Stalking,  besteht weiterhin eine zu schwache Strafregelung?

Todesanzeige für das Stalking-Opfer,  Bewährungsstrafe für den Täter. Bei solchen Schlagzeilen kommen Zweifel zur Rechtslage bei Stalking-Tatbeständen auf. Besteht gesetzgeberischer Handlungsbedarf oder lässt eine ratlose Rechtsprechung die Normen nicht greifen?

Am 30.1. verurteilte das Münchner Amtsgericht einen 43-jähriger Buchhalter zu einer Bewährungsstrafe nebst moderatem Opfer-Ausgleich, der eine 17-jährige früher Kollegin und ihre Familie über Monate rabiat belästigte.

Schlimmes kann überall und zu jeder Zeit geschehen

Der Täter schüchterte die junge Frau ein, indem er, von ihr nicht identifizierbar und anonym, fortlaufend tags und nachts SMS und E-Mails schickte. Darin verwies er unter anderem auf den Fall der in Österreich von einem Mann jahrelang gefangen gehaltenen Natascha Kampusch und drohte: Das könne überall und zu jeder Zeit wieder geschehen.

SMS und E-Mails +  falschen Todesanzeige

Ihr familiäres Umfeld bezog er in seine Aktivitäten mit ein, indem er online eine gefakte Todesanzeige aufgab in der die Familie in herzerweichende Manier den vermeintlichen Tod des Stalking-Opfers betrauerte und indem er auf Umwegen über Dritte den Tod des Mädchens am selben Tag ankündigte.

Tochter in Sicherheit gebracht

Die alarmierte Familie brachte daraufhin die Tochter in eine einsame Hütte in Tirol um sie zu schützen. Das Opfer und seine Mutter leiden laut Gutachten weiter unter Panikattacken und müssen in langfristige Therapien.

Polizei konnte Identität lüften

Weil er bei der Buchung der Todesanzeige seine persönlichen Daten angegeben hatte, konnte ihn die Polizei ermitteln und dem Spuk ein Ende setzen. Bei seiner Festnahme im August hatte der mutmaßliche Stalker alle Vorwürfe eingeräumt und ein umfassendes Geständnis abgelegt.

Zu Bewährungsstrafe verurteilt

Der Angeklagte wurde, auch weil er seine Taten gestand, auch wenn er zum Motiv seiner Tat keine Angaben machte, zu einer Bewährungsstrafe von 22 Monaten verurteilt.

Das Amtsgericht verhängte außerdem ein Kontaktverbot und verpflichtete den Mann zu einer therapeutischen Behandlung. In einem Täter-Opfer-Ausgleich soll er 5000 Euro an seine Opfer und 3000 Euro an dessen Mutter zahlen. Auch mit Hinweis auf das Geständnis, das dem Opfer eine Aussage vor Gericht ersparte, hatte das Gericht den Strafrahmen von bis zu fünf Jahren nicht annähernd ausgeschöpft.

Schwieriges Urteil?

Es drängt sich - mit Blick in die Todesanzeige und die Kampusch-Drohung - allerdings die Frage auf, wie intensiv gestalkt werden muss, um 5 Jahre zu verdienen. Körperverletzungen und andere gesetzlich geregelte Übergriffe fallen ja unter eigene Straftatbestände.

Schwierige Rechtslage?

Im Zusammenhang mit dem Fall kritisierten Juristen und Politiker, etwa der Münchner Oberstaatsanwalt Thomas Steinkraus-Koch, die Rechtslage bei Stalking.  

Hintergrund: Stalking

In Deutschland ist Stalking seit dem 31.07.2007 als eigenständige Tat strafbar. § 238 StGB verwendet hierfür den Begriff „Nachstellen“, ein alt hergebrachtes Wort aus der Jägersprache.

Strafbar ist hiernach, wer einem anderen „unbefugt nachstellt“. Das Dilemma des Gesetzgebers bei Einführung der Vorschrift wird bereits an der Ausgestaltung des Gesetzestextes überdeutlich. Der Begriff des Nachstellens ist nämlich nur schwer zu definieren und im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Grundgesetz zumindest als grenzwertig einzustufen. Um entsprechenden Einwänden vorzubeugen, hat der Gesetzgeber die Kategorisierung verschiedener Fallgruppen im Gesetzestext gleich mitgeliefert.

Definition: Zusammenfassend beschreibt „Nachstellen“ oder „Stalking“ das Verhalten einer Person, die eine von einer anderen Person abgelehnte Kommunikation oder Annäherung mit einer gewissen Beharrlichkeit erzwingt. Diese Annäherung kann unmittelbar körperlich räumlich aber auch mittelbar durch Briefe oder Verwendung der elektronischen Kommunikationsmöglichkeiten erfolgen.

Beispiele: Häufige Telefonanrufe oder SMS-Sendungen auch zur Nachtzeit, Spamming (ständige e-mails), penetranter Aufenthalt in der Nähe des Opfers (in Geschäften, Restaurants usw.), die Verbreitung von Unwahrheiten oder Diffamierungen über das Opfer.

Der Gesetzgeber stellt ausdrücklich auch das „Cyberstalking“ unter Strafe. Hier erreicht der Täter durch gezielte Verwendung personenbezogener Daten des Opfers, dass Dritte mit diesem Kontakt aufnehmen (z.B. durch unbefugtes Schalten von Kontaktanzeigen auf den Namen des Opfers), dem Opfer ungefragt Waren zugesandt oder Dienstleistungen angeboten werden.

So kann eine ständig diffamierende Berichterstattung über eine Person in Internetforen den Tatbestand des Nachstellens erfüllen, wenn nicht nachweislich berechtigte Interessen verfolgt werden (AG Charlottenburg, Urteil v. 28.04.2009, 216 C 1001/09).

Der Schutzzweck der Norm geht dahin, die psychische und physische Integrität des Opfers vor ungewolltem Eindringen in seine private Sphäre sowie vor einer unzulässigen Einwirkung auf seine freie Lebensgestaltung zu schützen.

Was ist nicht als Stalking strafbar?

Abzugrenzen ist das strafbare Stalking von den Fällen bloßer Behelligung (der abgewiesene Liebhaber versucht die Partnerin ein letztes Mal zu überzeugen). Auch das Sammeln von Informationen über eine Person im Rahmen der Wahrnehmung berechtigter Interessen (z.B. zum Zweck zulässiger Medienberichterstattung) ist nicht strafbar3.

Praxishinweis: § 238 StGB wird flankiert durch das GewaltschutzG sowie durch die neu eingeführte Vorschrift des § 112 a StPO. Nach dem Gewaltschutzgesetz können Stalkingopfer zivilrechtlich - wie im Münchner Fall geschehen - eine Unterlassungsverfügung gegen den Täter erwirken, die es diesem verbietet sich im Umkreis der Wohnung des Opfers aufzuhalten, bestimmte Orte aufzusuchen oder unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln Verbindung mit dem Opfer aufzunehmen. Ein Verstoß hiergegen hat zur Folge, dass der Täter sich allein deswegen der Verletzung des § 4 des Gewaltschutzgesetzes strafbar macht und mit einer empfindlichen Geldstrafe oder auch Freiheitsstrafe belegt werden kann.

Mit Einführung des § 112 a StPO wurde das qualifizierte Stalking, das zu einer Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit des Opfers führt, als eigenständiger Haftgrund für die Anordnung von Untersuchungshaft eingeführt. Voraussetzung ist allerdings Fortführungs- bzw. Wiederholungsgefahr.


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