Reform soll verhindern, dass Täter Gewinn aus Straftaten behält

Deliktisch erlangte Vermögenswerte sollen nicht beim Täter verbleiben. Dies soll die der Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung verstärkt durchsetzen. Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme zu den Reformplänen am 23.9. weiter gehende, verfassungsrechtlich aber bedenkliche Beweiserleichterungen zwecks Abschöpfung unklaren Vermögens im Bereich Terrorismus und der organisierten Kriminalität gefordert.

Der seit langem vorbereitete Gesetzesentwurf zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung wurde am 13. Juli vom Kabinett verabschiedet, der Bundesrat hat am 23.9. sehr detailliert und mit vielen verschärfenden Forderungen Stellung genommen.

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Strafttätern soll es künftig unmöglich sein, Verbrechensgewinne zu behalten oder möglicherweise sogar zu reinvestieren und damit weitere gesetzeswidrige Tätigkeiten zu unterstützen.

Schon bisher konnte Vermögen eingezogen werden, auch wenn nicht sichergestellt war, dass es aus dieser konkreten rechtswidrigen Tat erlangt worden war. Allerdings war der Verfall auf den Bereich der organisierten Kriminalität beschränkt. Mit der Reform soll Einziehung für jede Straftat möglich sein.

Vorschriften zum Verfall bisher zu kompliziert

Diesem gesetzgeberischen Ziel dienen seit Jahren die Vorschriften des Verfalls gemäß §§ 73 ff StGB. Die Verfallsregelungen werden allgemein als kompliziert und wenig praxisgerecht kritisiert. Dies gilt auch für die im Strafprozessrecht flankierend geregelte vorläufige Sicherstellung von widerrechtlich erlangtem Vermögen gemäß §§ 111b ff StPO (Modell der „Rückgewinnungshilfe“).

Der "Totengräber" des Verfalls soll beseitigt werden

Das BMJV bezeichnet die bisherige Vorschrift des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB als zentrales Hindernis für eine wirksame Vermögensabschöpfung. § 73 StGB regelt den Verfall des aus einer rechtswidrigen Tat Erlangten.

Nach Abs. 1 Satz 2 der Vorschrift ist dem Gericht die Anordnung des Verfalls verwehrt, soweit dem Verletzten aus der Tat ein Anspruch erwachsen ist, dessen Erfüllung dem Täter oder Teilnehmer den Wert des aus der Tat Erlangten entziehen würde.

Die Vorschrift statuiert also die Subsidiarität der Einziehung, d.h. die Ansprüche des Verletzten selbst sind gegenüber der richterlich angeordneten Einziehung grundsätzlich vorrangig.

In der Literatur wurde diese Vorschrift zum Teil als „Totengräber des Verfalls“ bezeichnet.

Gesetzeslage in vielen Punkten problematisch

Die Vorrangstellung des Verletzten und die Priorität seiner zivilrechtlichen Ansprüche wird vom BMJV nicht nur als Bremse für die Anordnung des Verfalls angesehen, sondern auch als zusätzliche Erschwernis für die Durchsetzung der Ansprüche des Verletzten selbst.

Darüber hinaus würde bei mehreren Verletzten eine Art „Windhundrennen“ initiiert  nach dem Motto, wer seine Ansprüche zuerst zivilrechtlich durchsetzt, der mahlt auch zuerst. Daneben kann nach dem jetzt noch geltenden § 111 i StPO ein Auffangrechtserwerb des Staates zu Gunsten vorläufig gesicherter Vermögensgegenstände angeordnet werden.

Ein weiteres rechtliches Problem in der bisherigen Rechtspraxis stellt die Einführung des sogenannten Bruttoprinzips durch den Gesetzgeber im Jahr 1992 dar. Im Gegensatz zum bis dahin geltenden Nettoprinzip sollen bei der Einziehung vom Täter gemachte Aufwendungen für die Tat nicht mehr in Abzug gebracht werden können. Insbesondere bei Korruptionsdelikten, bei denen erhebliche Beträge abfließen, ist dieses Bruttoprinzip äußerst streitig.

Wenn die Mafia sich die Hände reibt

Als äußerst unbefriedigend wird auch angesehen, dass nach geltendem Recht bei deliktisch erlangtem Vermögen unklarer Herkunft dieses häufig dem mutmaßlichen Täter zurückgegeben werden muss. Dies gilt für polizeiliche Routinekontrollen zum Beispiel an Flughäfen oder im Straßenverkehr, wenn beispielsweise erhebliche Bargeldbeträge sichergestellt werden. Insbesondere wenn Auslandsbezüge vorliegen, lässt sich die Herkunft des Geldes oft nicht nachvollziehen.

Obwohl die Begehung einer Straftat und die Verbindung mit organisierter Kriminalität häufig evident ist, muss, wenn eine Straftat nicht nachgewiesen werden kann, das Geld dem letzten (triumphierenden) Gewahrsamsinhaber zurückgegeben werden. Hier will der Bundesrat erhebliche Beweiserleichterungen erreichen.

Kabinett beabsichtigt Beseitigung der bisherigen Probleme

Aus diesem Grunde hat das Kabinett das Recht der Vermögensabschöpfung vollständig neu gefasst. Neu geregelt werden die §§ 73 ff StGB und flankierend die prozessualen Regelungen §§ 111 b ff, 430 ff, 459 g ff StPO, aber auch eine ganze Reihe weiterer Gesetze.

Als Dreh- und Angelpunkt der Reform bezeichnet das BMJV die Streichung des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB und damit die Abschaffung des Subsidiaritätsprinzips.

  • Damit ist zukünftig die Abschöpfung eines durch eine Straftat erlangten Ertrages oder dessen Wert auch dann möglich, wenn Tatgeschädigte Schadensersatzansprüche angemeldet haben.
  • Die Einziehung Vermögens unklarer Herkunft ist künftig auch dann möglich, wenn eine konkrete Straftat zwar nicht nachgewiesen kann, aber dennoch kein vernünftiger Zweifel daran besteht, dass ein Vermögensgegenstand oder Geld aus einer Straftat stammt.
  • Die vorläufige Sicherstellung ist zukünftig ausdrücklich zur Sicherung der Vollstreckung, der Einziehung und der Wertersatzeinziehung möglich, §§ 111 b Abs. 1, 111 e Abs. 1 StPO-E.
  •  Die Definition des durch die Tat „Verletzten“, also des Berechtigten zur Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche, wird nicht verändert.
  • Der Verletzte selbst erhält zukünftig einen Entschädigungsanspruch gegenüber dem Staat,. Dieser geht auf Rückgewähr dessen, was der Tatbeteiligte durch die Tat zum Nachteil des Verletzten erlangt hat
  • oder auf Ersatz des Wertes des Erlangten, §§ 73d StGB-E, 459g Abs. 3 StPO-E.

Hieraus folgt auch, dass etwaige Schmerzensgeldansprüche für die rechtliche Verletztenstellung im Rahmen der Vermögensabschöpfung unerheblich sind.

Halbjahresfrist für den Verletzten

Der Verletzte hat zukünftig zu beachten, dass er im Falle der Einziehung nach Mitteilung der Rechtskraft eines Urteils innerhalb von sechs Monaten bei der Vollstreckungsbehörde seine Ansprüche anmeldet und darlegt,  § 459j StPO-E. Nach Ablauf der Sechsmonatsfrist ist dem Verletzten aber weiterhin der Rechtsweg zu den Zivilgerichten offen.

Bis zur Rückübertragung oder Herausgabe eines rechtwidrig erlangten Gegenstandes wird der Verletzte in den Schutzbereich der strafprozessualen Beschlagnahmeanordnung einbezogen, § 111 b StPO-E. Soweit der deliktisch erlangte Gegenstand nicht mehr vorhanden ist, ordnet das Gericht nach § 23 c StGB-E die Einziehung eines Geldbetrages an, der dem Wert des Tatertrages entspricht (Wertersatz-Einziehung).

Die Rechtsanwälte sparen nicht mit Kritik

Sowohl der Deutsche Richterbund als auch die BRAK äußern an dem Entwurf zum Teil harsche Kritik.

Die BRAK kritisiert besonders die vom Kabinett hoch gelobte Abschaffung des Subsidiaritätsprinzips. Die Rechtsstellung des Verletzten würde dadurch erheblich geschmälert.

Er sei in Zukunft darauf angewiesen, seine Rechte gegenüber dem Staat geltend zu machen.

  • Das vorgesehene Entschädigungsverfahren könne bei mehreren Verletzten lange Zeit in Anspruch nehmen. Vor Rechtskraft des Urteils sei kaum etwas möglich. Ein Verteilungsverfahren nach Jahren könne insbesondere bei Verletzten, denen wesentliche Vermögenswerte entzogen worden sind, ruinös sein.
  • Auch die Regelung bei der Verschiebung von Vermögenswerten wird kritisiert. Zwar sei es zu begrüßen, dass in den Fällen, in denen der Täter deliktisch erlangte Vermögenswerte auf andere überträgt, diese künftig grundsätzlich der Abschöpfung gemäß § 73 b StGB-E unterliegen, ebenso falsch sei es aber, dass hiervon auch die Vermögensverschiebung durch Erbschaft oder auch an Pflichtteilsrechte erfasst werde, was für sich genommen keine rechtswidrigen Vorgänge seien.

Richterbund befürchtet immensen Aufwand für Gerichte und Staatsanwaltschaften

Der Deutsche Richterbund steht mit seiner Kritik nicht nach. Er begrüßt zwar grundsätzlich das Vorhaben, das Recht der Vermögensabschöpfung zu vereinfachen, kann in dem Regierungsentwurf jedoch diese Vereinfachung nur an wenigen Stellen erkennen.

Der Richterbund verweist darauf, dass Klein- und Kleinstverfahren wie Schwarzfahrten, Ladendiebstähle, Versandhandelbetrug die Masse der Ermittlungs- und Strafverfahren in Deutschland ausmacht.

  • Der Entwurf zwinge die Staatsanwaltschaften und Gerichte dazu, das Institut der Einziehung auch in diesen Bereichen anzuwenden, was eine enorme zusätzliche Belastung bedeute, die mit dem vorhandenen Personal nicht machbar sei. Ähnliches gelte im Bereich des Betrugs im Steuerrecht oder bei Sozialabgaben.
  • Die Einziehung werde durch den Entwurf zur Regel gemacht, der sich Gerichte und Staatsanwaltschaft nur ausnahmsweise bei unangemessenem Aufwand entziehen könnten.
  • Der Gesetzgeber müsse klarstellen, wann ein unangemessener Aufwand vorliege, der eine Einziehungsanordnung entbehrlich mache.

Deutsche Richterbund insgesamt enttäuscht

Besonders kritisch sieht der Richterbund auch die Regelung des §111 i Abs. 2 StPO-E, wonach der Staatsanwaltschaft ein Antragsrecht zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens eingeräumt wird.

Soweit damit die Pflicht der Staatsanwaltschaft verbunden sei, in bestimmten Fällen Insolvenzverfahren zu beantragen, stelle auch dies wiederum einen erheblichen zusätzlichen Aufwand dar, der mit dem gegebenen Personal nicht zu leisten sei. Schließlich sei unklar, ob ein unterbliebener Antrag auf Vermögensabschöpfung oder auf Insolvenz möglicherweise Amtshaftungsansprüche gemäß § 839 BGB auslöst. Hier müsse der Gesetzgeber sicherstellen, dass es sich bei diesen Pflichten nicht um drittgerichtete Amtspflichten, sondern ausschließlich um Tätigkeiten im allgemeinen Interesse handelt.

Staatsanwaltschaft soll - so fordert der Bundesrat - die Möglichkeit haben, die Klärung zivilrechtlicher Vorfragen zu verlangen.


Schlagworte zum Thema:  Strafrecht, Gewinn, Richter