Das Marketing ist schuld am Fachkräftemangel. Starker Tobak, oder? Tatsächlich ist es aber so, dass die Marketingabteilungen in den Unternehmen wesentlich dazu beitragen. Genauer gesagt, handelt es sich (mit Ausnahmen natürlich) weniger um einen wirklichen Mangel. Vielmehr ist es so, dass oft nicht die richtigen Wege bei der Personalbeschaffung beschritten und einzelne Bemühungen konsequent vom Marketing blockiert werden.
Streit um die Webpräsenz des Personalmarketings
So ist es leider nach wie vor keine Seltenheit, dass in Unternehmen immer noch um den „Karriere-Button“ gerungen wird – also dem prominent platzierten Menüpunkt auf der Unternehmens-Website, der den Arbeitgeber ins rechte Licht rückt und über Jobs informiert. Wo finden Sie Ihre Bewerber besser, als da, wo Sie Ihre Zielgruppe direkt und aktiv ansteuert? Nehmen Sie einen Maschinenbauer, eine Bank, einen Onlineshop – wer gelangt auf deren Website? Kunden, Wettbewerb, Lieferanten, Partner, sonstige Interessenten. Alles also Menschen, die sich für Ihre Produkte und Ihr Unternehmen interessieren. Schneller kommen Sie Ihrer Zielgruppe nie wieder so nah! Und wenn Sie ihr dann noch einen gut sichtbaren Hinweis auf Jobs- und Karriereperspektiven bieten – besser und naheliegender geht‘s nimmer!
Leider haben Sie die Rechnung ohne die Marketingabteilung gemacht. Da heißt es dann: „Oh nein, in der Hauptnavigation ist für Karriere kein Platz. Das können wir doch unter Unternehmen subsumieren. Oder in den Footer packen. Das ist doch ohnehin gängiger Standard.“ Kommt Ihnen bekannt vor? Nicht alles, was gängiger Standard ist, ist gut. Schauen Sie sich die Lemminge an: nur weil einer es vormacht, stürzen sich alle ins Meer. Ist das gut? Nur weil alle den Jobs-Button in den Fußbereich packen – ist das gut? Im Gegenteil: Sie verschenken wertvolles Potenzial. Das derjenigen, die gar nicht aktiv auf Jobsuche sind, deren Neugierde Sie aber wecken können.
Unternehmensmarke dominiert die Arbeitgebermarke
Nur sorgt leider das Marketing dafür, dass die passenden Bewerber nicht zu Ihnen finden. Ein anderes Beispiel, bei dem sich diese Blockadehaltung zeigt: Stellenanzeigen. Da wird dann nicht direkt auf die Karriereseite, sondern nur auf die Homepage verlinkt. Und der Bewerber kann sehen, ob und wo er den Jobs-Link findet. Oder aber man verweist nicht auf die mühevoll eingerichteten Social Media-Präsenzen. Klar, ist ja alles nicht vereinbar mit den CD-Richtlinien.
Einfluss des Personalmarketings ist zu gering
Während das Marketing die graue Eminenz darstellt, viel Einfluss ausübt und einen hohen Stellenwert bei Vorstand und Geschäftsführung genießt, ist das Personalmarketing eher die graue Maus (wenn es denn überhaupt einen eigenen Bereich dafür gibt), die verwaltet – anstatt zu gestalten.
Paradox: Laut der Employer Branding Studie von der Agentur Index hat die Mitarbeitergewinnung zwar durchaus eine hohe Bedeutung in den Unternehmen. Strategisch verankertes Personalmarketing finden Sie aber kaum. Und nach Kienbaum-HR Trendstudie spürt zwar ein Großteil der befragten Unternehmen den Fachkräftemangel bereits deutlich, trotzdem hat das Personalmarketing kaum Priorität.
Was ist da los? Kein Unternehmen kann ohne passende Mitarbeiter existieren. Und die zu finden, fürs Unternehmen zu begeistern und zu gewinnen ist Aufgabe des Personalmarketings. Marketing kann das nicht leisten. Das Problem: Personaler haben ein zu geringes Standing in den Unternehmen. Das bestätigt auch die „HR 4 HR“-Studie von Kienbaum: Nicht einmal 20 Prozent der befragten Manager bewerten das Image von HR so gut, wie das anderer Abteilungen (Marketing eingeschlossen).
Mehr Standing für HR im Unternehmen entwickeln
Personaler sollten sich infolgedessen wichtiger nehmen, des wachsenden Stellenwerts des Personalmarketings für die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens bewusst werden und „frechmutig“ agieren – weg von der grauen Maus, hin zum Gestalter.
Und das Marketing? Sollte sich darauf einstellen, die Bemühungen der Kollegen zu schätzen wissen und den Schulterschluss wagen. Denn auch die Marketingabteilung ist vom Fachkräftemangel betroffen und braucht den Nachwuchs. Wetten, dass?
Henner Knabenreich ist Geschäftsführer der Knabenreich Consult GmbH. Er berät Unternehmen bei der Optimierung ihres Arbeitgeberauftritts. Zudem ist er Initiator von www.personalblogger.net und betreibt selbst den Blog personalmarketing2null.de.
Aber die Praxis zeigt tatsächlich, dass selbst dann die eigentliche Jobsuche immer noch ein schweres Unterfangen ist.
Es hängt für mich viel von der Branche ab. Ja, ohne Mitarbeiter läuft kein Unternehmen. Aber da gibt es durchaus ja Unterschiede. Beratungen, Dienstleister etc sollten "Karriere" auf ihrer homepage "schreien"! In Produktionsunternehmen die viel mit Leiharbeitnehmern arbeiten und in der wirklich das Produkt im Vordergrund steht und verkauft werden muss, sehe ich das etwas entspannter. Oder?
Herzlichen Gruß,
Henrik
stimmt, Stellenangebote zu verstecken ist keine gute Idee. Es ist sogar eine verdammt schlechte. Denn was immer wieder gerne übersehen wird, dass es eben nicht nur um die aktiv Suchenden geht. Sondern um die, die dich als Arbeitgeber noch nicht auf dem Schirm haben. Aber vielleicht als Kunde, Wettbewerber, Partner oder sonstiger Interessent. Wenn du sie gar nicht auf neugierig machst, ihnen keinen Anreiz verschaffst, werden sie niemals auf dich als Arbeitgeber aufmerksam. Welche Auswirkungen das haben kann, zeigt sehr schön das Beispiel von Philips: Hier entschied man sich damals, den Karriere-Button, der bis dato gut präsent auf der Website prangte, gut zu verstecken. Die Entscheidung war verheerend: Nur noch nahezu die Hälfte wurden als Besucher = potenzielle Bewerber verzeichnet. Kann sich das ein Unternehmen erlauben? Wohl kaum.
Auch sonst ist dringend davon abzuraten, den Button irgendwo gut versteckt zu platzieren. Denn der nächste Arbeitgeber ist nur einen Mausklick entfernt. Und da findet der Bewerber im Zweifel auf einen Blick die Bewerbungsmöglichkeit. Und schon isser weg. Kann sich das ein Unternehmen erlauben? Wohl kaum! Und das ist tatsächlich branchenunabhängig :-)
Warum also sollte man dem Bewerber Steine in den Weg legen? Genau das tut aber in vielen Fällen das Marketing. Weil es seine Hoheit gewahrt wissen will. Mehr dazu in Kürze auch bei mir im Blog.
Herzlichen Gruß zurück,
Henner