Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz ist bereits in Kraft
Deutschland hat gegenüber den Flüchtlingen aus den Kriegs- und Unruhegebieten in Syrien und Irak, aber auch in Afghanistan und Teilen von Afrika, vertreten durch die Kanzlerin, ein freundliches Gesicht gezeigt und eine auf dem ganzen Globus einzigartige Willkommenskultur für Flüchtlinge ins Leben gerufen.
Willkommensstimmung droht zu kippen
Unabhängig von der Frage, ob dieses „refugees welcome“ mit zu der enormen, nach Deutschland schwappen Flüchtlingswelle beigetragen hat oder ob die Flüchtlinge auch so gekommen wären, die Willkommensstimmung droht zu kippen. Am rechten Rand formiert sich Dumpfes und es schlägt die Stunde politischer Karrieristen und ideologisch fehlgeleitete Abendlandverteidiger. Die Regierung ist alarmiert und versucht gegenzusteuern.
Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz soll die Probleme lösen helfen
Eines der entscheidenden Instrumente zur Gegensteuerung ist das im Schnellverfahren bereits am 24.10.2015 in Kraft getretene Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz. Mit diesem Gesetz verfolgt die Regierung das Ziel
- sowohl einer Begrenzung der Zahl der ins Land strömenden Flüchtlinge
- als auch die Einführung eines geordneten Verfahrens zur Registrierung der Flüchtlinge
und damit eines Beitrags zur Bewältigung der aufgetretenen enormen Verwaltungsprobleme.
Deutliche Trennung von Personen mit und Personen ohne Bleibeperspektive
Strategisch setzt die Regierung an verschiedenen Problempunkten an:
- Personengruppen, die in Deutschland keine Aussicht auf Gewährung von Asyl haben, sollen bereits in ihrem Heimatland deutlich über dieses Faktum informiert werden. Fehlvorstellungen sollen dadurch für Personen ohne Bleibeperspektive reduziert werden.
- Die Beschleunigung der Asylverfahren soll dazu beitragen, dass Personen ohne Bleibeperspektive das Land wieder schnell verlassen und auf der anderen Seite Asylberechtigte einer möglichst schnellen Integration zugeführt werden können.
- Personen mit Bleibeperspektive sollen möglichst kurzfristig in Sprach- und Integrationskurse geführt werden. Auch der Besuch von Bildungseinrichtungen zur Aufnahme einer Berufsausbildung und zur Aufnahme einer Beschäftigung sollen für diese Personengruppe deutlich erleichtert und beschleunigt werden.
- Durch Änderungen insbesondere des Baurechts soll für die Länder und Kommunen die Möglichkeit geschaffen werden, kurzfristig und ohne baurechtliche und verwaltungsrechtliche Beschränkungen möglichst schnell Wohnraum und Notunterkünfte für Asylberechtigte zu schaffen.
Maßnahmen zur Begrenzung bzw. Reduzierung der Asylbewerberzahlen
- Albanien, Kosovo, Montenegro werden zu sicheren Herkunftsstaaten im Sinne von Art. 16 a Abs. 3 GG erklärt. Damit können Angehörige dieser Staaten deutlich schneller ausgewiesen werden.
- Zukünftig können Asylbewerber aus sicheren Herkunftsländern verpflichtet werden, bis zum Ende ihres Asylverfahrens in Erstaufnahmeeinrichtungen zu verbringen. Dies soll der Beschleunigung der Verfahrensabwicklung dienen.
- Auch andere Asylbewerber können zum Verbleib in der Erstaufnahmeeinrichtung bis zu einem Zeitraum von drei Monaten verpflichtet werden.
- Zur Vermeidung von Fehlanreizen soll Asylbewerbern die Barauszahlung von Taschengeld vorenthalten werden können, sofern mit vertretbarem Verwaltungsaufwand die Erbringung von Sachleistungen - auch Wertgutscheine – möglich ist.
- Geldleistungen werden höchstens für einen Monat im Voraus gezahlt.
- Bei Ausreisepflichtigen, für die ein Bleiberecht nicht in Betracht kommt, soll die Gewährung von Geld- und Sachleistungen bis zum Datum der Ausreise befristet werden können. Bleibt der Ausreisepflichtige widerrechtlich in Deutschland, so soll er nur noch Leistungen zur Deckung des unbedingt notwendigen Bedarfs an Ernährung und Unterkunft, sowie zur Körper- und Gesundheitspflege erhalten.
- Für Asylbewerber aus sicheren Herkunftsländern, die nach dem 31.8.2015 einen Asylantrag gestellt haben, gilt ein Beschäftigungsverbot.
- Die Strafbarkeit von Schleusern wird erheblich verschärft. Die Mindestfreiheitsstrafe beträgt drei Monate.
Maßnahmen zur Entlastung der Länder und Kommunen
- Länder und Kommunen stöhnen zurzeit besonders unter den durch die Flüchtlingswelle enorm angestiegenen finanziellen Belastungen. Der Bund will dies durch strukturelle Beteiligung an den gesamtstaatlichen Kosten auffangen und zahlt unter anderem 670 Euro pro Flüchtling und Monat an das jeweilige Bundesland.
- Durch eine Änderung der Umsatzsteuerverteilung nach dem Finanzausgleichgesetz entlastet der Bund die Länder von Kosten für Asylbewerber und für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge.
- Die Leistungen des Bundes für den sozialen Wohnungsbau werden aufgestockt.
Verbesserung der Situation Flüchtlingen mit guten Bleibeaussichten
Hier die Maßnahmen zur besseren Integration:
Medizin:
- Die Entscheidung über die Einführung einer Gesundheitskarte für Flüchtlinge wird den Ländern überlassen. Die gesetzlichen Krankenkassen können von den Ländern verpflichtet werden, gegen Kostenerstattung die Krankenbehandlungen bei den Asylbewerbern zu übernehmen.
- Der Impfschutz für Asylbewerber wird verbessert.
- Asylsuchende, die über eine abgeschlossene Ausbildung in einem medizinischen Heilberuf verfügen, sollen in die medizinische Erstversorgung von anderen Asylsuchenden eingebunden werden können.
Unterkunft
- Für den Bau von Gebäuden für die Unterbringung von Asylbewerbern und Flüchtlingen werden die bauplanungs- und bauordnungsrechtlichen Standards geändert. Unter anderem soll durch Erleichterungen bei den Vorschriften zum Einsatz erneuerbarer Energien und den energetischen Anforderungen an den Wärmeschutz und an die Anlagetechnik in Gebäuden die Möglichkeit für eine schnellere Errichtung von Gebäuden ohne bürokratische Hemmnisse geschaffen werden.
Integration
- Die Mittel für Integrationskurse werden durch den Bund erheblich aufgestockt. Berufsbezogene Sprachkurse und Integrationskurse werden besser vernetzt unter Einbeziehung der Bundesagentur für Arbeit. Auch im Rahmen des Arbeitsförderungsrecht sollen Maßnahmen zur Vermittlung erster Kenntnisse der deutschen Sprache gefördert werden.
- Personen mit guter Bleibeperspektive können die für die Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderliche Vermittlung unterstützende Leistungen der aktiven Arbeitsförderung erhalten.
Das Asylrecht hat Verfassungsrang
Die Neuerungen sind nicht unumstritten und werden von den Oppositionsparteien teils heftig kritisiert, weil angeblich der verfassungsrechtliche Rahmen nicht beachtet wurde. Gemäß Art. 16 a GG genießen politisch Verfolgte in Deutschland Asyl.
Das Asylrecht hat nach geltendem Recht kapazitätsmäßig keine Obergrenze. Für eine Begrenzung der Zahl derjenigen, die in Deutschland Asyl beantragen, müsste das Grundgesetz geändert werden. Das Asylrecht hat Verfassungsrang und ist das einzige Grundrecht, das nur für Ausländer gilt.
Anders als in vielen anderen Staaten wird das Asylrecht in Deutschland also nicht nur aufgrund der völkerrechtlichen Verpflichtung nach der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951, sondern als eigenständige verfassungsrechtliche Rechtsposition gewährt.
Subsidiärer Schutz nach EU-Recht für anderweitig gefährdete Personen
Das Asylrecht knüpft daran an, dass der Asylsuchende in seinem Heimatland staatlicher Verfolgung ausgesetzt ist wegen seiner politischen Überzeugung, seiner religiösen Grundentscheidung, seiner Rasse, Nationalität oder anderer persönlicher Merkmale, die seine Persönlichkeit prägen. Damit ist gleichzeitig klargestellt, dass allgemeine Notsituationen wie Armut, Bürgerkriege, Naturkatastrophen oder allgemeine Perspektivlosigkeit kein Recht auf Gewährung von Asyl begründen.
Allerdings kann in Deutschland - wie in anderen europäischen Ländern auch - ein subsidiärer Schutz gemäß Art. 15 der EU-Richtlinie 2011/95/EU gewährt werden, wenn ein Antragsteller stichhaltige Gründe für die Annahme vorbringt, dass ihm ein ernsthafter Schaden in seinem Land droht. Dazu zählen grundsätzlich die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung (Art. 3, 15 Abs. 2 EMRK) oder eine erniedrigende Bestrafung oder eine sonstige ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit infolge willkürlicher staatlicher Gewalt.
Verfassungsrechtliche Überprüfung des Gesetzes nicht ausgeschlossen
Trotz der enormen Geschwindigkeit, mit der das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz verabschiedet wurde, hat der Gesetzgeber sich ersichtlich bemüht, dem EU- und grundrechtlich garantierten Schutz gefährdeter Menschengruppen einigermaßen gerecht zu werden.
Ob insbesondere die verschärften schnelleren Ablehnungs- und Abschiebebefugnisse diesen rechtlichen Anforderungen in vollem Umfange gerecht werden, wird möglicherweise noch das BVerfG oder auch die entsprechenden europäischen Gerichte beschäftigen.
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