbasierte Anwendung, mit der Sales Recruiting und Training optimiert werden kann. Anhand eines kurzen Videos und eines KI-basierten Assessments erstellt die Software automatisch unter Berücksichtigung von Persönlichkeitsmerkmalen und Kommunikationsverhalten ein Ranking der Kandidaten. Zudem bietet die Software ein Sales-Trainingstool mit sofortigem Feedback, Benchmarking und Empfehlungen für die Weiterentwicklung. Gute Erfolgsaussichten hat auch das 2017 gegründete Startup 100 Worte mit seinem KI-basierten psychologischen Sprachanalysetool, das unter anderem die Kandidatenauswahl im Recruiting verbessert. Psychological AI identifiziert Stimmungen, Motive und Persönlichkeitsmerkmale.
Von Selbstreflektion bis Streitschlichten
Das Exist-Gründerstipendium 2018 erhielt Sklls. Das Startup unterstützt Unternehmen ebenfalls beim Recruiting sowie bei der Talent-Bindung und -Entwicklung. Das Bewerbertool bereitet die Kandidaten bereits im Vorfeld auf das Einstellungsgespräch vor. Dazu kommt ein digitaler Entwicklungsassistent, der Young Professionals mit psychologischen Methoden aus dem Business Coaching unterstützt. Ohnehin boomen die „digitalen Assistenten“. So bietet Ellistra seit 2016 eine mobile App, die die Resilienz der Mitarbeitenden fördert, die Softskills entwickelt und das Engagement erhöht. Ein Chatbot ermöglicht es den Mitarbeitenden ihr Verhalten kontinuierlich zu reflektieren. Mehr als 500 hinterlegte Handlungsmuster, die auf neurowissenschaftlichen Erkenntnissen basieren, helfen dabei Schwierigkeiten zu überwinden und neue Handlungsmuster zu adaptieren. Ein Monitoring-System unterstützt anschließend die Verhaltensänderung.
Gewagte Idee: Sinnfragen per App klären
Das Wohlbefinden der Mitarbeitenden ist auch für Mondayrocks bedeutend. Die Teammanagement-App, die auf psychologischen Algorithmen beruht, stellt den Sinn der Arbeit jedes Einzelnen in den Mittelpunkt. Die optimale Teambesetzung, die die Software ermittelt, verbessert das Employee Engagement. Die Optimierung der Teams, die Begleitung der Veränderungsprozesse und die Analyse der Teamkultur stehen im Fokus. Innocado wurde 2018 gegründet und hat bereits mehrere Auszeichnungen erhalten. Die Software verspricht ebenfalls ein intelligentes Matching für Teams, hat dabei jedoch mehr die Innovationsförderung im Blick. Den Nutzern werden in ihrem Feed entsprechend ihren Fähigkeiten und Interessen Projekte vorgeschlagen. Alle Nutzer sind auf der Plattform anonym, also GDPR-konform. Kreative Produktideen, Problemlösungen und Wissenstransfer sind dadurch bereichs- und hierarchieübergreifend möglich. Innovationsförderung und das Vorantreiben des Changemanagements ist auch ein Anliegen des erst 2019 gegründeten Startups Echometer. Im Fokus des Feedbacktools stehen das Engagement, die Loyalität und das Wohlbefinden der Mitarbeitenden. Es ist eine gute Kombination aus wissenschaftlichen Methoden und innovativer User Experience. Echometer sammelt und analysiert Mitarbeiterumfragen und liefert datenbasiert Empfehlungen zur Verbesserung der Unternehmenskultur.
Mit Brot-und-Butter-Geschäft zum Milliardenunternehmen
Noch mehr datenbasierte Unterstützung bei HR-Entscheidungen entlang der gesamten HR-Wertschöpfungskette bietet Function HR. Das Spin-Off der LMU München verspricht einen Zugang zu People Analytics auch ohne tiefgreifende Vorkenntnisse. Seit 2016 entwickelt Function HR eine inzwischen preisgekrönte Softwarelösung, das HR Keyboard, für People Analytics und unterstützt durch den Einsatz von Statistik, Machine Learning und KI die HR-Entscheidungen in Unternehmen. Das HR Keyboard bietet Analysen, Prognosen und Simulationen. Die ganze Bandbreite von HR-Prozessen abzudecken, ist auch das Ziel des 2015 gegründeten und seither stark wachsenden Münchner Start-ups Personio. Die Tech-Beratung GP Bullhound nahm Personio vor kurzem in eine Liste von 50 europäischen Start-ups auf, denen zugetraut wird, mittelfristig eine Milliardenbewertung zu erzielen. Personio offeriert ein Betriebssystem inklusive HR-Core, an das auch andere Softwaremodule angedockt werden können, für die Personalverwaltung von KMUs. Eine schlanke Lösung, die Unternehmen mit etwa zehn bis 2.000 Mitarbeitern hilft, ihre HR-Prozesse zu digitalisieren.
Der vollständige Beitrag erschien im Personalmagazin plus "HR-Software: Markttrends und Anbieterübersicht".
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