Gesamtkonzept ist die größte Herausforderung


Kolumne Talentmanagement: Herausforderung Gesamtkonzept

Talente finden, fördern, binden – dieser Dreiklang birgt viele Zwischentöne und sorgt auch für Missklänge in Unternehmen. Talentmanagement-Experte Martin Claßen gibt in seiner Kolumne Ein- und Ausblicke in die Talentwelt. Heute: Die größte Herausforderung im Talentmanagement.

Die mit Abstand bedeutendste Herausforderung im Talentmanagement ist die Entwicklung eines Gesamtkonzepts. Dies sagen Theoretiker wie etwa die Autoren eines Talentmanagement-Klassikers, die beiden Berner Professoren Adrian Ritz und Peter Sinelli: "An Handlungskraft und Erfolg auf dem Arbeitsmarkt werden nicht jene Organisationen gewinnen, welche über ausgeklügelte, vielfach sehr kostspielig entwickelte und IT-gestützte Systeme verfügen. Vielmehr werden jene Organisationen ein nachhaltiges Talentmanagement aufzubauen vermögen, die erstens auf die Integration in das bisherige Personalmanagement sowie dessen Prozesse achten und zweitens die Zusammenarbeit bei der Entwicklung eines Talentmanagements zwischen der Personalabteilung und der Linie höchste Priorität einräumen".

Und diese Aussage bestätigt die Empirie. Die Vielfalt der Herausforderungen und die Unterschiede von Unternehmen verhindern simple Lösungswege. Die Entwicklung eines stimmigen Gesamtkonzepts gilt deswegen als "Challenge Number One" im Talentmanagement, sagen zahlreiche Studien von Consultants (IBM 2010, Kienbaum 2011, Deloitte 2011, BCG/WFPMA 2012 und viele andere) sowie meine eigene Beratererfahrung. Talentmanagement steht und fällt mit dem Zusammenhang und Zusammenklang der vielfältigen Aktivitäten. Die alles andere als leicht unter ein schlüssiges Talentmanagement-Dach – als Gesamtkonzept – zu integrieren sind.

Die entscheidende Leitfrage im Talentmanagement

Bei alledem gibt es für Talentmanagement eine zentrale Leitfrage, als Ausgangspunkt: „Was müssen wir heute in unserem Unternehmen machen, damit wir morgen bei uns die richtigen Mitarbeiter haben, um übermorgen in unseren Märkten weiterhin erfolgreich zu sein?“ Wobei sich „richtige Mitarbeiter“ in kompetent plus engagiert plus loyal und am liebsten sogar noch veränderungsfähig übersetzt.

Es gibt unzählige Antworten auf diese Leitfrage. Die in akademische und pragmatische Vorschläge zur Strukturierung der Talentmanagement-Herausforderung übersetzt wurde und natürlich in zahlreiche Konzeptionsvorschläge auf Beratercharts. Die Eingabe des Stichworts "Talentmanagement" in die Bilderfunktion von Google ergibt ein kunterbuntes und formenreiches Bild. Zur Strukturierung dieser Kolumne gestatte ich mir meinen eigenen Talentmanagement-Navigator kurz vorzustellen. Denn diese Kolumne wird sich über die nächsten Wochen und Monate aus der gesamten Bandbreite an Themenfeldern bedienen.

Die acht Bausteine des Talentmanagements

Dieser Navigator besteht aus insgesamt acht Elementen: Zunächst die Eigenverantwortung jedes Einzelnen für seine Karriere (selbstverständlich!) sowie die zentrale Rolle von Führungskräften beim Talentmanagement (ebenso selbstverständlich!). Drittens muss die konzeptionelle und argumentative Basis gelegt sowie viertens ein Vorgehensmodell und Gesamtkonzept umgesetzt werden. Im Kern besteht Talentmanagement aus vier Eckpfeilern: Anziehung von Talenten, deren Entwicklung, ihr Einsatz im Unternehmensalltag und deren Bindung.

Talente einsetzen und Talente entwickeln

Wichtig dabei ist die Unterscheidung von Talententwicklung und Talenteinsatz. Letzteres wird beim Talentmanagement oft vergessen. Entsprechend der 70/20/10-Regel von Michael M. Lombardo and Robert W. Eichinger aus dem Jahr 1996 finden Lernen und damit persönliches Wachstum zu mehr als zwei Dritteln in der täglichen Berufsausübung statt, zu 20 Prozent durch Feedback wie Mentoring und Coaching im Alltag und lediglich zu zehn Prozent in Formaten klassischer Weiterbildung. Talentmanagement ist also weniger etwas Additives wie Training, sondern primär die Verbesserung von Führung und "Guidance" im Alltag des Unternehmens – durch erstklassige Führungskräfte.

Martin Claßen hat 2010 das Beratungsunternehmen People Consulting gegründet. Talentmanagement gehört zu einem seiner fünf Fokusbereiche in der HR-Beratung.