Englisch als Gerichtssprache vor deutschen Gerichten
Nach einer Initiative der Bundesländer Nordrhein - Westfalen und Hamburg soll vor hierfür speziell einzurichtenden Kammern für Handelssachen künftig in englischer Sprache verhandelt werden können. Bereits 2010 hat das BMJ unter Leitung von Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger einen entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt.
Deutschen Gerichtsstand international attraktiver machen
Ziel des Entwurfs ist es, die Attraktivität des deutschen Rechtssystems auf Rechtsstreitigkeiten mit internationalem Bezug auszuweiten.
- Das deutsche Rechtssystem werde weithin geschätzt.
- In internationalen Verträgen werde die Anwendung deutschen Rechts dennoch nur selten vereinbart,
- weil man mangels ausreichender Sprachkenntnisse nicht in deutscher Sprache vor Gericht verhandeln wolle.
Wenn schon, dann der komplette Instanzenzug in Englisch
Auf dieses Problem weisen Fachjuristen hin. Was nutzt es – so fragen sie – wenn die erste Instanz vor einer Spezialkammer in englischer Sprache geführt werden kann, für die Rechtsmittelinstanz dann aber keine geeigneten englischsprachigen Richter zur Verfügung stehen Der Gesetzentwurf hat dieses Problem zumindest berücksichtigt und auch für die Rechtsmittelinstanzen die Zulässigkeit der englischen Sprache vorgesehen.
Schaffen das die Richter?
Fachjuristen bezweifeln allerdings, ob die erforderliche Fremdsprachenkompetenz bei den Oberlandesgerichten und beim BGH vorhanden ist. Rechtswissenschaftler warnen angesichts des Gesetzentwurfs vor verfrühter Euphorie. Die Verhandlung in englischer Sprache vor deutschen Gerichten stoße auf bedenkenswerte praktische Schwierigkeiten. Dies beginne damit, dass deutsche Rechtsvorschriften oft nur schwer ins Englische übersetzt werden könnten.
Der Teufel liegt im Detail
Für deutsche Rechtsbegriffe existiere im Englischen oft kein sprachliches Äquivalent oder es werde unter dem gleichen Begriff im angelsächsischen oder amerikanischen Recht etwas ganz Anderes verstanden. Hierdurch könnten in Gerichtsverhandlungen erhebliche Missverständnisse entstehen. Diese Problematik sei für jeden evident, der sich in verschiedenen Rechtssystemen auskenne.
Wie geht es weiter?
Nach einem eher euphorischen Start des Gesetzentwurfs herrscht inzwischen Ernüchterung. Die Traditionalisten verweisen auf die Vielfalt der deutschen Sprache und deren Differenzierungsmöglichkeiten, denen die englische Sprache oft nichts entgegen zu setzen habe.
Servicementalität?
Die Sprache als Kulturgut schaffe auch Identität, die ein Stück weit mit der Zulassung des Englischen als Gerichtssprache aufgegeben werde. In Frankreich werde die Landessprache mit dem „Loi Toubon“ sogar gesetzlich geschützt, die Verwendung von Anglizismen werde weitgehend untersagt. Englisch als Gerichtssprache sei dort kein Thema.
Es wird gefragt, ob die rechtliche Anbiederung an große Wirtschaftsunternehmen – und das sei der wesentliche Kern der geplanten Änderung – die Erosion eines so hohen Gutes wie dem der Landesprache wert sei. Die Gegenseite argumentiert eher ökonomisch pragmatisch: Auch die Justiz müsse finanziert werden. Nach dem jetzigen Stand gingen die Prozesse mit den höchsten Streitwerten am deutschen Staat und der deutschen Anwaltschaft vorbei.
Die neue Zeit hat schon begonnen
Die Skeptiker werden die Entwicklung wohl nicht mehr aufhalten können. Im OLG-Bezirk Köln hat die Zukunft bereits begonnen. Das OLG sowie die angeschlossenen Landgerichte Aachen, Bonn und Köln haben bereits Kammern bzw. Senate eingerichtet, vor denen in englischer Sprache verhandelt werden kann. Wie ist das möglich, wenn doch § 184 Satz 1 GVG immer noch lautet: „Die Gerichtssprache ist Deutsch“ (nach Satz 2 in den sorbischsprachigen Randgebieten auch sorbisch).
Über den Umweg der Gerichtsstandsvereinbarung kann diese Möglichkeit laut OLG-Präsident Johannes Riedel jetzt schon gewählt werden. Die Urteile müssen aber noch in deutscher Sprache abgefasst werden.
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