Wollen Sie wirklich Gehaltstransparenz?


Wollen Sie Entgelttransparenz?

"Wie gerecht werde ich bezahlt? Wer verdient weniger als ich, wer mehr?" Interessanterweise wollen nicht alle Beschäftigten die Antworten auf diese Fragen wissen. Woran das liegt und welche Folgen Gehaltstransparenz mit sich bringen kann, hat sich Kolumnist Uwe P. Kanning genauer angesehen.

Spontan werden wohl viele auf die Frage, ob sie gern das Gehalt der Kolleginnen und Kollegen wissen möchten, mit "ja" antworten. Wer sich ein wenig Zeit zum Nachdenken nimmt, ist sich danach aber vielleicht nicht mehr so sicher.  

Was sagt das Gehaltsniveau der anderen aus? Ist es ungerecht, wenn sie mehr verdienen als ich oder spiegelt sich darin meine mangelnde Leistungsfähigkeit? Wie verhält es sich, wenn ich mehr verdiene als die anderen? Ist dies durch meine überragende Qualifikation gerechtfertigt oder doch nur Ausdruck einer besonderen Beziehung zur Führungskraft?

Fühlt sich mein Gehalt gerecht an?

Verlassen wir das eigene Team und beschäftigen uns mit der Gehaltstransparenz in Spitzenpositionen, so wird die Sache leichter. Schnell lässt sich in der Belegschaft Konsens dahingehend erzielen, dass "die da oben" sich ungerechtfertigter Weise die Taschen vollstopfen, während "wir da unten" Tag für Tag für einen Hungerlohn im Steinbruch schuften oder durch unsere Körperkraft die Galeere vorantreiben.

Die Psychologie hat sich schon früh mit der Frage beschäftigt, unter welchen Bedingungen Beschäftigte ein Gehalt als gerecht erleben. Besonders hervorgetan hat sich in diesem Zusammenhang die Equity-Theorie. Sie besagt, dass die wahrgenommene Gerechtigkeit von dem Zusammenspiel der Antworten auf drei Fragen abhängt:

  1. Wie viel verdiene ich gemessen an meinem Input (Qualifikation, Motivation, Leistung etc.)?
  2. Wie viel verdienen andere gemessen an ihrem Input?
  3. Ist das Verhältnis von Input zu Outcome im Vergleich zwischen anderen und mir ausgeglichen?

Es ist also für die Betroffenen durchaus nicht schlimm, wenn A mehr verdient als B, solange A auch mehr leistet oder B geringer qualifiziert ist. Doch jetzt fangen die Probleme an, denn ganz so streng rational denken die meisten doch nicht. Vieles in diesem Vergleich ist Auslegungssache: Wie schätze ich Qualifikation oder Motivation richtig ein? Wie viel Geld sollte jemand verdienen, dessen Umsatz um 15 Prozent höher liegt? Mit wem sollte ich mich überhaupt sinnvollerweise vergleichen?

Negative Folgen von Gehaltstransparenz

Studien, die sich mit dem Thema Gehaltstransparenz im Kreis der Kollegen und Kolleginnen beschäftigen, zeigen, dass das Interesse an der Offenlegung der Gehälter vor allem davon abhängt, wie viel man selbst verdient. Wer von sich selbst glaubt, mehr als der Durchschnitt zu verdienen, ist eher gegen Gehaltstransparenz – wahrscheinlich, weil man den Zorn der anderen fürchtet.

Interessanterweise wird Gehaltstransparenz aber auch von jenen wenig präferiert, die glauben, dass sie unterdurchschnittlich viel verdienen. Manch einer fürchtet wohl den Spott der "Großverdiener", andere wollen vielleicht nicht, dass ihre niedrige Position in der Nahrungskette des Unternehmens deutlich zu Tage tritt. Nur die in der Mitte wollen mehr wissen. Ermöglicht ihnen das Wissen um das Gehalt der anderen doch eine klare Orientierung dahingehend, wer als Quelle der eigenen Selbstauswertung taugt und wen es in Zukunft zu bekämpfen gilt.

Dass Letzteres keineswegs abwegig ist, verdeutlicht eine andere Studie. Menschen, die nach der Aufdeckung der Gehälter erkennen, dass sie deutlich weniger verdienen, machen nicht nur ihrem Arbeitgeber das Lebens durch kontraproduktives Verhalten schwer – häufiger blaumachen, sich weniger anstrengen, mal was mitgehen lassen – sondern intensivieren auch das Mobbing gegenüber jenen, die mehr verdienen.

Leistung sollte klar definiert werden

Einen positiven Ausblick hat die Forschung aber dennoch zu bieten. Diese negativen Effekte treten nur dann auf, wenn die Betroffenen glauben, dass das System, nach dem Leistung und Gehalt berechnet werden, auf einem schlechten Fundament steht. Hieran können die Unternehmen arbeiten: Zum Beispiel durch die Entwicklung klarer und stellenspezifischer Definition von Leistung, die Entwicklung von Leistungsbeurteilungsskalen, die der Willkür der Vorgesetzten Grenzen setzen, durch Schulung der Führungskräfte und kontinuierliche Evaluation der Leistungsbeurteilung. 

All jene Unternehmen, die diesen Weg scheuen oder nicht mehr daran glauben, dass sie ihre Führungskräfte domestizieren können, bleibt immer noch der Weg der Geheimhaltung der Gehälter. Manchmal ist es vielleicht besser nicht alles zu wissen. Oder etwa doch nicht?


Der Kolumnist  Prof. Dr. phil. habil. Uwe P. Kanning ist seit 2009 Professor für Wirtschaftspsychologie an der Hochschule Osnabrück. Seine Schwerpunkte in Forschung und Praxis: Personaldiagnostik, Evaluation, Soziale Kompetenzen und Personalentwicklung.

Schauen Sie auch einmal in den  Youtube-Kanal "15 Minuten Wirtschaftspsychologie" hinein. Dort erläutert Uwe P. Kanning zum Beispiel zusammenfassend, wie Sie gute von schlechten Testverfahren unterscheiden warum Manager scheitern, wie ein Akzent die Bewertung von Bewerbern beeinflusst oder wie "smart" gesetzte Ziele für eine Leistungssteigerung sein müssen.

Schlagworte zum Thema:  Gehalt, Vergütung, Equal Pay, Personalarbeit