Studie: Maschinelles Lernen erhöht Arbeitsbelastung

Neue Forschungsergebnisse der ESMT Berlin zeigen, dass der Einsatz von maschinellem Lernen am Arbeitsplatz die Genauigkeit menschlicher Entscheidungen verbessert. Gleichzeitig steigt durch den erhöhten kognitiven Aufwand die Arbeitsbelastung der Entscheiderinnen und Entscheider.

Der Einsatz von Maschinen erhöht die Arbeitsbelastung des Menschen am stärksten, wenn dieser kognitiv eingeschränkt ist, also beispielsweise unter Zeitdruck steht oder Multitasking betreibt. Das belegen neue Untersuchungen der Business School ESMT Berlin. Das ist insofern bemerkenswert, als dass Entscheidungsträger besonders dann gerne KI-Anwendungen einsetzen würden, wenn ihre Arbeitsbelastung am größten ist – und sie sich dadurch eine Entlastung erhoffen.

Das Gegenteil scheint der Fall zu sein, wie die Forschung nahelegt. Statt Entscheidungsprozesse durch den Einsatz der Technologie zu beschleunigen, erhöht sich damit der kognitive Aufwand für die Entscheider. Somit steigt die empfundene Arbeitsbelastung zusätzlich.

Maschinelle Unterstützung für menschliche Stärken

Die Forscherinnen und Forscher fanden auch heraus, dass maschinelle Eingaben zwar immer die Gesamtgenauigkeit menschlicher Entscheidungen verbessern, aber auch die Wahrscheinlichkeit bestimmter Fehlertypen, wie beispielsweise falsch positiver Ergebnisse, erhöhen können. Für die Studie wurde ein Modell des maschinellen Lernens verwendet, um die Unterschiede in der Genauigkeit, der Neigung und dem Ausmaß der kognitiven Anstrengung von Menschen zu ermitteln, wobei ausschließlich von Menschen getroffene Entscheidungen mit maschinell unterstützten Entscheidungen verglichen wurden.

"Die rasche Einführung von KI-Technologien in vielen Unternehmen hat in letzter Zeit die Befürchtung aufkommen lassen, dass KI den Menschen bei bestimmten Aufgaben irgendwann ersetzen könnte", sagt Francis de Véricourt, Professor an der ESMT Berlin. "Wenn sie jedoch zusammen mit menschlichem Verstand eingesetzt werden, können Maschinen die ergänzenden Stärken des Menschen erheblich verbessern", sagt er.  

Einsatz von KI bedingt kognitive Anstrengung

Menschen sollten sich aber auch bewusst sein, dass Maschinen zwar unglaublich genaue Informationen liefern können, der Mensch aber oft noch eine kognitive Anstrengung unternehmen muss, um seine eigenen Informationen zu bewerten und das Rezept der Maschine mit seinen eigenen Schlussfolgerungen zu vergleichen, bevor er eine Entscheidung trifft. Die Forschung zeigt, dass der Grad der kognitiven Anstrengung steigt, wenn Menschen unter Druck stehen, eine Entscheidung zu treffen.

"Maschinen können aufgrund ihrer Rechenleistung bestimmte Aufgaben mit großer Genauigkeit ausführen, während menschliche Entscheidungsträger zwar flexibel und anpassungsfähig sind, aber durch ihre begrenzte kognitive Kapazität eingeschränkt werden - ihre Fähigkeiten ergänzen sich somit", sagt Tamer Boyaci, Professor an der ESMT Berlin. "Der Mensch muss sich jedoch vor den Umständen des Einsatzes von Maschinen in Acht nehmen und verstehen, wann er effektiv ist und wann nicht."

Fallbeispiel: ärztliche Diagnose mit maschineller Unterstützung

Am Beispiel einer Ärztin und eines Patienten legen die Ergebnisse der Forscher nahe, dass der Einsatz von Maschinen die Diagnosegenauigkeit insgesamt verbessert und die Zahl der falsch diagnostizierten Patientinnen und Patienten verringert. Wenn die Häufigkeit von Krankheiten jedoch gering und die Zeit knapp ist, würde die Einführung einer Maschine zur Unterstützung der Ärztinnen und Ärzte bei der Diagnose zu mehr Fehldiagnosen und einem höheren kognitiven Aufwand für die Diagnose führen. Denn die maschinellen Ergebnisse sind meist mehrdeutig und müssen bewertet werden.

Die Forscher erklären, dass ihre Ergebnisse sowohl Hoffnung machen als auch Vorsicht für diejenigen gebieten, die Maschinen bei der Arbeit einsetzen wollen. Positiv ist, dass sich die durchschnittliche Genauigkeit verbessert, und wenn die maschinellen Eingaben eher das Erwartete bestätigen, sinken die Fehlerquoten und der Mensch ist "effizienter", da er seine kognitiven Anstrengungen reduziert.  

Maschinengestützte Vorhersagen für Entscheidungsprozesse nicht immer sinnvoll

Die Einbeziehung maschineller Vorhersagen in menschliche Entscheidungen ist jedoch nicht immer von Vorteil, weder im Hinblick auf die Verringerung von Fehlern noch auf den kognitiven Aufwand. Die Einführung einer Maschine zur Verbesserung eines Entscheidungsprozesses kann sogar kontraproduktiv sein, da sie bestimmte Fehlertypen sowie die Zeit und den kognitiven Aufwand, die für eine Entscheidung erforderlich sind, erhöhen kann. Die Ergebnisse unterstreichen den kritischen Einfluss, den maschinengestützte Vorhersagen auf menschliche Urteile und Entscheidungen haben.

Diese Ergebnisse stammen aus Forschungsarbeiten von Tamer Boyaci und Francis de Véricourt, beide Professoren für Management Science an der ESMT Berlin, sowie von Caner Canyakmaz, der früher als Post-Doc an der ESMT tätig war und inzwischen Assistent Professor of Operations Management an der Ozyegin-Universität ist. Die Forscher wollten untersuchen, wie maschinengestützte Vorhersagen den Entscheidungsprozess und die Ergebnisse eines menschlichen Entscheidungsträgers beeinflussen können. 


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