Bundestag beschließt Gesetzespaket zur Bekämpfung von Hasskriminalität
Das am 1.10.2017 in Kraft getretene NetzDG war aus Sicht der Bundesregierung und des Parlaments nur ein erster Schritt zur Bekämpfung von strafbaren Hassinhalten im Netz. Die darin enthaltenen Verpflichtungen der sozialen Netzwerke, u.a. der Pflicht, benutzerfreundliche Meldewege zur Übermittlung von Beschwerden über strafbare Inhalte einzurichten, sowie der Verpflichtung zur Erstellung von Transparenzberichten gemäß §§ 2, 3 NetzDG, hat zwar Erfolge gebracht, aber dennoch sind Hasskommentare weder im Netz noch sonst in der Gesellschaft verschwunden.
Umfassender 2. Schlag gegen „Hate-Speech“
Mit der Verabschiedung des jetzigen Gesetzespaketes gegen Hass und Hetze hat der Gesetzgeber nun die zweite Phase der Bekämpfung strafbarer Hassrede eingeleitet. Gleichzeitig sollen mit der Reform auch die neuen europarechtlichen Vorgaben der EU-Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste EU/2018/1808 vom 14.11.2018 umgesetzt werden. Mithilfe verschiedener Änderungen und Ergänzungen des NetzDG, des StGB, des TMG sowie der StPO soll der Druck auf die „Hater“ weiter verstärkt werden.
Neue Meldepflicht
Die neue Meldepflicht des § 3a NetzDG ergänzt die bisherige Pflicht zur Löschung strafrechtlicher Inhalte für Anbieter sozialer Netzwerke im Sinne von § 1 Abs. 1 NetzDG. Neben die Pflicht zur Löschung tritt künftig eine Pflicht zur Meldung strafbarer Inhalte an das BKA. Hierzu muss der Anbieter eines sozialen Netzwerks ein wirksames Verfahren vorhalten, § 3a Abs. 1 NetzDG. Meldepflichtig sollen gemäß § 3a Abs. 2 NetzDG Inhalte sein, die nach Einschätzung des Anbieters strafbar sind und die anhaltende negative Auswirkungen auf die Ausübung der Meinungsfreiheit in sozialen Medien haben können.
Welche Straftatbestände werden von der Meldepflicht erfasst?
Die Meldepflicht betrifft bestimmte Straftaten aus dem Katalog des NetzDG, in denen es um den Schutz von Grundwerten der Demokratie geht. Hierzu gehören:
- Die Bildung krimineller Vereinigungen, § 129,129 b StGB,
- Volksverhetzung und Gewaltdarstellung gemäß § 130,131 StGB,
- die Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten, § 126 StGB,
- die Belohnung und Billigung von Straftaten, § 140 StGB,
- schwere Bedrohungen für Leib und Leben, die Bedrohung mit einer rechtswidrigen Tat gegen die sexuelle Selbstbestimmung, § 241 StGB
- sowie die Verbreitung kinderpornographischer Inhalte §§ 184b, 184d StGB.
Umfang der Übermittlungspflicht
Die Übermittlung muss den Inhalt der beanstandeten Mitteilung sowie die IP-Adresse einschließlich der Portnummer des betreffenden Users enthalten. Hiermit korrespondierend wird § 15 a TMG den Anbietern künftig gestatten, persönliche Daten wie die IP-Adresse an die Strafverfolgungsbehörden weiterzugeben. Dem Schutz der User soll § 3a Abs. 6 NetzDG dienen, wonach die Netzwerke innerhalb von vier Wochen nach Übermittlung von Daten an das BKA, die User hierüber informieren müssen.
Einfache Meldewege, einfache Überprüfung von Entscheidungen
Durch eine Ergänzung in § 3 Abs. 1 Satz 2 NetzDG wird klargestellt, dass die Meldewege, über welche User Beschwerden über rechtswidrige Inhalte an die Netzwerke übermitteln können, leicht bedienbar und unmittelbar erreichbar sein müssen. In einem neuen § 3b NetzDG wird ein Gegenvorstellungsverfahren eingeführt, wonach sowohl Beschwerdeführer als auch die Verfasser von Inhalten auf einfache Weise vom Anbieter eines sozialen Netzwerks die Überprüfung einer Entscheidung über die Zulässigkeit eines Inhalts herbeiführen können. Gemäß neuen § 3c NetzDG wird die Möglichkeit der Anerkennung für privatrechtlich organisierte Schlichtungsstellen eingeführt, die zur Lösung von Streitigkeiten zwischen Beschwerdeführern, Nutzern und den Anbietern beitragen sollen.
NetzDG gilt künftig auch für Videosharingplattform-Dienste
Der Anwendungsbereich des NetzDG wird ausgedehnt. Von wesentlicher Bedeutung ist die Erfassung von bisher nicht an die Vorschriften des NetzDG gebundenen Videosharingplattform-Diensten durch §§ 3d, 3e NetzDG.
Verschärfungen im StGB
Der Entwurf sieht ergänzend einige nicht unerhebliche Ergänzungen und Verschärfungen des StGB vor:
- Zur besseren Verfolgbarkeit schwerwiegender Fälle der Beleidigung sollen diese zukünftig von einem Qualifikationstatbestand in § 185 erfasst werden, der das Höchstmaß der Freiheitsstrafe von bisher einem Jahr auf zwei Jahre erhöht.
- Die Üble Nachrede und Verleumdung gegen Personen des politischen Lebens gemäß § 188 StGB, die nach der Rechtsprechung bisher nur für Politiker auf Bundes- und Landesebene anwendbar war, wird künftig alle Politiker bis hin zur kommunalen Ebene erfassen. Außerdem wird der Straftatbestand auf Beleidigungen ausgedehnt.
- § 241 StGB (Bedrohung): Bisher war gemäß § 241 StGB nur die Bedrohung mit einem Verbrechen strafbar. Künftig ist auch die Bedrohung mit einer rechtswidrigen Tat gegen die körperliche Unversehrtheit, gegen die sexuelle Selbstbestimmung, die persönliche Freiheit oder gegen eine Sache von bedeutendem Wert strafbar.
- Medizinisches Personal in ärztlichen Notdiensten und Notaufnahmen wird nun in den Schutzbereich des § 115 Abs. 3 StGB (Gewalt gegen Rettungsdienste) aufgenommen. Die Vorschrift hat bisher nur Rettungskräfte im unmittelbaren Rettungseinsatz geschützt.
- Die Billigung schwerer Straftaten gemäß § 140 StGB wird künftig nicht nur für bereits begangene Straftaten strafbar sein, sondern auch bei öffentlicher Befürwortung künftiger Straftaten, die geeignet sind, den öffentlichen Frieden zu stören.
- Der Straftatbestand der Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten gemäß § 146 StGB wird um das Merkmal der Androhung einer gefährlichen Körperverletzung sowie der Androhung von Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung ergänzt.
- Der Katalog der strafschärfenden Beweggründe des § 46 Abs. 2 StGB wird um das Merkmal antisemitischer Tatmotive ergänzt.
Änderung des Melderechts
Personen, die in besonderer Weise von Bedrohungen, Beleidigungen oder unbefugten Nachstellungen betroffen sind, werden durch eine Änderung des § 51 BMG künftig leichter eine Auskunftssperre ins Melderegister eintragen lassen können. Ausdrücklich erwähnt werden Personen, die aufgrund beruflicher oder ehrenamtlicher Tätigkeiten in verstärktem Maße Anfeindungen und Angriffen ausgesetzt sind. Dies führt beispielsweise dazu, dass bei Eintragung einer Auskunftssperre bei Kandidaten*innen auf Wahllisten nicht mehr die Wohnanschrift angegeben wird.
Neue Stellen bei Polizei und Justiz erforderlich
Die Reformen werden zu einer deutlichen Erhöhung des Arbeitsaufwandes verschiedener Behörden führen. Der Deutsche Richterbund schätzt, dass nach der Gesetzesänderung jährlich ca. 150.000 Ermittlungsverfahren zusätzlich auf die Justiz zukommen werden. Die Schaffung neuer Stellen zur Bewältigung der zusätzlichen Aufgaben wird nicht nur bei den Staatsanwaltschaften dringend geboten sein, wenn die Reformen in der Praxis effektiv umgesetzt werden sollen.
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