Auskunftsansprüche der Kommanditisten und Treugeber in der (Publikums-)KG
Hintergrund
Die Parteien streiten über die Reichweite des Auskunftsanspruchs der Treuhandkommanditistin einer Publikums-KG. Die Treuhänderin (Klägerin) begehrt Auskunft über Namen und Anschrift ihrer unmittelbaren und mittelbaren Mitgesellschafter. Die Publikums-KG (Beklagte) fasste einen Beschluss, in dem die Geschäftsführung angewiesen wurde, personenbezogene Daten der „Gesellschafter“ nicht ohne deren ausdrückliche Zustimmung an Mitgesellschafter herauszugeben. Beide Parteien verstanden den Beschluss übereinstimmend dahingehend, dass mit „Gesellschaftern“ sowohl die Treuhandkommanditisten als auch die dahinter stehenden Treugeber gemeint sind.
Nach dem Gesellschaftsvertrag stehen den jeweiligen Treugebern dieselben mitgliedschaftlichen Rechte, einschließlich des Stimmrechts, wie einem unmittelbar beteiligten Kommanditisten zu. Die Beklagte verweigerte die Auskunft einerseits unter Hinweis auf den Schutz personenbezogener Daten nach der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), andererseits gestützt auf die Erwägung, dass die Klägerin die Identität der Mitgesellschafter allein zu dem Zweck erfahren wollte, um den Mitgesellschaftern Angebote zum Kauf ihrer Beteiligung unter Marktwert zu unterbreiten.
Das Landgericht Berlin erklärte in der Vorinstanz den Beschluss wegen Verletzung des Auskunftsanspruchs für unwirksam, hiergegen legte die Beklagte Berufung beim Kammergericht Berlin ein.
Der Beschluss des KG Berlin vom 04.06.2020 – 23 U 149/18
Das KG Berlin wies die Berufung der Beklagten zurück. Der von der Beklagten gefasste Beschluss ist unwirksam. In seiner Begründung verwies das Gericht auf die ständige Rechtsprechung zum Auskunftsanspruch. Danach steht dem Gesellschafter einer Personengesellschaft unmittelbar aus dem Gesellschaftsvertrag ein unentziehbares mitgliedschaftliches Recht auf Auskunft über die Identität aller Mitgesellschafter zu. Dieses Auskunftsrecht gilt in gleicher Weise für die Treugeber, da nach dem Gesellschaftsvertrag der Beklagten den Treugebern dieselben Rechte wie den Kommanditisten zustehen. Die vorliegende Verzahnung von Gesellschafts- und Treuhandverträgen führt zu einer mittelbaren Gesellschafterstellung der Treugeber im Innenverhältnis zu anderen Treugebern, zu den Kommanditisten, der Komplementärin und der Gesellschaft selbst.
So wie die Treugeber nach dem Gesellschaftsvertrag ihren Auskunftsanspruch als Gesellschafter geltend machen können, unterliegen sie denselben Regeln, wenn es um Auskünfte über sie selbst geht. Der Beschluss, der die Geschäftsführung anwies, eine Herausgabe der Kontaktdaten nur mit Zustimmung der betroffenen Gesellschafter vorzunehmen, verletzte dieses Recht der Treuhandkommanditistin und war daher unwirksam.
Datenschutzrechtlich ist die Herausgabe der personenbezogenen Daten nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. b) DSGVO rechtmäßig, da die Datenverarbeitung der Erfüllung des Gesellschaftsvertrages dient, nämlich als Teil der gesellschaftsvertraglichen Treuepflicht und zur Förderung des Gesellschaftszweckes. Die gesellschaftsvertragliche Treuepflicht bindet auch den Treugeber, so dass dieser die Herausgabe seiner Kontaktdaten nicht verweigern darf. Die Kontaktdatenabfrage zum Zwecke des Angebots zum Kauf von Anteilen stellt keine unzulässige Rechtsausübung der Klägerin nach § 242 BGB dar. Veräußerung und Erwerb von Anteilen gehören, jedenfalls bei einer Publikumsgesellschaft, zu den üblichen gesellschaftsrechtlichen Belangen.
Anmerkung
Jeder Gesellschafter einer Personengesellschaft kann Auskunft darüber verlangen, welche anderen Gesellschafter beteiligt sind. Das Recht, die Identität (und die Anschrift) der Mitgesellschafter zu kennen, resultiert unmittelbar aus dem Gesellschaftsvertrag und kann auch nicht im Gesellschaftsvertrag ausgeschlossen werden.
Generell ist bei dem Auskunftsanspruch zwischen den Kommanditisten einerseits und den persönlich haftenden Gesellschaftern andererseits zu unterscheiden. Den persönlich haftenden Gesellschaftern steht nach der Rechtsprechung ein umfassendes, allgemeines Auskunftsrecht gegen die Gesellschaft zu – vergleichbar dem Anspruch eines GmbH-Gesellschafters aus § 51a GmbHG. Das Auskunftsrecht der Kommanditisten ist hingegen nach § 166 Abs. 2 HGB inhaltlich begrenzt. Die Reichweite ist funktionsgebunden danach zu bestimmen, ob der Kommanditist die Auskunft zur sachgemäßen Ausübung seiner Rechte als Gesellschafter benötigt. Beispiele hierfür sind alle Maßnahmen, die nach Gesetz oder Vertrag der Zustimmung von Kommanditisten unterliegen (Grundlagengeschäfte und Änderungen des Gesellschaftsvertrages) und Informationen, die die Kündigungs- oder Abfindungsrechte des Kommanditisten betreffen. In der Praxis am wichtigsten ist der Auskunftsanspruch in Bezug auf Informationen, die für die Feststellung des Jahresabschlusses erforderlich sind.
Für Publikumskommanditgesellschaften mit Treuhandkommanditisten gelten diese Grundsätze auch für und wider die Treugeber, wenn diese aufgrund der vertraglichen Verhältnisse, insbesondere der Verzahnung von Treuhand- und Gesellschaftsverträgen, im Innenverhältnis rechtlich und wirtschaftlich den unmittelbaren Kommanditisten gleichgestellt sind. Innerhalb einer Treuhandkommanditistin besteht nach der Rechtsprechung ferner ein Auskunftsanspruch der Treugeber untereinander, wenn diese auf Grund der im konkreten Fall getroffenen vertraglichen Vereinbarungen der Treuhand eine Innengesellschaft bürgerlichen Rechts bilden.
In der Praxis ist daher die im Treuhandverhältnis angestrebte Anonymität nicht unumschränkt gewährleistet. Je nach den konkreten vertraglichen Vereinbarungen können Treugebern innerhalb derselben Treuhandkommanditistin oder innerhalb derselben Publikums-KG Auskunftsansprüche über die Identität und die Anschrift ihrer unmittelbaren und mittelbaren Mitgesellschafter zustehen.
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