Verlust der Befreiung von der Rentenversicherungspflicht durch anwaltsfremde Tätigkeit
Dem Urteil des BSG liegt ein Fall zugrunde, in dem ein Rechtsanwalt seine anwaltliche Tätigkeit über mehrere Jahre aufgegeben und mehrfach unterschiedliche, anwaltsfremde Beschäftigungsverhältnisse eingegangen ist.
Befreiung von der Versicherungspflicht für diverse berufsfremde Tätigkeiten
Seit März 1996 war der Kläger Mitglied einer Rechtsanwaltskammer und seit September 1999 als Pflichtmitglied im Versorgungswerk der Rechtsanwälte Berlin versichert. Bis März 1999 war er als angestellter Rechtsanwalt in einer Kanzlei tätig. Demgemäß erteilte die damalige BfA und heutige DRV die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht. Ende des Jahres 2008 gab der Kläger seine anwaltliche Tätigkeit auf, war anschließend ein knappes Jahr arbeitslos und nahm danach diverse, nicht anwaltliche Tätigkeiten bei unterschiedlichen Arbeitgebern auf, unter anderem als Arbeitsvermittler bei der Bundesagentur für Arbeit. Auch für diese Tätigkeit erteilte die gesetzliche Rentenversicherung zugunsten des Fortbestandes der Altersversorgung beim Versorgungswerk der Rechtsanwälte Berlin eine Befreiung von der Rentenversicherungspflicht.
Nach sieben Jahren berufsfremder Tätigkeiten weitere Befreiung abgelehnt
Als der Kläger im Jahr 2015 eine Tätigkeit als Sachbearbeiter im Bereich Grundsicherung bei einem Landkreis aufnahm, beantragte er im Hinblick auf seine weiterhin bestehende Mitgliedschaft im Versorgungswerk der Rechtsanwälte Berlin erneut die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht. Diesmal winkte der Rentenversicherungsträger ab.
Seit längerem habe der Kläger keine berufsspezifische Tätigkeit mehr ausgeübt. Mit der mehrfachen Aufnahme zeitlich befristeter Tätigkeiten in berufsfremden Bereichen habe der Kläger seine anwaltliche Tätigkeit in einer Weise unterbrochen, dass ein Bezugspunkt für eine weitere Ausdehnung der Befreiung von der Versicherungspflicht nicht mehr ersichtlich sei.
Vorinstanzen gaben dem Rechtsanwalt Recht
Die hiergegen eingereichte Klage des Anwalts war in den ersten beiden Instanzen erfolgreich. Das Hessische LSG bejahte die Voraussetzungen für eine Befreiung im Sinne des § 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI. Diese Vorschrift soll nach Auffassung des LSG Freiberuflern, die ihre hauptberufliche Tätigkeit unterbrechen, die Möglichkeit zur Schließung einer sonst entstehenden Lücke in ihrer Erwerbsbiografie geben und dabei die berufsständische Versorgung aufrechterhalten.
BSG sieht Befreiung nur für vorübergehende Berufsunterbrechung
Das BSG legte in der Revisionsinstanz die Vorschrift des § 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI deutlich enger aus. Der Zweck der Vorschrift bestehe darin, in Fällen einer Unterbrechung der anwaltlichen Tätigkeit durch eine vorübergehende und befristete Aufnahme einer berufsfremden Tätigkeit für den Betroffenen das bisherige berufsständische Altersversorgungssystem zu erhalten und einen nur vorübergehenden Wechsel in ein anderes Altersversorgungssystem zu vermeiden.
Entscheidende Voraussetzung für eine Befreiung sei, dass die Unterbrechung der anwaltlichen Tätigkeit lediglich vorübergehender Natur sei und ein hinreichender zeitlicher Zusammenhang mit der ursprünglich anwaltlichen Tätigkeit erhalten bleibe.
Schon nach 3-monatiger Unterbrechung kein Anspruch auf Befreiung mehr
Diese Voraussetzung war nach Auffassung des BSG im vorliegenden Fall nicht mehr erfüllt. Bereits Ende des Jahres 2008 habe der Kläger seine berufsspezifische Tätigkeit als Anwalt beendet und anschließend mehrfach berufsfremde Tätigkeiten ausgeübt, ohne in diesem Zeitraum seine anwaltliche Tätigkeit wieder aufzunehmen oder fortzuführen. Die übliche Verwaltungspraxis der Rentenversicherungsträger, einen hinreichenden zeitlichen Zusammenhang zu der berufsspezifischen Tätigkeit zu verneinen, wenn die andere Tätigkeit mehr als drei Monate nach Aufgabe der befreiten Beschäftigung aufgenommen wird, sei nicht zu beanstanden. Mit der im Jahr 2015 aufgenommen Tätigkeit des Klägers als Sachbearbeiter für Grundsicherungsfragen sei der erforderliche zeitliche Zusammenhang mit seiner anwaltlichen Tätigkeit bei weitem überschritten. Eine Befreiung von der Rentenversicherungspflicht komme für diese Tätigkeit nicht mehr in Betracht.
Berufsrechtliche Vorschriften auf Versicherungspflicht nicht anwendbar
Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen half dem Kläger auch § 47 BRAO nicht weiter. Nach dieser Vorschrift war dem Kläger während seiner befristeten Beschäftigung im öffentlichen Dienst eine anwaltliche Tätigkeit untersagt. Die Vorschrift ermöglicht trotz dieser Untersagung auf entsprechenden Antrag den Erhalt des Status als zugelassener Rechtsanwalt. Das BSG bewertet diese Vorschrift als eine rein berufsrechtliche Bestimmung, die keinerlei Bezug zur Frage der Rentenversicherungspflicht habe.
BSG weist Klage des Anwalts ab
Nach Auffassung des BSG hatte die Beklagte dem Kläger Befreiung von der Rentenversicherungspflicht bereits weit über das gesetzlich vorgesehene Maß in äußerst großzügiger Weise erteilt. Mit Aufnahme der Tätigkeit im Bereich der Grundsicherung im Jahr 2015 sei ein Befreiungsanspruch endgültig nicht mehr gegeben. Das BSG hob daher die Entscheidung der Vorinstanz auf und wies die Klage des Anwalts ab.
(BSG, Urteil v. 11.3.2021, B 5 RE 2/20 R)
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Norm: § 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI
- Die Befreiung ist auf die jeweilige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit beschränkt.
- Sie erstreckt sich in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 und 2 auch auf eine andere versicherungspflichtige Tätigkeit, wenn diese infolge ihrer Eigenart oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist und der Versorgungsträger für die Zeit der Tätigkeit den Erwerb einkommensbezogener Versorgungsanwartschaften gewährleistet.
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