"Im IT-Bereich spielt Weiterbildung eine Schlüsselrolle"
Personalmagazin neues lernen: Durch die Digitalisierung und den Einsatz von KI steigt der Bedarf an IT-Kenntnissen. Die Unternehmen klagen über Fachkräftemangel. Seit einigen Wochen bietet die Haufe Akademie mit »Skill IT« Weiterbildungen für IT-Fachkräfte an. Warum startet das Angebot gerade jetzt?
Jörg Schmidt: Der Fachkräftemangel ist im IT-Bereich besonders frappierend, weil IT-Kenntnisse inzwischen in allen Unternehmensbereichen eine Rolle spielen. Durch Recruiting allein können die Unternehmen diese Engpässe nicht mehr auflösen. Weiterbildung spielt darum eine Schlüsselrolle. Wir haben schon länger darüber nachgedacht, ein Angebot für diesen Markt zu entwickeln. Schließlich waren Weiterbildungen für die Zielgruppe der IT Professionals bisher die einzige Lücke im Portfolio der Haufe Akademie. Alle anderen betrieblichen Funktionen decken wir ab. Aber der Zugang zum IT-Weiterbildungsmarkt enthält einige spezifische Einstiegshürden: Früher hätten wir dafür eine eigene Infrastruktur aufbauen müssen mit speziellen PC-Laboren. Das ist heute natürlich nicht mehr der Fall. Aber die zweite Hürde gibt es immer noch: die Akkreditierungen, die man bei den großen Technologieanbietern haben muss, um in ihren Produkten weiterbilden und die entsprechenden Zertifizierungen an die Teilnehmenden vergeben zu können. Durch unsere Kooperation mit der Schweizer IT-Trainingsakademie Digicomp fiel nun auch diese Hürde weg. Digicomp verfügt bereits über die entsprechenden Voraussetzungen und hat genauso viel Erfahrung wie wir auf dem Weiterbildungsmarkt – nur eben im IT-Bereich.
Rainer Kasemir: Wir konnten durch diese strategische Allianz zwei bis drei Jahre früher auf den Markt gehen, weil wir eben nicht erst sämtliche Nachweise für die Softwareunternehmen erbringen mussten. So konnten wir sehr schnell mit den IT-Angeboten auf dem deutschen Markt durchstarten und bieten gleichzeitig einige der Top-Seller aus unserem Portfolio auf dem Schweizer Markt an.
In der IT sind Lösungsorientierung und Hands-on-Mentalität verbreitet
neues lernen: Gibt es noch weitere Besonderheiten auf dem IT-Weiterbildungsmarkt?
Kasemir: Die Dynamik, mit der sich die Themen entwickeln, ist extrem hoch. Die Anbieter definieren mit ihren Aktualisierungen und neuen Features das Tempo auf dem Markt. Die Trainer und Trainerinnen müssen selbst hoch spezialisiert und immer auf dem aktuellsten Stand sein. In der Regel sind sie auch nur nebenberuflich als Trainer aktiv und hauptberuflich als IT-Experten tätig. Zudem ist es für die Zielgruppe – mehr als in anderen Unternehmensfunktionen – selbstverständlich, sich informell weiterzubilden und permanent im Berufsalltag dazuzulernen. Die Lösungsorientierung und die Hands-on-Mentalität sind in der IT sehr hoch ausgeprägt. Es geht darum, immer direkt auszuprobieren und im Austausch mit anderen eine Aufgabe oder Herausforderung zu lösen. Überhaupt ist dieses Bild von dem ITler als Nerd, der am liebsten allein vor dem Computer arbeitet, inzwischen völlig überkommen. Die Teamarbeit steht im Vordergrund und das Netzwerk zu anderen Fachkräften ist wichtig.
neues lernen: Wie kann das formelle Weiterbildungsangebot diesen Anforderungen dann überhaupt gerecht werden?
Schmidt: Einerseits brauchen die IT-Fachkräfte die Zertifizierungen der Anbieter und buchen darum formelle Weiterbildungsangebote. Das betrifft vor allem IT-Dienstleister und IT-Beratungsunternehmen, die ihren Kenntnisstand gegenüber den Kunden nachweisen müssen. Diese Angebote sind vor allem auf Aktualisierung von Wissen ausgelegt. Andererseits ist es für die Unternehmen schwierig, immer zu wissen, was der aktuelle Stand in der Technologieentwicklung ist. Sie nutzen daher unsere formellen Angebote, um das aktuellste Know-how zu erhalten, das wir ihnen über die hochqualifizierten Trainer garantieren.
Kasemir: Zudem sind diese Angebote so ausgestaltet, dass die Teilnehmenden ihre neu erworbenen Kenntnisse direkt anwenden und sich über die Lösungen in Kleingruppen direkt austauschen können. Dafür bieten wir die sogenannten "virtuellen Sandkästen" oder "Labs" an, also Online-Lernumgebungen, in denen die Teilnehmenden üben. Viele Teilnehmende bringen auch ihre eigenen Cases mit und wenden gleich im eigenen Anwendungsfall ihre neuen Fähigkeiten an.
neues lernen: Das heißt, das sind alles Live-Trainings?
Schmidt: Weiterbildung findet in Deutschland über alle Angebote hinweg immer noch zum weit überwiegenden Teil live statt – entweder als Online- oder als Präsenzveranstaltung. Wie wir vorhin ausgeführt haben, sind gerade die IT-Fachkräfte am Austausch mit anderen IT-Spezialistinnen und IT-Spezialisten interessiert. Darum fokussieren wir uns auf Live-Trainings, die online oder in Präsenz stattfinden können.
neues lernen: Wie genau sieht das Angebot aus?
Kasemir: Ein Training hat eine Dauer von einem bis fünf Tagen und kann einzeln oder aufeinander aufbauend gebucht werden. Insgesamt haben wir etwa 110 Produkte im Portfolio. Das größte Segment ist der Bereich AWS, Amazon Web Services, mit über 40 Angeboten, darunter auch einige englischsprachige. Das zweitgrößte Segment sind die Microsoft-Seminare mit mehr als 30 verschiedenen Qualifizierungsangeboten. Hier registrieren wir im Moment die stärkste Nachfrage. Der dritte Bereich sind die Atlassian-Produkte mit Jira und Confluence und der vierte umfasst Produkte von VMware mit den Cloud-Anwendungen. Das fünfte Segment ist IT-Sicherheit. Hier haben wir viele Kunden aus dem öffentlichen Dienst. Den sechsten Bereich bildet das Service- und Projektmanagement für IT-Prozesse.
Quereinstieg gegen den Fachkräftemangel in der IT-Branche
neues lernen: Um den großen Fachkräftebedarf zu stillen, sind auch Quereinsteiger willkommen in der IT. Ist das neue Angebot auch für sie geeignet?
Schmidt: Die Angebote von "Skill IT" richten sich an IT-Fachkräfte mit hoher Spezialisierung. Für Quereinsteiger bieten wir unsere "Future Jobs Classes" an. Das sind längerfristige Programme, die 80 Stunden und mehr umfassen. Die Teilnehmenden erlangen damit ein neues Jobprofil mit einer hohen Spezialisierung. Wir arbeiten gerade daran, diese Programme auf den IT-Bereich auszuweiten, um das Gesamtangebot der Haufe Akademie stärker mit "Skill IT" zu verknüpfen. Das könnte dann so aussehen, dass die nötigen IT-Grundlagen in einer "Junior Class" vermittelt und dann in einer "Professional oder Master Class" die Inhalte von "Skill IT" als Spezialisierung angeboten werden.
Kasemir: Umgekehrt verknüpfen wir auch die Angebote von "Skill IT" mit unserem breiten Portfolio, indem die IT-Fachkräfte die nötigen Ergänzungen zu ihren IT-Kenntnissen, also zum Beispiel eine Weiterbildung zu Führung, nutzen können.
neues lernen: Werden mit »skill it« ausschließlich die einzelnen Weiterbildungsinteressierten angesprochen, oder begleitet die Haufe Akademie Unternehmen auch übergreifend und längerfristig in der IT-Weiterbildung?
Kasemir: Für den Start steht das offene Angebot in unserem Fokus. Aber wir haben auch gleich in den ersten vier Wochen Anfragen für Inhouse-Seminare erhalten. Ein Unternehmen bat uns zudem, die selbst erarbeitete IT Learning Journey mit unseren Angeboten inhaltlich zu füllen. Sicherlich werden wir solche übergreifenden Angebote auf Dauer auch ausbauen.
Schmidt: Wir nehmen den Bedarf an systematischer Qualifizierung sehr ernst und sehen darin auch strategisch ein großes Potenzial. Der Anteil von umfangreicheren Qualifizierungen mit entsprechenden hochwertigen Zertifikaten ist in all unseren Themenbereichen deutlich überproportional gewachsen in den vergangenen Jahren. Auch in Krisensituationen wie in der Coronapandemie gibt es in diesem Bereich keine sinkende Nachfrage. Die Fachkräfte sind wie der Rohstoff für die Unternehmen und ihre Aus- und Weiterbildung ist darum konjunkturunabhängig. Als Haufe Akademie treibt uns an, Entwicklung zu erleichtern. Das beeinhaltet das Leistungsversprechen, dass wir Kunden, ob Einzelpersonen oder Unternehmen, nicht nur punktuell, sondern auch in einem langfristigen Entwicklungsprozess begleiten. Wir werden darum künftig das Formatspektrum von "Skill IT" noch entsprechend erweitern.
neues lernen: Kommen solche größeren Anfragen aus der Personalentwicklung oder aus der Fachabteilung?
Schmidt: Die Bedarfe kommen aus den Fachabteilungen. Natürlich ist oftmals die Personalentwicklung involviert und auch der Einkauf, wenn es um größere Aufträge geht. Gut 70 Prozent der Anmeldungen zu Einzelseminaren gehen von den Teilnehmenden aus. Sie suchen sich das passende Seminar und den passenden Anbieter selbst. Die Personalentwicklung ist der strategische Rahmengeber. Sie ist mit im Boot, gerade wenn es darum geht, die Hauptpartnerunternehmen auszuwählen. Aber die tatsächliche Entscheidung, welche Weiterbildungen für wen gebraucht werden, wird immer stärker dezentral in den Unternehmensbereichen gefällt. Das nehmen wir in allen Themenfeldern wahr. In der IT, wo das Spezialistenwissen sehr hoch ist, ist das sicherlich noch ausgeprägter der Fall.
Dieser Beitrag ist erschienen in personalmagazin neues lernen, Ausgabe 1/2024, das Fachmagazin für Personalentwicklung. Als Abonnent haben Sie Zugang zu diesem Beitrag und allen Artikeln dieser Ausgabe und aller bisher erschienenen Ausgaben in unserem Digitalmagazin als Desktop-Applikation oder in der App personalmagazin - neues lernen.
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