Mit "No Future" betitelt das "Manager Magazin"in Ausgabe 02/2014 einen Artikel zum Metro-Konzern. Bereits die ersten Zeilen ziehen den Leser tief ins Moll: "Olaf Koch (43) hat sich verändert seit seinem Amtsantritt als Vorstandsvorsitzender. Schien er Anfang 2012 noch voller Elan, Kampfbereitschaft und Zuversicht zu sein, so zeugen Körpersprache und Mimik zwei Jahre später eher von Hilflosigkeit, Resignation und Missmut. Mannigfaltige Probleme belasten Koch und seine Mannen. Der Konzern ist mit überwiegend überreifen Geschäftsmodellen in gesättigten Märkten tätig, Die Umsätze erodieren oder stagnieren, drei der vier Vertriebslinien schreiben Verluste. Großartige Sanierungserfolge sind ebenso wenig zu erkennen wie eine schlüssige Strategie. Die Stimmung ist schlecht, die Orientierungslosigkeit treibt viele Leitende in die innere Kündigung. Der Konzern ist von Controllern getrieben, wie auch Koch einer ist. Und solche Zahlenmenschen wissen natürlich, wie sie tricksen können."
Das "Manager Magazin" ist bekannt für seine Rechtsabteilung, die bei Artikeln mit kritischem Tenor die Recherche ihrer Journalisten im Vorfeld genau abklopft. Die Zukunft bei Metro sieht also offenbar alles andere als rosig aus.
Sein und Schein im Arbeitgeber-Webauftritt
Völlig anders wird die Wirklichkeit beim Webauftritt desselben Unternehmens konstruiert: "Bei uns haben Sie ausgezeichnete Karrieremöglichkeiten." Die Internetseiten – von einem "skurril wirkenden Personalvorstand" ("Manager Magazin") verantwortet – versprechen den Talenten sehr viel: "Als Arbeitgeber erfüllen wir die höchsten Standards."
Als Beleg werden die üblichen Ranglisten aufgeführt. Über allem steht in großen Lettern und mit bunten Bildern der klassische Talent Management Appetizer "Karriere". Da mag die Hoffnung mitschwingen, dass digitale "Naives" solche Printmedien wie das "Manager Magazin" nicht mehr lesen.
Karrierewebseiten sind offensichtlich schöngefärbt
Ich könnte mir dennoch vorstellen, dass so mancher Interessent in diesem Fall mit einer Bewerbung zögert und sich den zahlreichen Alternativen im Arbeitsmarkt zuwendet. Zumal Webauftritte von Unternehmen trotz des Booms von Karriereseiten wegen ihrer augenfälligen Tendenz zur Schönfärberei mehr und mehr an Bedeutung für die Wahl des Arbeitgebers verlieren.
Eine wenig Info zum Arbeitgeber ist besser als gar nichts
An Studien mit solch ernüchternden Ergebnissen hat derzeit kaum jemand Interesse: Die Personalchefs sind froh, endlich einen ansprechenden Auftritt vorweisen zu können. Die Dienstleister sind froh, da sie eine hochschaukelnde Nachfrage bedienen. Die Bewerber sind zumindest etwas froh, da selbst eine verklärte Darstellung immerhin gewisse Anhaltspunkte bietet.
Positivbeispiel: Negative Aspekte des Arbeitgebers benannt
Wobei der Trend längst zur aus dem Produktmarketing bekannten "geschickt lancierten Selbstkritik" geht. Wie es kürzlich etwa von einer ESMT-Studie im "Journal of Consumer Psychology" eindrucksvoll gezeigt wurde. Weder Kunden noch Bewerber wollen für völlig blöd gehalten werden. Die Glaubwürdigkeit des Senders wird nicht durch pures Eigenlob erzeugt, sondern durch bewussten Einbau unschöner Aspekte. Denn selbst der allerbeste Arbeitgeber ist nicht nur toll.
Martin Claßen hat 2010 das Beratungsunternehmen People Consulting gegründet. Talent Management gehört zu einem seiner fünf Fokusbereiche in der HR-Beratung.