Kann die Verfolgung eines Diebes ein Arbeitsunfall sein?
Es war ein langer Kongresstag im Rahmen einer Dienstreise nach Barcelona, die der Kläger mit Kollegen in einer Bar ausklingen ließ. Der Kongresstag hatte mit einem Abendessen gegen 24 Uhr geendet. Der anschließende Barbesuch dauerte bis 5 Uhr morgens. Als der Mann mit seinen Kollegen die Bar verlassen hatte und gerade in ein Taxi einsteigen wollte, wurde ihm der Geldbeutel entwendet. Er verfolgte den Täter daraufhin, um sein Portemonnaie wieder zu bekommen. Dabei wurde er von einer anderen Person zu Fall gebracht und verletzte sich.
Berufsgenossenschaft verweigert Leistungen für Folgen eines Barbesuchs
Von der Berufsgenossenschaft verlangte der Verletzte die Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall. Doch die lehnte ab.
- Aufgrund des Barbesuchs sei für den Rückweg zum Hotel der Versicherungsschutz entfallen.
- Zudem habe der Versicherte den Unfall bei der Verfolgung des Diebes erlitten.
Grundsätzlich gilt: Beschäftigte sind auf Dienstreisen auch während der Hin- und Rückfahrten zum Tagungsort bzw. dem Hotel gesetzlich unfallversichert. In dem vorliegenden Fall fehlte aber - durch die Unterbrechung zwecks Barbesuch - der betriebliche Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit, entschied das LSG Hessen und verneinte deshalb das Vorliegen eines Arbeitsunfalls.
Unfall muss Folge einer beruflichen Tätigkeit sein
Rechtsgrundlage für die Anerkennung als Arbeitsunfall ist § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII.
- Arbeitsunfälle sind danach Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2,3 oder 6 bzw. 8 Abs. 2 SGB VII begründeten Tätigkeit
- Unfälle sind gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen.
Kein Versicherungsschutz bei der Verfolgung eines Diebes
Verfolge ein Versicherter auf dem Rückweg zum Hotel einen Dieb, um seine gestohlene Geldbörse zurückzubekommen, so widme sich der Beschäftigte rein persönlichen, von seinen betrieblichen Aufgaben nicht mehr wesentlich beeinflussten Belangen.
- Da der Versicherte den Täter nicht verfolgt habe,
- um ihn der Strafverfolgung zuzuführen,
- komme auch kein Versicherungsschutz wegen der Verfolgung eines Straftäters im allgemeinen Interesse in Betracht.
Grundsätzlich gilt für Dienstreisen, dass auf ihnen kein lückenloser Versicherungsschutz besteht (BSG Urteil v. 12.06.1990, 2 RU 57/89).
Wann die Unfallversicherung auf Dienstreisen greift und wann nicht
Im Einzelnen hatte das Bundessozialgericht ausgeführt:
- Reisende sind während einer Dienstreise nicht schlechthin bei allen Verrichtungen unfallversicherungsrechtlich geschützt.
- Gerade bei längeren Dienstreisen ließen sich im Ablauf der einzelnen Tage in der Regel Verrichtungen unterscheiden, die mit der Tätigkeit für das Unternehmen wesentlich im Zusammenhang stünden, und solche, bei denen dieser Zusammenhang in den Hintergrund trete.
- Die besonderen Umstände bei einer dienstlich veranlassten Reise brächten es aber mit sich, bei einer Reihe von Tätigkeiten anders als an sich am Wohn- oder Betriebsort einen inneren Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit zu begründen.
Allerdings gilt auf Dienstreisen: Der Versicherungsschutz entfällt, wenn der Reisende sich rein persönlichen, von seinen betrieblichen Aufgaben nicht mehr wesentlich beeinflussten Belangen widmet (BSG, Urteil v. 13.02.1975, 8 RU 86/74). Fazit: Der Mann hat keinen Anspruch gegen die gesetzliche Unfallversicherung.
(LSG Hessen, Urteil v. 11.03.2019, L 9 U 118/18)
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Hintergrund:
Arbeitsunfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Sie werden auch als Berufsunfälle bzw. Werksunfälle oder Betriebsunfälle bezeichnet. Bei Unfallereignissen muss ein Bezug zu einer Tätigkeit gegeben sein, die unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung steht (versicherte Tätigkeit). Anderenfalls (z. B. bei privaten Freizeit-, Sport- oder Verkehrsunfällen) handelt es sich nicht um einen Arbeitsunfall, für den ein Träger der gesetzlichen Unfallversicherung zuständig ist.
Unfallversicherungsschutz auf Dienstreisen besteht immer dann, wenn Versicherte Tätigkeiten nachgehen, die für den Antritt der dienstlich veranlassten Auswärtstätigkeit maßgeblich sind (BSG, Urteil v. 19.08.2003, B 2 U 43/02 R ). Nicht versichert sind Tätigkeiten, die eindeutig der Privatsphäre zuzuordnen sind und denen man sich beliebig zuwenden kann (z. B. Besichtigungen oder Ausflüge).
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