Schichtwechsel für mehr Inklusion am Arbeitsplatz

Am 16. September heißt es "Schichtwechsel". Bei diesem Projekt tauschen Menschen mit und ohne Behinderung ihren Arbeitsplatz, um Einblicke in das jeweils andere Arbeitsumfeld zu erhalten. Die Idee zum Schichtwechsel ist in Berlin entstanden und soll bundesweit ausgebaut werden.

Bereits zum fünften Mal findet in Berlin das Projekt Schichtwechsel statt. Auf Initiative der Landesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen (LAG WfbM) sowie der LAG der Werkstatträte gewähren sich Menschen mit und ohne Behinderungen gegenseitig Einblick in ihre jeweilige Tätigkeit.

Das heißt aber nicht, dass Tischlerin und Tischler aus einer Werkstatt und einem Unternehmen miteinander tauschen. Auch berufsübergreifende Einblicke sind möglich. "Jemand, der zum Beispiel im EDV-Bereich eines Unternehmens arbeitet, kann sich in der Werkstatt handwerklich erproben und umgekehrt", berichtet Bettina Neuhaus, Geschäftsführerin der LAG WfbM. "Wer aus einem Unternehmen zu uns kommt, wird dort von einer Person mit Behinderung als Gastgeber begleitet und angeleitet. Unsere Gastgeber zeigen, auf welchem Gebiet sie Experten sind. Und sie können dann, wenn sie im Unternehmen zu Gast sind, neue Erfahrungen gewinnen. Wichtig ist: Man schaut nicht nur, sondern geht ins gemeinsame Tun."

Schichtwechsel: Mehr als 320 Personen tauschen miteinander

In diesem Jahr beteiligen sich knapp 200 Berliner Unternehmen und mehr als 320 Schichtwechsler an dem Projekt. Seit den Anfängen von Schichtwechsel sind die Zahlen kontinuierlich angestiegen und im Jahr 2020 sollte eine große bundesweite Verbreitung des Projekts erfolgen. Doch dann kam die Coronapandemie dazwischen. In Berlin wurde das Projekt trotzdem weiter durchgeführt, um den Faden nicht abreißen zu lassen, aber die Zahl der Tauschplätze und Teilnehmenden ist stark gesunken.

Auch 2021 haben die Zahlen noch nicht das Niveau von vor zwei Jahren erreicht. "In diesem Jahr beteiligen sich weniger kleine Firmen als früher, weil diese oftmals andere Themen zu bewältigen haben. Sie können die Frage der Arbeitsschutzstandards nicht so einfach lösen wie große Unternehmen", sagt Bettina Neuhaus. Sie kann jedoch einige bekannte Firmennamen nennen, die am Schichtwechsel teilnehmen, unter anderem Mercedes Benz, Amazon, BVG, Siemens, die Feuerwehr und die Polizei Berlin.

Wenig Begegnung zwischen Unternehmen und Werkstätten

Die Idee zum Schichtwechsel hatten Bettina Neuhaus und ihr Team als sie feststellten, dass es nur sehr wenig Begegnung von Menschen in Unternehmen und Menschen in Werkstätten gibt. Die Werkstätten in Berlin bieten immerhin rund 10.000 Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung – manche davon waren früher in einem Unternehmen tätig und sind vielleicht aufgrund einer Krankheit oder erworbenen Behinderung mit dem Leistungsdruck nicht mehr zurechtgekommen, manche waren noch nie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig.

"Uns ging es zunächst darum, Begegnungen zwischen Menschen mit und ohne Behinderung zu ermöglichen, damit sie sehen, was sie verbindet. In einem zweiten Punkt geht es darum, Menschen mit Behinderung zu ermutigen, den allgemeinen Arbeitsmarkt auszuprobieren und niedrigschwellig für einen Tag hinein zu schnuppern. In einem kollektiven Erlebnis ist das etwas ganz anderes als wenn man sich allein auf die Reise macht", so Bettina Neuhaus. Der Schichtwechsel stärke aber auch das Selbstbewusstsein derjenigen, die sich bewusst für die Werkstatt entscheiden, weil hier die Prozesse anders sind und Leistung anders definiert wird.

Und schließlich ist es auch ein Anliegen der Werkstätten, ihre gesamte Angebotspalette und Leistungsfähigkeit zu zeigen. Die Bandbreite ist groß und reicht von Kaffee bis Zuliefererindustrie und Dienstleistungen. "Der Schichtwechsel kann ein Türöffner sein, dass Unternehmen und Werkstätten sich näher kennenlernen und Menschen aus der Werkstatt längere Phasen im Unternehmen arbeiten", so Neuhaus. "Umgekehrt können die Unternehmen ihr soziales Engagement beweisen und zum Beispiel ihre Auszubildenden in den Schichtwechsel einbinden – als eine Art informelles Lernen für junge Menschen."

Schichtwechsel finden auch in anderen Städten statt

Die bundesweite Verbreitung des Schichtwechsel-Projekts wurde durch die Coronapandemie zwar ausgebremst, aber nicht verhindert. Auch in einigen anderen Städten finden am 16. September 2021 Schichtwechsel von Menschen mit und ohne Behinderung statt. 2022 soll dann der große deutschlandweite Auftakt erfolgen. Vielleicht kann der Schichtwesel in einigen Jahren zu einer ähnlichen Bewegung werden wie die etablierten "Girls and Boys Days", an denen Jugendliche in Berufe hineinschnuppern.

Arbeitgeber aus Berlin, die sich im nächsten Jahr am Schichtwechsel beteiligen möchten, können auf der Webseite der LAG Berlin Kontakt aufnehmen.

Arbeitgeber aus anderen Bundesländern erhalten Informationen bei der Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen.


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Schlagworte zum Thema:  Inklusion, Diversity