Arzthaftung: Mediziner müssen Behandlungsalternativen erläutern

Wohl die meisten Arzthaftungsklagen werden gewonnen, weil die Mediziner ihre Patienten vor der Behandlung nicht korrekt über die Risiken und Erfolgschancen eines Eingriffs oder einer Therapie aufgeklärt haben. Das lässt die Einwilligung in den Eingriff entfallen. Auch in einem aktuellen Urteil des OLG Hamm ging es um die haftungskritische Aufklärungspflicht.  

Ein Zahnarzt hatte bei einem Patienten im Unterkiefer zwei Plomben erneuert. Dabei hatte er den zu behandelnden Bereich mit einer sog. Leitungsanästhesie betäubt.

Leichter Eingriff mit bleibenden Schädigungen

Nach der Behandlung waren die Zahnschmerzen zwar weg, allerdings stellte sich beim Patienten ein dauerhaftes Taubheitsgefühl der Zunge ein.

Mit der Begründung, seinem Zahnarzt sei bei der Anästhesie ganz offensichtlich ein Behandlungsfehler unterlaufen, aufgrund dessen der Zungennerv geschädigt worden sei, verlangte der Patient Schadensersatz und Schmerzensgeld vom Mediziner. Die Angelegenheit ging vor Gericht, da der Arzt bestritt, einen Fehler gemacht zu haben.

Schädigung des Zungennervs auch bei fachgerechter Behandlung?

Die Schädigung des Zungennervs sei auch möglich, wenn der Eingriff fachgerecht durchgeführt werde. Und über dieses Risiko sei der Mann vor der Behandlung auch aufgeklärt worden, so dass ihm als behandelnder Arzt nichts vorzuwerfen sei. Der Zahnarzt sah sich nicht in der Haftung.

Arzt muss über mögliche Behandlungsvarianten aufklären

Die Richter am OLG Hamm ließen es dahingestellt, ob dem Zahnarzt ein Fehler unterlaufen sei oder nicht.

  • Der Eingriff sei in jedem Fall rechtswidrig gewesen, weil eine wirksame Einwilligung des Klägers in die Behandlung gefehlt habe.
  • Der Zahnarzt habe es unterlassen, seinen Patienten über eine alternativ mögliche zweite Anästhesie-Methode aufzuklären,
  • die zwar ebenfalls Risiken in sich birgt, jedoch nicht zu Nervenschädigungen hätte führen können.

Die Folge: Der Zahnarzt wurde zur Zahlung von Schmerzensgeld und Schadensersatz verurteilt.

(OLG Hamm, Urteil vom 19. April 2016, 26 U 199/15).

Anmerkung: Wie so oft, scheiterte hier ein Mediziner an der Verletzung seiner aus § 630e BGB resultierenden Aufklärungspflicht.

  • Diese Pflicht umfasst nicht nur eine Aufklärung des Patienten über die Diagnose, den Verlauf der Krankheit und die zu beachtenden therapeutischen Begleitmaßnahmen (wie z.B. das Schonen nach einer OP),
  • sondern auch eine Aufklärung über die versicherungstechnischen und wirtschaftlichen Aspekte, die mit einer Behandlung verbunden sind,
  • sowie eben auch die umfassende Unterrichtung über gleichwertige Behandlungsmethoden mit unterschiedlichen Risiken.

Achtung: Ärzte müssen ihre Patienten in einem persönlichen Gespräch aufklären. Die Aushändigung eines Formblattes, das alle nötigen Aufklärungshinweise enthält, genügt nicht.

 

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Schlagworte zum Thema:  Beweislast, Arzthaftung