Ausgeklügeltes Los-Verfahren soll faire Platzvergabe sichern
Alle hatten ein neues Wettrennen erwartet: Vor dem neuen Vergabeverfahren für die Presseplätze im NSU-Prozess saß die versammelte Presse auf Abruf, um ja den Startschuss nicht zu verpassen. Aber das Gericht hat unerwartet einen ganz anderen Weg gewählt: Es vergibt die Plätze für die Verhandlung gegen Beate Zschäpe und vier mutmaßliche NSU-Helfer diesmal per Los. Das Bundesverfassungsgericht hatte dem Senat unter dem Vorsitz von Manfred Götzl aufgegeben, angemessen Plätze an ausländische Medien mit besonderem Opfer-Bezug zu vergeben - also türkische Medien.
Wie wird gewährleistet, dass türkische Medien Plätze bekommen?
Das Gericht hat Kontingente gebildet. Ausländische Medien - deutschsprachige mit Sitz im Ausland und fremdsprachige Medien - bekommen zehn der insgesamt 50 Plätze. Vier davon sind für türkische Medien reserviert, denn acht der zehn Mordopfer des rechtsextremen «Nationalsozialistischen Untergrunds» hatten türkische Wurzeln. Einen Platz bekommt ein griechisches und einen weiteren Platz ein persisch publizierendes Medium. Denn dem NSU wird auch ein Mord an einem griechischstämmigen Kleinunternehmer in München sowie ein Anschlag auf ein iranisches Geschäft in Köln zugeschrieben.
Wie werden die anderen Plätze vergeben?
Es gibt neben den ausländischen Medien einen Pool für in- und ausländische Nachrichtenagenturen mit fünf Plätzen und einen Pool für deutsche Medien mit 35 Plätzen. Hier schlüsselt das Gericht detailliert auf: Es gibt zwei Plätze für das öffentlich-rechtliche und zwei weitere für das private Fernsehen, drei Plätze für den öffentlich-rechtlichen und drei weitere für den privaten Rundfunk. Weiter gibt es acht Plätze für Tageszeitungen und vier für wöchentlich erscheinende Printmedien. Onlinejournalisten und Freie müssen sich in den jeweiligen Gruppen bewerben, inländische in der Gruppe der deutschen Medien und ausländische bei den ausländischen.
Was ist mit denen, die im ersten Verfahren einen Platz hatten und jetzt leer ausgehen?
Neues Spiel, neues Glück - wer nicht zu den Gewinnern gehört, hat erst einmal Pech gehabt. Der Senat hat aber eine Art Öffnungsklausel eingebaut: Es können nachträglich Pools gebildet werden. Ein Journalist, der sich im Losverfahren bewirbt, aber keinen festen Platz bekommt, kann auf das Ticket eines anderen Mediums in den Saal, wenn es ihm den Platz überlässt. Ein solches Platz-Sharing hatte das Gericht im ersten Verfahren ausdrücklich abgelehnt.
Ist der Ärger damit vom Tisch?
Es gibt die Sorge, dass der Streit um die Plätze auch mit dem neuen Verfahren nicht beigelegt ist. Ein Journalist, der schon einen festen Sitzplatz hatte, kündigte an, dass er auf dem Platz beharren und sich an das Bundesverfassungsgericht wenden will. Die meisten Prozessbeteiligten, vor allem die Nebenkläger, hoffen aber, dass der Prozess endlich beginnt. Gerade für die Angehörigen der Opfer ist das Hickhack und die Verschiebung eine massive Belastung - psychisch und organisatorisch.
Die Plätze im Gerichtssaal werden weiter nicht reichen - was ist mit einer Übertragung in einer zweiten Saal?
Der Vorschlag kommt immer wieder. Nach dem Gerichtsverfassungsgesetz sind im Gerichtssaal Aufnahmen «zum Zwecke der öffentlichen Vorführung» unzulässig. Viele namhafte Juristen halten diesen Weg aber für gangbar. Einige Verteidiger der Angeklagten warnten hingegen vor einem «absoluten Revisionsgrund». Nebenklageanwälte haben das Gericht per Antrag zur Video-Übertragung aufgefordert - doch der Senat lehnt das weiter ab, wie eine Sprecherin am Freitag sagte.
Wer ist die Glücksfee - zieht der Vorsitzende Manfred Götzl die Lose?
Nein, ein Notar. Auch hier hat das Gericht ausgeklügelte Regeln aufgelegt. Am 29. April werde ein Notar in den Räumen des Oberlandesgerichts in Anwesenheit einer Protokollkraft und eines Zeugen die Ziehung vornehmen, heißt es in der Verfügung. Jede Mediengruppe wird für sich ausgelost. Dabei wird für jede Untergruppe ein eigener Korb gebildet. Die Medien können die Ziehung nicht direkt verfolgen - sie ist nicht öffentlich.
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