Koch-Doku zeigt Inklusion in der Arbeitswelt

Das Thema Inklusion am Arbeitsplatz hat noch nie eine so hohe Breitenwirkung erzielt wie im Jahr 2022: Die TV-Dokumentation "Zum Schwarzwälder Hirsch" zählte eine Million Zuschauerinnen und Zuschauer. Für den TV-Sender Vox war es die erfolgreichste Sendung in der Kategorie "Dokumentation mit Haltung". Der Dreiteiler zeigt eindrucksvoll, wie Inklusion in der Arbeitswelt gelingen kann.

In Politik und Wirtschaft gehören die Bekenntnisse zur Inklusion inzwischen zum Standard. Doch die Realität sieht leider anders aus: 60 Prozent der Betriebe zahlen lieber die Ausgleichsabgabe als Menschen mit Behinderung in ausreichendem Maße zu beschäftigten, 26 Prozent der Betriebe beschäftigen gar niemanden mit Behinderung. Das geht aus dem aktuellen Inklusionsbarometer 2022 hervor.

Durch die Corona-Krise hat sich die Lage von Menschen mit Behinderungen am Arbeitsmarkt nochmals verschlechtert, sodass die Bundesregierung kurz vor Weihnachten einen Gesetzentwurf zur Förderung des inklusiven Arbeitsmarktes beschlossen hat.

Mutigstes Experiment zum Thema Inklusion

Am Arbeitsmarkt haben Menschen mit Behinderung mit vielen Hürden zu kämpfen, sodass selbst diejenigen in Behindertenwerkstätten "abgeschoben" werden, die über Talente für den ersten Arbeitsmarkt verfügen. Starkoch Tim Mälzer und Schauspieler André Dietz wollten sich mit dieser Situation nicht abfinden und haben das bislang mutigste Experiment zum Thema Inklusion durchgeführt. Es wurde zum Jahresende 2022 in der dreiteiligen TV-Dokumentation "Zum Schwarzwälder Hirsch" präsentiert.

Die beiden Promis holten 13 Menschen mit Down-Syndrom aus Behindertenwerkstätten und formten daraus eine außergewöhnliche Küchen-Crew. Das ambitionierte Ziel: Durch ein mehrmonatiges Trainingscamp sollte die Crew befähigt werden, selbstständig ein Restaurant zu betreiben: die Küche, die Bar und den Service. "Es geht uns nicht um eine Betroffenheitsbude oder einen Streichelzoo, sondern um ein ernstzunehmendes Restaurant", erläuterte Tim Mälzer zum Auftakt.

Anpassung des Betriebskonzepts

Die TV-Dokumentation lässt die Zuschauerinnen und Zuschauer an diesem Experiment teilhaben, das durch Höhen und Tiefen ging. Mälzer hatte ein Konzept von einem Restaurant im Kopf, das er im Laufe der Zeit anpassen musste, da Menschen mit Down-Syndrom über Zahlenschwächen und Einschränkungen bei der Konzentration verfügen. Das führte das Experiment an den Rand des Scheiterns. Mälzer und Dietz gaben aber nicht auf und passten das Restaurantkonzept an die Fähigkeiten der Mitarbeitenden an: Um Speisen in gleichbleibender Qualität zubereiten zu können, wurden Rezeptbücher mit Bildern entwickelt. Um das Bedienen auf der Terrasse zu vereinfachen, wurden ein einfacheres Tischsystem konzipiert, die Getränkeauswahl verkleinert und Speisekarten zum Ankreuzen angeschafft.

Lust auf "richtige" Arbeit

Der Dokumentation gibt Einblick in das Erleben der Mitarbeitenden: in ihre Ambitionen, aber auch ihre Ängste. Sie zeigt auf, wie die Beschäftigten Lust auf "richtige" Arbeit entwickeln, sich von ihrem behüteten Elternhaus abnabeln und wie es Einzelnen gelingt, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Es sind berührende Geschichten, die weder Mitleid noch Beschützerinstinkte auslösen. Mälzer und Dietz begegnen den Menschen mit Behinderung auf Augenhöhe, sie formulieren klare Anforderungen und Erwartungen, respektieren aber auch die Grenzen. Mälzer, der durch sein forsches Auftreten bekannt ist, gelingt es, sich auf die Situation einzulassen, neue Facetten seiner Persönlichkeit werden sichtbar.

Am Ende der Sendung werden Gastronomen aus ganz Deutschland ins Restaurant eingeladen. Das Kochen und der Restaurantbetrieb laufen reibungslos, die Küchen-Crew liegt sich in den Armen. Das Happy End bleibt realistisch, das macht die Dokumentation so wertvoll für das Thema Inklusion am Arbeitsplatz. Manche aus der Küchen-Crew erhalten tatsächlich eine Anstellung, andere beginnen eine Ausbildung, manche kehren an ihren Arbeitsplatz in der Behindertenwerkstatt zurück.

Fünf Learnings für die Inklusionsarbeit

Die Dokumentation macht auch deutlich, dass Inklusion kein Selbstläufer ist und welche Hürden es zu überwinden gilt. Die wichtigsten Erkenntnisse:

  • Manche Menschen, die in Behindertenwerkstätten mit dem Stempel "nicht ausbildungsfähig" abgeschoben werden, sind in den ersten Arbeitsmarkt integrierbar, wenn von beiden Seiten der Wille dazu da ist.
  • Menschen mit Behinderungen können meist nicht einfach in vorgegebene Arbeitsabläufe eingegliedert werden. Die Abläufe müssen manchmal angepasst werden. "Das Erarbeiten eines Arbeitsplatzes ist kein Spaziergang", formulierte Mälzer. Das ist möglich, wenn die Bereitschaft dazu da ist. Diesem zusätzlichen Aufwand steht aber häufig ein Gewinn an Motivation und Arbeitsfreude der Gesamtbelegschaft gegenüber. "Am Ende war ich stolz und gerührt", so Mälzer.
  • Menschen mit Behinderungen kann auf Augenhöhe begegnet werden. Erst durch die Formulierung von klaren Erwartungen werden Kräfte und Talente freigesetzt, die mit einer allein fürsorglichen Grundhaltung häufig überdeckt werden.
  • Bei Inklusionsfragen engagieren sich häufig Menschen, die im Familien- und Bekanntenkreis über eigene Erfahrungen verfügen. Beim "Zum Schwarzwälder Hirsch" war das André Dietz, der ein Integrationskind hat, aber durch die Erfahrung viel dazu lernte. "Ich weiß jetzt, dass ich vorher nichts über Inklusion wusste", so Dietz. In den meisten Betrieben dürfte man Leute finden, die sich hier engagieren wollen.
  • Solche TV-Sendungen helfen dem Thema "Inklusion am Arbeitsmarkt" mehr als moralische Appelle. Sie zeigen Möglichkeiten auf und motivieren, etwas zu tun.

Zuletzt war der Dreiteiler "Zum Schwarzwälder Hirsch" gutes Fernsehen, das eine Million Zuschauerinnen und Zuschauer erreichte und Top-Einschaltquoten in der jungen, werberelevanten Zielgruppe.

Hinweis: Die Sendung "Zum Schwarzwälder Hirsch" ist in der Mediathek von RTL+ verfügbar.


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