Wie Teamarbeit gestaltet werden kann, um die Motivation der Teammitglieder zu stärken
Bereits im Jahr 1913 konnte Ringelmann zeigen, dass die Arbeit in Gruppen zu Produktivitätsverlusten führen kann, damals indem die Zugkraft an einem Seil von Einzelpersonen und von Gruppen gemessen wurde. Die Ergebnisse sind heute als Ringelmann-Effekt bekannt und gelten als Beispiel für soziales Faulenzen ("social loafing"). Nun gehört Tauziehen nicht unbedingt zum organisationalen Alltag, aber die Frage zur Produktivität von Teams verglichen mit Einzelarbeit ist weiterhin wichtig, gerade weil auch gegenteilige Effekte gefunden wurden, häufig als "social facilitation" beschrieben. Zajonc, Heingartner und Herman (1969) beispielsweise fanden heraus, dass Kakerlaken schneller laufen, wenn sie dabei von anderen Kakerlaken beobachtet werden. Nun mag der Leser hieraus vorschnell die Vorteilhaftigkeit von Großraumbüros ableiten, übersieht dabei aber die etwas differenzierteren Ergebnisse. Bei komplexen Aufgaben können die Artgenossen eher stören.
Insgesamt ist die Studienlage zur Leistung von Teams verglichen mit der Arbeit Einzelner umfangreich und geprägt von einer Vielzahl unterschiedlicher Effekte, deren Bedeutung je nach Teamaufgabe oder Umfeld variieren kann. Wir möchten in diesem Beitrag deshalb den Stand der Forschung zu Motivationsgewinnen oder -verlusten durch Teamarbeit darstellen. Unsere Ausführungen basieren stark auf einem Beitrag von Torka, Mazei und Hüffmeier (2021), der in der Zeitschrift Psychological Bulletin erschienen ist und die wissenschaftliche Literatur zu diesem Thema in einer Metaanalyse zusammenfasst. Ergänzen möchten wir diese Befunde um weitere Studien, die sich einzelne zusätzliche Facetten gezielt anschauen. Wir beschränken uns dabei auf Motivationseffekte und betrachten nicht die weiteren möglichen Effekte bei der Teamarbeit, die zum Beispiel durch Koordinationsverluste oder verbesserte Entscheidungsqualität im Team verglichen mit der kumulierten Leistung Einzelner entstehen können, da eine umfassende Darstellung aller Effekte, die auf die Teamleistung wirken können, den Rahmen dieses Beitrags sprengen würde.
Für einen Überblick zu den Erfolgsfaktoren bei der Teamzusammenstellung verweisen wir interessierte Leserinnen und Leser auf Biemann und Weckmüller (2012).
Wie Teamwork auf die Motivation der Teammitglieder wirken kann
Für die Analyse möglicher Effekte von Teamwork auf die Motivation können sogenannte Erwartung-mal-Wert-Modelle der Motivation herangezogen werden. Diese Modelle unterstellen, dass Individuen die subjektiven Erfolgserwartungen sowie den Wert möglicher Handlungsfolgen betrachten und letztlich diejenige Handlungsalternative auswählen, bei denen das Produkt aus Erwartung und Wert maximal ist. Beispielsweise ist das Motivationspotenzial einer Handlung dann sehr hoch, wenn die Handlung eine hohe Erfolgswahrscheinlichkeit und einen hohen Nutzen besitzt. Wenn Teammitglieder über die eigenen Anstrengungen bei der Teamaufgabe entscheiden, spielen entsprechend diese drei Komponenten eine Rolle:
1. Erwartungen an den Handlungserfolg: Hat ein Teammitglied die Erwartung, dass in der Teamarbeit die Ziele besser (schlechter) erreicht werden können als alleine, wird die Anstrengung bei der Teamarbeit größer (kleiner) sein.
2. Wert der Teamarbeit: Teammitglieder strengen sich mehr (weniger) an, wenn der Wert der Teamergebnisse höher (niedriger) eingeschätzt wird als der Wert der Einzelleistung.
3. Kosten der Teamarbeit: Die Anstrengung der Teammitglieder hängt vom wahrgenommenen Kosten/Nutzen-Verhältnis ab. Wenn beispielsweise erwartet wird, dass andere Teammitglieder faulenzen werden, kann dies auch die eigenen Anstrengungen reduzieren.
Diese drei Komponenten können, je nach Teamsetting, zu einer höheren, gleichen oder niedrigeren Anstrengung eines Teammitglieds führen. Für eine Analyse des durchschnittlichen Effekts von Teamarbeit auf die Motivation betrachten Torka et al. (2021) insgesamt 622 Einzelergebnisse, von denen 319 eine erhöhte Anstrengung (effort gains) durch eine gestiegene Motivation bei der Teamarbeit und 299 Studien eine niedrigere Anstrengung (effort losses) finden. Vier Studien finden keinen Effekt. Insgesamt ergibt sich somit, dass es bei Teamarbeit im Vergleich zur Einzelarbeit im Durchschnitt nicht zu einer Reduzierung der Anstrengung beziehungsweise der Motivation der Teammitglieder kommt. Dies ist ein gleichermaßen spannender wie überraschender Befund, galt es doch – nicht zuletzt wegen der Metaanalyse von Karau und Williams aus dem Jahr 1993– bisher als weitgehend gesicherte Erkenntnis, dass Teamarbeit automatisch zur Reduzierung individueller Anstrengungen führt.
Wann steigt die individuelle Motivation in Teams, wann sinkt sie?
Gleichermaßen spannend und für die Gestaltung von Teamarbeit relevant sind die zum Teil großen Unterschiede zwischen den Untersuchungen; einige Studien zeigten also größere Motivationsgewinne und andere Studien dagegen größere Motivationsverluste in der Teamarbeit. Eine mögliche Erklärung für diese Diskrepanz sind Moderationseffekte, also dass zum Beispiel je nach Teamsituation oder Teamaufgabe Motivationsgewinne oder -verluste erfolgen könnten. In weiteren Analysen haben die Autoren nun wichtige Rahmenbedingungen untersucht, die eine Wirkung auf den Zusammenhang zwischen Teamarbeit und Motivation haben können. Im Folgenden berichten wir zunächst von diesen zusätzlichen Moderationsanalysen und ergänzen sie durch Befunde aus weiteren Studien.
Entbehrlichkeit des eigenen Beitrags ("[in-]dispensability of the own contribution"): In einigen Studien wurde die Motivation der Teammitglieder untersucht, wenn der eigene Beitrag zum Teamziel von den Teilnehmern als unabdingbar oder aber als entbehrlich gesehen wurde. Hier konnten die Autoren zeigen, dass es zu Motivationsgewinnen kommt, wenn der Beitrag als unabdingbar wahrgenommen wurde. Wenn der eigene Beitrag dagegen als entbehrlich gesehen wird, kommt es zu Motivationsverlusten.
Soziale Vergleichsprozesse ("social comparison potential"): Bei der Teamarbeit sind soziale Vergleichsprozesse leichter möglich, beispielsweise indem Teammitglieder die eigene Leistung mit anderen im Team vergleichen. Gerade die Präsenz ähnlich leistungsstarker Teammitglieder kann zu Motivationsgewinnen führen, da die einzelnen Teammitglieder dann versuchen, die anderen zu übertreffen. Auch diesen Moderationseffekt kann die Metaanalyse von Torka et al. (2021) zeigen: Wenn soziale Vergleichsprozesse möglich sind, ist die Anstrengung der einzelnen Teammitglieder größer; fehlen soziale Vergleichsprozesse, ist die Anstrengung geringer.
Sichtbarkeit des eigenen Inputs ("evaluation potential"): Wenn der eigene Beitrag zur Teamleistung nicht sichtbar wird, kann es zu Motivationsverlusten führen. Dieser Effekt kann ebenfalls in der Metaanalyse bestätigt werden, denn es zeigt sich, dass bei hoher (geringer) Sichtbarkeit des eigenen Beitrags die Anstrengung der Individuen steigt (fällt).
Vorherige Zusammenarbeit ("team formation"): Viele in der Metaanalyse zusammengefassten Studien mögen die Realität in Organisationen nur bedingt widerspiegeln, da ad hoc für ein kurzes Experiment zusammengewürfelte Teams von Psychologiestudierenden schwer vergleichbar sind mit organisationalen Teams, die oftmals Jahre eng zusammenarbeiten. Beim Vergleich solcher Ad-hoc-Teams mit Teams von Freundinnen und Freunden oder Kollegen konnten die Autoren allerdings keine Unterschiede feststellen. Die vorherige Zusammenarbeit scheint also nicht auf die Anstrengung bei der Teamarbeit zu wirken. In zusätzlichen Analysen zeigte sich allerdings, dass die Entbehrlichkeit des eigenen Beitrags in Teams mit Freunden oder Kolleginnen und Kollegen keine Bedeutung hatte, sich die Teammitglieder also ähnlich anstrengen, auch wenn der eigene Beitrag als entbehrlich wahrgenommen wird.
Bedeutsamkeit der Teamaufgabe ("task meaningfulness"): In einer weiteren Moderationsanalyse wurde untersucht, ob die Anstrengung der Teammitglieder von der wahrgenommenen Bedeutung der Teamaufgabe abhängig ist. Auch hier zeigte sich kein Effekt.
Art der Teamaufgabe: Das eingangs genannte Tauziehen als Aufgabe in den ersten Studien zu Motivationsverlusten spiegelt heutige Teamaufgaben in Organisationen sicherlich wenig wider, da heutige Teams oftmals gekennzeichnet sind durch kognitiv anspruchsvolle Aufgaben und die Expertise der einzelnen Teammitglieder, sodass die Teamaufgabe nicht von einer Einzelperson bewältigt werden kann. Es ist deshalb bemerkenswert, dass Motivationsgewinne bei manuellen Tätigkeiten stärker ausgeprägt waren und es dagegen bei kognitiven Aufgaben zu höheren Motivationsverlusten kam.
Kompetenz der Teammitglieder: Weber und Hertel (2007) konzentrieren sich in ihrer Metaanalyse auf Teammitglieder, deren (erwartete) Leistung schlechter ist als der Teamstandard ("inferior group members"), da gerade bei diesen ein Motivationsgewinn erwartet werden kann. Tatsächlich können sie zeigen, dass es bei diesen Teammitgliedern zu Motivationsgewinnen durch die Teamarbeit kommt.
Persönlichkeit der Teammitglieder: Ein interessantes Ergebnis berichtet Uziel (2007), ebenfalls in einer Metaanalyse. Er unterscheidet eine negative und positive Orientierung bei Individuen. Personen mit einer negativen Orientierung haben hohe Werte bei der Persönlichkeitsdimension Neurotizismus und ein eher geringes Selbstwertgefühl. Eine positive Orientierung bedeutet hohe Werte bei der Persönlichkeitsdimension Extraversion und ein eher hohes Selbstwertgefühl. Bei der Arbeit im Team wirkt die Präsenz anderer negativ auf die Leistung von Personen mit negativer Orientierung und positiv auf die Leistung von Personen mit positiver Orientierung.
Aufklärung der Teammitglieder über soziales Faulenzen: Eine mögliche Maßnahme gegen soziales Faulenzen wäre die Aufklärung der Teammitglieder über diese Effekte. Es wäre einfach, funktioniert aber nicht, zeigen zum Beispiel Huddleston, Doody und Ruder (1985).
Gelten diese Ergebnisse aus Laborstudien auch für Organisationen?
Die meisten Studien zur Motivation in Gruppen wurden im Labor durchgeführt, häufig mit Studierenden unterer Semester als Versuchspersonen. Bei Torka et al. (2021) waren es beispielsweise 438 Stichproben mit Studierenden, 66 Stichproben mit Sportteams und nur 30 Stichproben, bei denen Mitarbeiter aus Organisationen untersucht wurden. Es stellt sich die berechtigte Frage, ob die Laborergebnisse tatsächlich auf das "echte Leben" übertragen werden können. Wir hatten oben berichtet, dass die vorherige Zusammenarbeit den Motivationseffekt nicht direkt beeinflusst, was als erstes Indiz für eine Anwendbarkeit der Laborergebnisse auf die Teamarbeit in Organisationen gelten kann. Noch genauer haben Herbst und Mas (2015) diese ökologische Validität untersucht, indem sie Gruppeneffekte auf die Leistung aus dem Labor mit Ergebnissen aus Feldstudien verglichen haben. Ihr Beitrag erschien in der Zeitschrift Science und hat den Titel, der gleichzeitig als Zusammenfassung dienen kann: "Peer effects on worker output in the laboratory generalize to the field."
Zum gleichen Ergebnis kommen die aktuelleren Untersuchungen von Hüffmeier et al. (2021). Die Autoren untersuchen insbesondere, ob die Ergebnisse zur Wirkung von Teamarbeit auf die individuelle Anstrengung, die sich bei Sportteams beobachten lassen, auf den Arbeitskontext übertragen lassen. Auf Basis von Feld- und Vignettenstudien folgern die Autoren, dass die Übertragbarkeit gegeben ist. Große Bedenken, dass die Laboreffekte in echten Organisationen ganz anders aussehen würden, scheinen also eher unbegründet zu sein.
Zusammenfassung und Schlussfolgerungen
- Vergleicht man die Motivation von Individuen bei der Teamarbeit mit der Arbeit alleine, so zeigen sich insgesamt keine großen Motivationsunterschiede. Teamarbeit führt im Durchschnitt weder zu Motivationsgewinnen noch zu Motivationsverlusten.
- Es gibt eine größere Anzahl von Moderatoren, die den allgemeinen Zusammenhang beeinflussen:
- Wird der eigene Beitrag zur Teamleistung als sehr wichtig angesehen, kommt es zu Motivationsgewinnen. Glaubt man dagegen, dass der eigene Beitrag unwichtig ist, führt es zu Motivationsverlusten.
- Wenn soziale Vergleichsprozesse bei der Teamarbeit möglich sind, ist die Anstrengung der einzelnen Teammitglieder größer; fehlen soziale Vergleichsprozesse, ist die Anstrengung geringer.
- Bei hoher Sichtbarkeit des eigenen Inputs zur Teamarbeit ist die Motivation höher.
- Bei eher leistungsschwachen Teammitgliedern führt Teamarbeit zu Motivationsgewinnen.
Dieser Beitrag ist erschienen im Wissenschaftsjournal PERSONALquarterly 1/2022.
Literaturverzeichnis:
Biemann, T./Weckmüller, H. (2012): Wie man erfolgreiche Teams zusammenstellt. PERSONALquarterly, 3/2012, 46-49.
Herbst, D./Mas, A. (2015): Peer effects on worker output in the laboratory generalize to the field. Science, 350(6260), 545-549.
Huddleston, S./Doody, S. G./Ruder, M. K. (1985): The effect of prior knowledge of the social loafing phenomenon on performance in a group. International Journal of Sport Psychology, 16(3), 176–182.
Hüffmeier, J./Hertel, G./Torka, A. K./Nohe, C./Krumm, S. (2021): In field settings group members (often) show effort gains instead of social loafing. European Review of Social Psychology, 1-40, published online.
Karau, S. J./Williams, K. D. (1993): Social loafing: A meta-analytic review and theoretical integration. Journal of personality and social psychology, 65(4), 681-706.
Torka, A. K./Mazei, J./Hüffmeier, J. (2021): Together, everyone achieves more—or, less? An interdisciplinary meta-analysis on effort gains and losses in teams. Psychological Bulletin, 147(5), 504-534.
Uziel, L. (2007): Individual differences in the social facilitation effect: A review and meta-analysis. Journal of Research in Personality, 41(3), 579-601.
Weber, B./Hertel, G. (2007): Motivation gains of inferior group members: a meta-analytical review. Journal of Personality and Social Psychology, 93(6), 973-993.
Zajonc, R. B./Heingartner, A./Herman, E. M. (1969): Social enhancement and impairment of performance in the cockroach. Journal of Personality and Social Psychology, 13(2), 83–92.
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