Ist Vermögensabschöpfung bei verjährten Straftaten verfassungswidrig?
In dem zugrundeliegenden Sachverhalt ging es um die illegale Beschäftigung von über 900 bulgarischen Arbeitern in einem Geflügelbetrieb in Niedersachsen im Tatzeitraum Februar 2008 bis Juli 2010. Die Angeklagten hatten die Beschäftigung mittels Scheinwerkverträgen verschleiert.
Nach dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz strafbar gemacht
Das Landgericht Oldenburg sah es zwar als erwiesen an, dass sich die Angeklagten wegen der Beschäftigung von Ausländern ohne Genehmigung in größerem Umfang nach dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz (SchwarzArbG) strafbar gemacht hatten. Da jedoch zwischenzeitlich die Verfolgungsverjährung eingetreten war, wurden die beiden Angeklagten im Jahr 2017 von dem Vorwurf freigesprochen.
LG: Straftaten verjährt – Vermögensabschöpfung wird trotzdem angeordnet
Gleichzeitig hatte das Landgericht Oldenburg gegen die von den Angeklagten geleiteten nebenbeteiligten Unternehmen die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet.
- Diese beliefen sich zum einen auf den Wert der geleisteten Arbeitsstunden von insgesamt 830.000 in Höhe von 10,5 Mio. EUR,
- zum anderen auf den Erlös aus den Vermittlungsleistungen in Höhe von 72.000 EUR.
Ist selbständige Einziehung von Erträgen auch aus verjährten Straftaten als zulässig?
Das Landgericht sah aufgrund der Reform zur strafrechtlichen Vermögensabschöpfung mit Wirkung zum 1.7.2017 die selbständige Einziehung von Erträgen auch aus den verjährten Straftaten als zulässig an. Nach der Übergangsvorschrift des Art. 316h Satz 1 EGStGB sei das neue Recht rückwirkend auch auf Taten anwendbar, die vor dem Inkrafttreten begangen worden seien, so das Landgericht.
Verfassungsrechtliche Bedenken des BGH: Verstoß gegen das Verbot echt rückwirkender Gesetze
Der dritte Strafsenat des BGH hat nun aufgrund der eingelegten Revisionen das Verfahren hinsichtlich der Anordnung der selbständigen Einziehung von Taterträgen ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorgelegt, da aus seiner Sicht hinsichtlich der Rückwirkung verfassungsrechtliche Bedenken bestehen.
- Zwar würde die Entscheidung des Landgerichts dem neuen Vermögensabschöpfungsrecht entsprechen.
- Nach Auffassung des Senats ist die Übergangsvorschrift mit dem Rechtsstaatsprinzip und in den Grundrechten verankerten Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes unvereinbar:
- Sinn der strafrechtlichen Verjährungsvorschriften sei es, nach Ablauf einer gesetzlich bestimmten Zeit Rechtssicherheit herzustellen.
Nach Ablauf dieser Zeit dürften sich die Betroffenen daher grundsätzlich darauf verlassen, dass der Gesetzgeber im Nachhinein nicht eine neue Abwägung vornehme und die ursprünglichen Verjährungsvorschriften rückwirkend für unanwendbar erkläre.
(BGH, Beschluss v. 7.03.2019, 3 StR 192/18)
Hintergrund:
Mit dem am 1.7.2017 in Kraft getretenen VermAbschRÄndG wurde die strafrechtlichen Vermögensabschöpfung grundlegend reformiert.
Durch die Reform wurde die Vermögensabschöpfung für die Staatsanwaltschaft und das Gericht einfacher, sie sollte aber die Rechte der Betroffenen nicht unzulässig schneiden. Die Regelung soll die vorläufige Sicherstellung von Vermögensgegenständen und die Einziehung von Vermögen unklarer Herkunft ermöglichen.
Das Gesetz dient auch der Durchsetzung der Richtlinie 2014/42/EU über die Sicherstellung und Einziehung von Tatwerkzeugen und Erträgen aus Straftaten in der Europäischen Union, zumindest im Hinblick auf die erweiterte Einziehung.
Das Gesetz verfolgt das Ziel, die Finanzierung des Terrorismus von der organisierten Kriminalität zu erschweren, somit Vermögen unklarer Herkunft einzuziehen. Im Gegensatz zu der bisherigen Regelung kann Vermögen auch eingezogen werden, wenn eine konkrete Straftat nicht nachgewiesen werden kann. Es darf allerdings „kein vernünftiger Zweifel“ daran bestehen, „dass Vermögen aus kriminellen Handlungen herrührt“ heißt es in der Gesetzesbegründung. Der sog. „erweiterte Verfall“ nach § 73d StGB war zuvor auf banden- oder gewerbsmäßig begangene Taten beschränkt.
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