Recruiting: Wer braucht noch Stellenanzeigen?

Der Versandhändler Zappos hat Stellenanzeigen beim Recruiting abgeschafft: Die Anzeigen würden Talente abschrecken, erklärt  Kelly Wolske, Senior Trainer bei Zappos, im Personalmagazin. Der Chemiekonzern BASF hält dagegen: Stellenanzeigen stehen dort für eine gute "Candidate Experience".

Rund 31.000 Bewerbungen hat Zappos nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr erhalten, als das Unternehmen noch reguläre Stellenanzeigen einsetzte. Nur einen kleinen Prozentsatz der Bewerber stellte der US-Versandhändler ein – die restlichen rund 30.000 Kandidaten erhielten ein Absageschreiben. "Das sind 30.000 verpasste Chancen, eine Basis für eine mögliche spätere Interaktion zu schaffen", sagt Kelly Wolske, Senior Trainer bei Zappos, in der aktuellen Ausgabe des Personalmagazins.

Darüber hinaus habe der Versandhändler festgestellt, dass 80 Prozent der Besucher der Karrierewebseite abgesprungen seien. "Die große Mehrheit der Kandidaten, die vielleicht tolle Fähigkeiten haben oder genau in unsere Kultur hineinpassen, konnte zum Zeitpunkt ihres Besuchs keine passende Ausschreibung finden – und sie verirrt sich wahrscheinlich kein zweites Mal mehr dorthin", erklärt Wolske.

Netzwerken anstatt zahllose Lebensläufe zu lesen

Für die Personaler bei Zappos war dies der Impuls, ihre Recruiting-Strategien grundsätzlich zu überdenken. Als Alternative zur klassischen Stellenanzeige setzen die US-Amerikaner nun auf die sogenannte "Zappos Community": Anstatt Stellen auf einer Recruiting-Webseite auszuschreiben, pflegen sie ein soziales Netzwerk für Bewerber. Diese bekommen Zugang zu Unternehmensinformationen und können mit den Recruitern sowie Teams in Kontakt treten. So können beide Seiten sich kennenlernen. Gibt es dann eine offene Stelle, werden die Bewerber aus dem Netzwerk, die sogenannten "Insider", bevorzugt berücksichtigt.

"Unsere Recruiter fungieren dabei letztlich als Botschafter, die die 'Insider' ins Unternehmen einführen", sagt Wolske. "Anstatt also Stellenanzeigen auf Jobbörsen zu veröffentlichen und zahllose Lebensläufe zu lesen, lernen wir unsere Kandidaten als Menschen kennen und können sie besser den Teams zuordnen." Auf diese Weise könnten die Recruiter bei Zappos sofort einen Kandidaten zum Interview vorschlagen, wenn sich eine Vakanz ergibt.

Kandidaten bewerben sich bei der Konkurrenz – weil es einfacher ist

Auch der Chemie-Konzern BASF setzt auf Recruitingwege wie die Direktansprache von Kandidaten, Rekrutierungsveranstaltungen und Initiativbewerbungen. Doch deswegen wollen die Ludwigshafener noch lange nicht auf Stellenanzeigen verzichten. Dafür nennt Anna-Rebecca Egli, die bei BASF die europäische Rekrutierung verantwortet, mehrere Gründe: "Erstens haben wir viele Stellen, die Bewerber auf den ersten Blick nicht bei uns erwarten würden. Wer denkt denn bei einem Chemieunternehmen an Köche, Anwälte oder Maurer?"

Zweitens müssten Großunternehmen, wenn sie die besten Mitarbeiter rekrutieren wollen, auch einen gewissen Standard für Bewerber bieten. "Gerade Studenten oder Absolventen suchen eher in Jobbörsen nach Stellen, nicht auf der Webseite von Unternehmen", so Egli. "Ist die BASF hier nicht vertreten, bewerben sich die Kandidaten höchstwahrscheinlich bei der Konkurrenz, weil es einfacher ist."

Zudem helfe der Einsatz von Stellenanzeigen, keine falschen Erwartungen bei den Bewerbern zu wecken: "Jeder soll wissen, ob er für eine Position geeignet ist und ob es diese Position gibt, bevor er sich bewirbt", lautet die Maxime von BASF. Auf alternative Stellen würden die Recruiter die Kandidaten ohnehin abgleichen.

"Stellenanzeigen: ja! Aber bitte mit Charakter"

Drittens sehen die Personaler bei BASF die Stellenanzeigen als Zeichen von Transparenz. "Wir schreiben alle Stellen aus und alle Bewerber durchlaufen einen standardisierten Prozess", erläutert Egli. "So stellen wir nicht nur sicher, dass wir die besten Kandidaten finden, sondern geben diesen auch einen offenen Einblick in unseren Stellenmarkt. Ist ein Bewerber nicht geeignet, bekommt er zeitnah eine Absage und wird nicht in der Schwebe gehalten", so die Recruiterin. Dies sei nur mit klassischen Stellenanzeigen und einem klaren Bewerbungsprozess möglich.

Egli prognostiziert aber: "Nur die wichtigsten Informationen zusammenzufassen und die Anzeige online zu stellen, wird in Zukunft nicht mehr bei allen offenen Positionen ausreichen." BASF habe deshalb schon damit begonnen, Videostellenanzeigen zu schalten. "Unsere Strategie ist also: Stellenanzeigen: ja!", resümiert die Personalerin. "Aber bitte mit Charakter."

Den kompletten Pro-und-Contra-Beitrag "Stellenanzeigen abschaffen?" lesen Sie in Ausgabe 09/2014 des Personalmagazins.

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Schlagworte zum Thema:  Recruiting, Stellenanzeige, Candidate Experience