MINT-Fachkräftelücke bedroht Innovationsfähigkeit
Der starke konjunkturelle Einbruch in den Jahren 2023 und 2024 zeigt sich auch im Verhältnis von offenen Stellen zu Arbeitssuchenden in den MINT-Berufen, wenn auch in erstaunlich geringem Maße. Es können weiterhin 209.200 MINT-Arbeitsplätze nicht besetzt werden. Mit rund 109.100 Personen bilden die MINT-Facharbeiterberufe im September 2024 die größte Engpassgruppe, gefolgt von rund 77.700 Personen im Segment der sogenannten MINT-Expertenberufe (Akademiker) sowie rund 22.300 im Bereich der Spezialisten- beziehungsweise Meister- und Technikerberufe. Differenziert man die Arbeitskräftelücke nach Bereichen, so zeigen sich die größten Engpässe in den Energie-/Elektroberufen mit rund 68.600, in den Berufen der Maschinen- und Fahrzeugtechnik mit rund 41.500, in den Bauberufen mit rund 30.800, in den Berufen der Metallverarbeitung mit rund 30.300 und in den IT-Berufen mit rund 18.700 Personen.
Das geht aus dem aktuellen MINT-Report hervor, der zweimal jährlich vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln erstellt wird. Die Studie entsteht im Auftrag der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, dem Arbeitgeberverband Gesamtmetall sowie der bundesweiter Initiative "MINT Zukunft schaffen".
Frauenanteil in MINT-Berufen weiterhin niedrig, Beschäftigung Älterer nimmt deutlich zu
Der Anteil der Frauen an allen sozialversicherungspflichtig beschäftigten Personen in MINT-Berufen ist vom vierten Quartal 2012 bis zum ersten Quartal 2024 von 13,8 Prozent auf 16,3 Prozent gestiegen. Insgesamt hat die Anzahl von Frauen in MINT-Berufen damit von 875.100 Ende 2012 auf 1.172.300 im ersten Quartal 2024 bzw. um 34 Prozent zugenommen.
Der Anteil der MINT-Beschäftigten im Alter ab 55 Jahren an allen MINT-Beschäftigten ist von Ende 2012 bis März 2024 deutlich von 15,1 Prozent auf 22,7 Prozent gestiegen. Vergleicht man die MINT-Beschäftigung der ab 63-Jährigen mit der um zwei Jahre zurückliegenden MINT- Beschäftigung der 61- bis unter 63-Jährigen, so kann eine "Verbleibsquote" berechnet werden. Ende 2014 betrug diese Quote 66,7 Prozent und sank im Zuge der Einführung der Rente mit 63 bis Ende 2015 auf 58,7 Prozent. Nach diesem negativen Sondereffekt stieg die Verbleibsquote von Ende 2015 mit 58,7 Prozent bis März 2024 mit 96 Prozent sehr dynamisch und fast kontinuierlich an.
Das steigende reguläre Renteneintrittsalter sowie Maßnahmen zur Fachkräftesicherung bei Älteren wirken sich folglich positiv aus. Allein durch die Zunahme der "Verbleibsquote" von März 2024 (96 Prozent) gegenüber Ende 2014 (66,7 Prozent) wurden rund 80.100 zusätzliche MINT-Beschäftigte im Alter ab 63 Jahren für die Fachkräftesicherung gewonnen
Ausländische Arbeitnehmende leisten großen Beitrag zur MINT-Fachkräftesicherung
Das MINT-Beschäftigungswachstum von ausländischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern war im Zeitraum vom vierten Quartal 2012 bis zum ersten Quartal 2024 überproportional hoch. So ist die Beschäftigung von Deutschen in MINT-Facharbeiterberufen in diesem Zeitraum leicht gesunken (-5,4 Prozent), unter Ausländerinnen und Ausländern nahm die Beschäftigung um 82,6 Prozent zu. In MINT-Spezialistenberufen gab es einen Zuwachs unter Deutschen von 12,8 Prozent und unter Ausländerinnen und Ausländern von 143,2 Prozent. In MINT-Akademikerberufen betrugen die Zuwächse unter Deutschen 42,0 Prozent und unter Ausländerinnen und Ausländern 219,9 Prozent.
Die Engpässe im MINT-Bereich würden noch größer ausfallen, wenn nicht das MINT-Beschäftigungswachstum von ausländischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern überproportional hoch ausgefallen wäre. Wäre die Beschäftigung von Ausländerinnen und Ausländern seit Ende 2012 nur in der geringen Dynamik wie die Beschäftigung von Deutschen gestiegen, würde die Fachkräftelücke heute um 455.000 Personen höher ausfallen und damit einen Wert von knapp 0,7 Millionen MINT-Kräften erreichen.
MINT-Fachkräftelücke bedroht Innovationskraft der deutschen Wirtschaft
Branchen mit einem großen Anteil an Erwerbstätigen mit einer MINT-Qualifikation weisen in Deutschland hohe Innovationsausgaben aus. Dies gilt besonders für die M+E-Industrie, in deren Branchen 55 bis 68 Prozent der erwerbstätigen Personen eine MINT-Qualifikation haben. Die deutsche M+E-Industrie investierte im Jahr 2023 rund 74 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung. Das sind deutlich mehr als die Hälfte der gesamtwirtschaftlichen Innovationsaufwendungen Deutschlands. Damit diese Innovationstätigkeiten für die Herausforderungen der Zukunft weiter gesteigert werden können, sind gut ausgebildete Personen mit MINT-Qualifikationen essentiell.
Verschiedene Untersuchungen zeigen, dass Fachkräfteengpässe zu den wichtigsten Hemmnissen bei Innovationsvorhaben zählen. Eine aktuelle Befragung des IWs zeigt darüber hinaus, dass für 44 Prozent der Unternehmen Fachkräfteengpässe die Digitalisierung im Unternehmen bremst, 29 Prozent werden durch Fachkräfteengpässe bei Klimaschutz und Energiewende gehemmt, 27 Prozent beim Umgang mit geopolitischen Risiken. Vor allem MINT-Fachkräfte sind für das Gelingen der Transformation von großer Bedeutung.
Wettbewerbsfähigkeit: Deutschland gerät im internationalen Vergleich ins Hintertreffen
Deutschland wird von hohen und steigenden Kosten für Energie, Löhne, Steuern und Bürokratie belastet und verliert im globalen Innovationswettbewerb an Boden. Insgesamt ist ein hoher Anteil der bestehenden industriellen Wertschöpfung in Deutschland gefährdet. Noch sind Stärken bei Forschung, Patenten und MINT-Bildung vorhanden. Neue Chancen bestehen zudem bei Technologien für den Klimaschutz. Andere Länder haben in den vergangenen Jahren zudem ihre Ausgaben für Forschung und Entwicklung gemessen am BIP stärker erhöht – mit der Folge, dass nach Auswertungen der IW-Patentdatenbank auch der Anteil Deutschlands an den internationalen Patentanmeldungen stark gesunken ist.
Ausblick: Demografie und rückläufige Bildungsleistungen belasten im Innovationswettbewerb
"Deutschlands Innovationskraft droht in den kommenden Jahren durch einen Mangel an MINT-Fachkräften deutlich zu sinken", sagt Prof. Dr. Axel Plünnecke, Leiter der Studie und des Themenclusters Bildung, Innovation und Migration am Institut der deutschen Wirtschaft Köln. Das künftige Angebot an MINT-Fachkräften wird durch die demografische Entwicklung und zugleich (laut PISA-Studie) durch sinkende MINT-Kompetenzen der in den Arbeitsmarkt nachrückenden Jahrgänge belastet. Andere Länder wie Japan oder Korea weisen deutlich bessere und stabilere MINT-Kompetenzen auf oder haben wie die USA, Frankreich, Dänemark und Schweden eine deutlich günstigere demografische Ausgangslage.
Den kompletten MINT-Herbstreport 2024 des IW können Sie hier herunterladen.
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