Des „Dr.- Grades“ unwürdig
Diese Erfahrung musste nun ein promovierter Physiker machen, der in den Jahren 1998-2002 in den USA auf den Gebieten Supraleitung und der Herstellung von Nano-Bauelementen experimentierte und forschte. Promoviert hatte er im Januar 1998 an einer baden-württembergischen Universität. Während seiner Forschungsarbeiten beteiligte er sich an einer Vielzahl wissenschaftlicher Publikationen. Seine Veröffentlichungen wurden teilweise als bahnbrechend gewürdigt. Eine US-Kommission stellte später fest, dass der Physiker schlampig gearbeitet hatte. Für 25 Ausarbeitungen hatte er die Originaldaten der beschriebenen Experimente nicht systematisch archiviert, er hatte mehrfach Daten manipuliert und unrichtig dargestellt. Im Juni 2004 entzog die baden-württembergische Universität, an der der Kläger promoviert hatte, ihm den verliehenen Doktorgrad.
Vertrauensvorschuss verwirkt
Gegen den Entzug der Doktorwürde ging der Physiker gerichtlich vor und erhielt zunächst vom Verwaltungsgericht Freiburg Recht. In den beiden Folgeinstanzen unterlag der Kläger jedoch und muss fortan auf den Doktorgrad verzichten. Nach der Feststellung des Bundesverwaltungsgerichts hat der Kläger sich als unwürdig erwiesen, den Doktorgrad zu führen. Mit der Verleihung des Doktorgrades - so die Richter – werde dem Betroffenen ein wissenschaftlicher Vertrauensvorschuss zuteil. Der Doktorgrad dokumentiere, dass auf ein den Regeln der Wissenschaft entsprechendes Arbeiten des Betroffenen Verlass sei. Wer durch vorsätzliche Manipulation an wissenschaftlichen Ergebnissen und Untersuchungen Forschungsarbeiten verfälschte, der enttäuschte dieses Vertrauen und sei in Zukunft unwürdig, den Doktorgrad zu führen.
Gesetzliche Normen
Bundesweit regelt das GfaG die Rahmenbedingungen für die Verleihung und den Entzug von Doktorgraden. Die Bundesländer haben allerdings von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, in ihren Hochschulrahmengesetzen eigene Regelungen zu treffen. Hiernach wird die Regelungsbefugnis weitgehend an die einzelnen Hochschulen weiter delegiert, die die entsprechenden Regelungen in ihren Promotionsordnungen getroffen haben. Im Kern ähneln sich die Bestimmungen weitgehend. Sämtliche Regelungen sehen die Möglichkeit vor, bei Unwürdigkeit des Betroffenen, den Doktorgrad nachträglich wieder zu entziehen.
Regelung ist verfassungsgemäß
Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts ist der Begriff der „Unwürdigkeit“ hinreichend bestimmt. Er wird von der Rechtsprechung so ausgelegt, dass nicht ein allgemein unwürdiges Verhalten sondern nur ein unwürdiges Verhalten mit konkretem Wissenschaftsbezug die Rechtsfolge des Entzugs der Doktorwürde auslösen könne. Durch diese konkrete Ausrichtung auf den Wissenschaftsprozess sei die Regelung hinreichend bestimmt. Sie umfasse nur vorsätzliche oder grob fahrlässige Verstöße gegen wissenschaftliche Kernpflichten. Insbesondere die Fälschung oder Manipulation von Forschungsergebnissen sei eine so fundamentale Verletzung einer wissenschaftlichen Kernpflicht, dass ein solches Verhalten unzweideutig unter diese Regelung falle.
Entzug verletzt nicht die Grundrechte
Infolge der eindeutig wissenschaftlichen Ausrichtung des Unwürdigkeitsbegriffes verletze die Vorschrift auch weder das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG noch die durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Berufsfreiheit. Der Entzug des Doktorgrades rechtfertige sich dadurch, dass das überragend hohe Gut der wissenschaftlichen Wahrheit und Redlichkeit gegen jegliche manipulative Tendenzen geschützt werden müsse. Dieses Gut habe eine so hohe Bedeutung, dass das Interesse des Einzelnen an der Fortführung des Doktorgrades dahinter zurücktreten müsse. Infolge der seitens des Klägers zu verantwortenden vorsätzlichen wissenschaftlichen Manipulationen sei der Entzug des Doktorgrades nicht nur rechtmäßig, sondern zum Schutze der Wissenschaft geradezu zwingend erforderlich gewesen.
(BVerwG, Urteil v. 31.07.2013, 6 C 9.12)
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