Recruiting mit Masse und Klasse
Big-Data-Analysen könnten viele Prozesse im Personalmanagement revolutionieren. Zum Beispiel das Recruiting: Je mehr Informationen über Jobs und Jobsucher abgeglichen werden, desto schneller können Unternehmen offene Stellen besetzen – und desto weniger müssen sie den Fachkräftemangel fürchten. Nach diesem Prinzip funktioniert Talentwunder, eine Software des gleichnamigen Berliner IT-Hauses. Sie ermöglicht eine Suche in 1,6 Milliarden Personenprofilen.
Als Ex-Telekom-Personalvorstand Thomas Sattelberger im Juli 2016 das Berliner Büro von Talentwunder besuchte und dem IT-Unternehmen in einem Video-Interview großes Potenzial bescheinigte, war das "fast ein Ritterschlag für uns", sagt Geschäftsführer und Mitgründer Andreas Dittes. "Wenn einer der bekanntesten HR-Köpfe Deutschlands betont, was Big-Data-Analysen künftig im Recruiting zu leisten vermögen, dann zeigt uns das, dass wir auf dem richtigen Weg sind."
Recruiting mal anders: Unternehmen kontaktiert Kandidaten
Talentwunder dreht den Recruiting-Prozess um: Nicht die Fachkraft bewirbt sich, sondern das Unternehmen fragt mögliche Kandidaten, ob sie Interesse an einem Job haben. Im Hintergrund arbeitet eine Software, die wie eine Suchmaschine das Internet nach potenziellen Bewerbern durchforstet. Eine Fundgrube sind dabei Netzwerke wie Xing. "Wir senden jeden Tag viele Signale, während wir soziale Medien nutzen", erläutert Dittes. Manches geschieht unbewusst: Wer beruflich auf dem Sprung ist, gibt sich besondere Mühe, sein Profil zu vervollständigen und aktuell zu halten – in der Hoffnung, Unternehmen auf sich aufmerksam zu machen.
"Ebenso haben wir erkannt, dass ein neues Profilfoto ein guter Indikator für das Interesse an einem neuen Job sein kann", sagt Dittes. "Insgesamt nutzen wir für die Berechnung der Wechselindikatoren eine Fülle von Signalen sowie Statistik – aufschlussreich ist beispielsweise, wie lange jemand im aktuellen Job ist."
Latente Wechselbereitschaft erkannt
Experten schätzen, dass 80 Prozent derjenigen, die sich einen beruflichen Wechsel grundsätzlich vorstellen können, nicht in Jobbörsen inserieren. Trotzdem würden sie bei einem guten Jobangebot zugreifen. Dass sie "reif" für eine gezielte Ansprache sind, erkennt Talentwunder anhand von Informationen, die aus mehr als 40 Netzwerken, darunter Xing, Github, Twitter, Research Gate, Upwork, Bintray, zusammengetragen werden.
"Wir haben mittlerweile mehr als 1,6 Milliarden Profile aggregiert und damit die vermutlich größte Personensuchmaschine der Welt geschaffen", sagt Dittes. Ein raffinierter Algorithmus und die schiere Datenmenge machten Talentwunder zu einem "sehr mächtigen Werkzeug, wenn ich weltweit nach passenden Talenten suche". Einzelne soziale Netzwerke, die in der Personalbeschaffung eine Rolle spielen, bieten dagegen nicht mehr als zehn Millionen Profile. "Unsere Datenbank wächst alle zwei bis drei Tage um diese Größenordnung", sagt Dittes. Die bislang größte Talentdatenbank wird von Talentbin betrieben: Sie umfasst rund 300 Millionen Profile, was aber nur ein Fünftel der Datenmenge bei Talentwunder ausmacht.
Bereitschaft zum Umzug berechnet
Die Talentwunder-Software ist als Software-as-a-Service-Lösung sofort über den Webbrowser einsetzbar. Sie kann auch in bestehende Softwareumgebungen implementiert werden. Über ein Suchinterface modelliert der Kunde sein Kandidatenprofil (Test unter
www.talentwunder.com). In weniger als zwei Sekunden pflügt die Software durch die Suchdatenbank und listet passende Profile auf. Der Kunde kann die Suche noch verfeinern. Zudem lassen sich die Profile nach vermuteter Wechselbereitschaft sortieren und in eine Talentpipeline weiterleiten.
Talentwunder berechnet sogar, wie wahrscheinlich es ist, dass ein Kandidat für eine neue Stelle umzieht. "Ein Vorteil unserer Lösung ist auch, dass sich der Kunde nicht mit den Netzwerken beschäftigen muss", sagt Dittes. "Wir sorgen ständig dafür, dass neue Quellen angeschlossen werden. Ähnlich wie bei Google muss ich nicht die Zielseite kennen, sondern gehe einfach auf die Google-Startseite und schicke dort meine Suche ab."
Partnerschaften mit großen Technologieunternehmen
Die 2014 von Dittes und Jörg Rech in Berlin gegründete Talentwunder UG war der erste Ableger des Inkubators Project Flying Elephant von West Tech Ventures. Flying Elephant hat mittlerweile mehr als 25 technisch orientierte Unternehmen, vor allem in der Softwareentwicklung, auf die Schiene gesetzt.
Aus der Brutphase rührt auch die besondere Beziehung von Talentwunder zu IBM her: Das Startup gehört zu den ersten Unternehmen, die den "Supercomputer" IBM Watson nutzen. Mit dessen Hilfe entstand der Suchcluster, der die schnelle Suche mit komplexen Filtern und Geokoordinaten in den 1,6 Milliarden Profilen ausführt. "Die Technologie ist so spannend, dass wir auch Partnerschaften mit großen Technologieunternehmen wie Amazon, Google, Microsoft und IBM haben und als Startup mit Rechenleistung unterstützt werden", sagt Dittes.
Nächstes Projekt: "Talentalert"
Talentwunder hat heute 14 Mitarbeiter. Im Sommer 2016 wurden neue, größere Büroräume in Berlin-Mitte bezogen. Die Recruiting-Lösung ist seit Frühjahr 2016 am Markt und hat seitdem rund 40 Kunden gefunden, darunter große Personalberatungen und Konzerne. Bis zu 20.000 Lizenzen zum Preis von 3.900 Euro jährlich könnten in Deutschland vergeben werden, schätzt die Geschäftsführung. Auch andere europäische Länder böten Marktchancen.
Die Talentwunder-Software soll nicht das einzige Produkt bleiben. "Wir wollen Unternehmen bestmöglich dabei unterstützen, die besten Talente weltweit zu identifizieren und zu gewinnen", sagt Dittes. "So bauen wir zum Beispiel gerade an einem 'Talentalert', der mir zielgenau Profile zeigt, die für mich als Unternehmen besonders passend und offen für einen neuen Job sein könnten."
Blaues Wunder vermeiden, Talentwunder erleben
Großen Wert legen die IT-Spezialisten darauf, dass die Algorithmen stetig weiterentwickelt werden. Vor allem zu den Themen "Wechselprognose" und "Kandidatenmobilität" tauschen sie sich intensiv mit Wissenschaftlern von Hochschulen und Praktikern aus Unternehmen aus. In mancher Hinsicht betritt Talentwunder Neuland, etwa bei der Entwicklung eines Modells für Skill-Forecasting, also der Vorausschau auf Kompetenzanforderungen an Arbeitnehmer in Deutschland.
Diese Forschungen könnten arbeitsmarktpolitische Entscheidungen der Bundesregierung vorbereiten. "Das ist unser bescheidener Beitrag dazu, dass wir in Deutschland volkswirtschaftlich kein blaues Wunder, sondern tatsächlich ein Talentwunder erleben", sagt Dittes.
Zum Weiterklicken: Wie die prämierte Metasuchmaschine von Talentwunder funktioniert, können Sie sich auch in einem
Youtube-Video ansehen.
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Alle Beiträge zum Thema "Recruiting" finden Sie auf dieser Themenseite.
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