Auskunftspflicht des Anwalts gegenüber Rechtschutzversicherung

Wenn der Rechtsanwalt im Einverständnis mit dem Mandanten die Korrespondenz mit der einen Prozess vorfinanzierenden Rechtschutzversicherung übernommen hat, hat der Anwalt dieser die abrechnungsrelevanten Auskünfte über den Stand des Verfahrens zu geben. Die Verschwiegenheitsverpflichtung steht dem nicht entgegen, da von ihr konkludent entbunden wurde.

Eine Rechtsanwaltssozietät hatte im Auftrag eines Versicherungsnehmers einer Rechtsschutzversicherung für diesen eine Verkehrsunfallsache gerichtlich erfolgreich abgewickelt. Die klagende Rechtschutzversicherung hatte an die Rechtsanwaltssozietät Kostenvorschüsse in Höhe von knapp 3.000 EUR gezahlt. Im September 2016 erstattete die Rechtsanwaltskanzlei hiervon einen Teil ohne nähere Informationen an die später klagende Rechtschutzversicherung zurück.

Rechtsanwalt beantwortete Sachstandsanfragen nicht

Mehrere Anfragen der Rechtschutzversicherung an die Rechtsanwaltssozietät nach dem Sachstand in der Angelegenheit ließ diese unbeantwortet. Schließlich lehnte die Rechtsanwaltssozietät mit Hinweis auf die Verschwiegenheitspflicht einer Auskunftserteilung ab. Darauf klagte die Rechtschutzversicherung. Im erstinstanzlichen Termin zur mündlichen Verhandlung erteilte die beklagte Rechtsanwaltssozietät die erwünschten Auskünfte. Darauf erklärte der Bevollmächtigte der Rechtsschutzversicherung den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Den Antrag auf Verurteilung der Sozien zur Zahlung der Rechtsanwaltskosten für das Auskunftsverfahren hielt die Klägerin aufrecht.


Auskunftsanspruch kraft Gesetzes auf Versicherung übergegangen

Sämtliche mit der Sache befassten Instanzen einschließlich dem BGH verurteilten die beklagten Sozien zur Zahlung der Verfahrenskosten. Nach Auffassung des BGH war die Rechtsschutzversicherung Inhaberin des von ihr geltend gemachten Auskunftsanspruchs gemäß §§ 675, 666 ,667, 401, 412 BGB i.V.m. § 86 VVG geworden.

Der Anspruch auf Auskunft über den Stand des Auftrags gemäß § 666 BGB ist nach Auffassung des BGH gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG auf den Rechtschutzversicherer übergegangen. Die Rechtsschutzversicherung sei eine Schadensversicherung im Sinne des § 86 VVG. Durch Zahlung der Kostenvorschüsse an die Anwaltssozietät habe die Rechtschutzversicherung ihrem Versicherungsnehmer einen Schaden ersetzt, so dass der Ersatzanspruch gegen den Dritten (Unfallgegner) gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG auf die Versicherung übergegangen sei (BGH, Urteil v. 23.7.2019, VI ZR 307/18).

Rechtschutzversicherung ist auf Auskunft seitens des Anwalts angewiesen

Gegenstand des Forderungsübergangs ist nach dem Urteil des BGH der bereits mit Klageerhebung entstehende, durch die gerichtliche Kostengrundentscheidung aufschiebend bedingte Kostenerstattungsanspruch gegen den Prozessgegner (BGH, Beschluss v. 6.2.2014, IX ZB 57/12).

Mit diesem Kostenerstattungsanspruch gehe der Anspruch des Versicherungsnehmers gegen seinen Rechtsanwalt auf Auskunft über den Stand des Verfahrens in analoger Anwendung gemäß §§ 412, 401 BGB als Hilfsrecht ebenfalls auf die Rechtsschutzversicherung über. Ohne diesen Auskunftsanspruch sei die Rechtschutzversicherung nämlich nicht in der Lage, den Gegenstand und Betrag ihres Hauptanspruchs auf Rückerstattung bereits gezahlter Kostenvorschüsse bzw. auf Kostenerstattung gegen den Unfallgegner zu ermitteln (BGH Beschluss v. 19.12.2012, VII ZB 50/11).

Konkludente Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht

Diesem Auskunftsanspruch steht nach Wertung des BGH die Verschwiegenheitspflicht aus § 43 a Abs. 2 BRAO nicht entgegen. Wenn ein Rechtsschutzversicherer mit Einverständnis des Mandanten einen Prozess vorfinanziert und der Mandant dem Rechtsanwalt die Korrespondenz mit der Rechtschutzversicherung überlässt, so sei davon auszugehen, dass der Mandant seinen Anwalt konkludent von der Verschwiegenheitsverpflichtung zumindest insoweit entbunden hat, soweit die Abrechnung der Mandatskosten betroffen ist. Nur bei einer Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht sei der Anwalt in der Lage, die Korrespondenz mit dem Rechtschutzversicherer sachgerecht zu führen.

Auskunftsklage war begründet

Damit war die Ausgangsklage nach Wertung des BGH von Anfang an begründet. Der Auskunftsanspruch sei nach Erteilung der Auskunft seitens der Anwaltskanzlei in der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung erloschen. Damit sei der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt. Die Kosten der ursprünglich begründeten Klage auf Auskunft habe damit im Ergebnis die Rechtsanwaltssozietät zu tragen.

(BGH, Urteil v. 13.2.2020, IX ZR 90/1).

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