Gelingt es, Zwangsprostitution durch einen Freier-Straftatbestand einzudämmen?
Das Prostitutionsrecht der Bundesrepublik und die auch durch eine missglückte Reform geprägten Zustände im "Bordell Europas" galten schon länger als Skandal. Nun liegt ein Kabinettsentwurf vor.
Umsetzung der EU-Richtlinie Verhütung / Bekämpfung des Menschenhandels
Der Gesetzentwurf dient der Umsetzung der Richtlinie 2011/36/EU des europäischen Parlaments und des Rates vom 5.4.2011 zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels. Der Entwurf befindet sich in der abschließenden Abstimmungsphase und soll kurzfristig ins Kabinett gebracht werden.
Bis 5 Jahre für Freier von Zwangsprostituierten
Ein wesentliches Mittel zur Störung des Geschäftsmodells sieht das Kabinett in der Einbeziehung der Freier in die Straftatbestände des StGB.
- Künftig sollen nicht nur die Zuhälter, sondern auch die Freier bestraft werden können,
- die wissentlich sexuelle Dienstleistungen von Frauen in Anspruch nehmen, die zur Prostitution gezwungen werden.
- Damit würden die Freier in die Verantwortung genommen. Allerdings muss ihnen ihr Wissen um den Zwang erst einmal nachgewiesen werden.
Das veranschlagte Strafmaß für Freier soll drei Monate bis fünf Jahre betragen.
Ausweg aus der Strafbarkeit
Gleichzeitig möchte das BMJV das Anzeigeverhalten der Beteiligten verändern.
- Insbesondere soll für Freier ein Anreiz geschaffen werden, bei Verdacht der Zwangsprostitution Anzeige zu erstatten.
- Erkennt ein Freier, dass eine Frau zur Prostitution gezwungen wird, geht er straffrei aus, wenn er freiwillig eine Anzeige erstattet.
Die bestehende Gesetzeslage
Der Gesetzentwurf sieht eine Änderung der Strafvorschriften der §§ 232, 233 und 233a StGB vor.
- Nach diesen Vorschriften ist der Menschenhandel zum Zweck der Ausbeutung durch Prostitution (§ 232 StGB) und zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft (§ 233 StGB) unter Strafe gestellt.
- § 233a StGB stellt die Förderung und das Vorschubleisten des Menschenhandels unter Strafe.
- § 233 a Abs. 2 StGB sieht unter anderem eine Strafverschärfung für den Fall vor, dass es sich bei dem Opfer um ein Kind handelt.
Änderungen zu Organhandel und Zwangsbettelei
In Zukunft sind folgende Änderung geplant:
- §§ 232, 233 StGB werden erweitert und auf den Menschenhandel zum Zwecke der Ausnutzung von Betteltätigkeiten und strafbaren Handlungen.
- Der Qualifikationstatbestand des § 233 a Abs. 2 Nummer 1 StGB soll nicht nur bei Kindern gelten, sondern grundsätzlich auf minderjährige Opfer bis 18 Jahre erweitert werden.
- Die Strafverschärfung des Qualifikationstatbestandes des § 233 a Abs. 2 Nummer 2 StGB gilt zukünftig auch im Fall der grob fahrlässigen Gefährdung des Lebens des Opfers.
- Die Strafbarkeit gemäß §§ 232, 233 StGB soll um den Menschenhandel zum Zweck der Organentnahme ergänzt werden, wobei es sich hier im wesentlichen um eine Klarstellung im Hinblick auf die ohnehin bereits bestehende Strafbarkeit nach dem Transplantationsgesetz handelt.
- Außerdem sieht der Gesetzentwurf vor, dass das Verbringen einer Person von unter 21 Jahren zur Aufnahme oder Fortsetzung von Betteltätigkeiten, zur Begehung von Straftaten oder zur Organentnahme nur dann unter den Tatbestand der Vorschrift fällt, wenn dies zum Zwecke der Ausbeutung geschieht.
- Darüber hinaus beabsichtigt der Gesetzgeber nach Art. 2 des Gesetzentwurfes die Anpassung der Katalogstraftaten des § 100 c Abs. 2 Nummer 1 Buchstabe g StPO, wonach die akustische Wohnraumüberwachung bei besonders schweren Begehungsformen der Menschenhandelsdelikte möglich sein soll.
- Ergänzend will das Bundesjustizministerium eine Registrierungspflicht für sexuelle Dienstleister einführen.
BMJV beabsichtigt Menschenhandel einzudämmen
Der Bundesjustizminister verspricht sich von dem Gesetzentwurf eine deutlich bessere Handhabe zur Bekämpfung des europaweit zunehmenden Menschenhandels.
- Die EU-Kommission schätzt, dass zwischen 2010 und 2012 in Europa mehr als 30.000 Menschen in die Hände von Menschenhändlern geraten sind.
- 80 % der Opfer dürften Frauen oder Mädchen sein, die sexuell ausgebeutet wurden.
- In den übrigen Fällen handelt es sich um männliche Opfer, die meist zu bestimmten Arbeiten gezwungen werden.
Der Bundesjustizminister hofft, durch das Gesetz die Zahlen deutlich eindämmen zu können.
Betroffenen selbst halten das Gesetz für eine Illusion
Aus dem Bereich der Betroffenen sind eher kritische Anmerkungen zu hören. Interessenvertreter der Sexarbeiterinnen halten die mit dem Gesetzentwurf verbundenen Hoffnungen des Bundesjustizministers für eine Illusion. Insbesondere der Menschenhandel aus Osteuropa funktioniere vor allem mit psychischem Druck. Weder diese Menschen noch die Freier würden sich durch ein Gesetz dazu bringen lassen, sich gegenüber den Behörden zu offenbaren.
Die geplante Registrierungspflicht für sexuelle Dienstleister sei im übrigen diskriminierend und verletze den Datenschutz. Die Sexarbeiterinnen halten den Gesetzentwurf deshalb für wenig wirkungsvoll, was die Bekämpfung der Zwangsprostitution angeht, sehen darin aber für eine zusätzliche Belastung der sexuell Ausgebeuteten, die das Gesetz angeblich schützen wolle.
Wie schon nach der Liberalisierung 2002 könnten letztlich die besonders zwielichtigen Geschäftemacher im Rotlichtmilieu profitieren und am wenigsten die Prostituierten.
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